Mercedes-Benz S-Klasse Test – S wie Superhirn

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„Ist das nicht alles ein bisschen too much?“, fragte Entwicklungschef Prof. Thomas Weber bei der Präsentation der neuen Mercedes-Benz S-Klasse, zweisprachig, weil die Pressepräsentation im kanadischen Toronto stattfand und provokant, weil er die Antwort längst vorformuliert hatte: Auf der einen Seite gehe es um das Prinzip, um die technologische Spitzenleistung, auf der anderen Seite sei Luxus schon immer einer der stärksten Innovationstreiber gewesen.

 

Derart eingenordet fuhren wir dem Highway 400 nach Norden, schon nach wenigen Kilometern genervt durch die schurgerade, leere und breite Straße und Tempo 100, manchmal auch Tempo 80 oder 90. Der Tempowechsel wurde zur einzigen Abwechslung. Da befasst man sich gern mit dem scheinbar überbordenden Angebot an Möglichkeiten in der S-Klasse. Bald behält der aktive Spurhalteassistent die Fahrbahnlinien im Blick und lenkt vollkommen automatisch die wenigen leichten Kurven, die der Straßenplaner zu begradigen vergessen hatte, während der aktive Abstandsregler auf den Vordermann achtet und im Zweifel die S-Klasse bis zum vollständigen Stillstand bremst und wieder anfährt.

 

Rundum bewacht vom Superhirn, dem mit dem Bordcomputer vernetzten Sensorcluster aus Stereokamera sowie Radar-, Infrarot und Ultraschallsensoren sorgt die S-Klasse im Notfall auch für die Notbremsung, achtet auf Fußgänger, Tiere und den Querverkehr. Da kann man die Hände getrosten  schon mal vom Lenkrad lassen, bis das Auto einen nach zehn Sekunden das erste Mal auffordert, wieder mal das Lenkrad in die Hand zu nehmen.

 

Wer in der Aufpreisliste die richtigen Kreuze gesetzt hat, kann das genießen. Selbst die ungewollte Wiederholung des Elchtests ist ausgeschlossen, weil das neue Nachtsichtsystem Menschen und Tiere rechtzeitig erkennt und sogar zwischen Mensch und Tier unterscheidet. Den Menschen leuchtet das Spotlight an – mehrfach, damit er gewarnt wird – der Elch wird nicht mit Licht irritiert, er erscheint nur auf dem Bildschirm im Blickfeld des Fahrers, wie der Mensch übrigens auch. Ich bremse auch für Tiere, im Zweifelsfall macht das mein Auto für mich.

 

Der erste Schritt zum autonomen Fahren ist also geschafft. Und die Highways 400 und später 11 lehren uns, dass diese Art der Fortbewegung nicht nur komfortabel, sondern auch sicher ist, weil bei Langeweile und gähnender Leere der ungeseunde Sekundenschlaf nicht lange auf sich warten lässt, mit der S-Klasse eben ohne Folgen. Und es muss nicht immer der Highway in Nordamerika sein, die Nachtfahrt auf der Autobahn oder der endlose Stop-and-Go-Verkehr zählen auch zu diesen gefährlichen Situationen. Denen nimmt die S-Klasse die Risiken – vollkommen autonom.

 

So ein langer Highway legt einem noch ein paar weitere Morgengaben der S-Klasse nahe. Wenn der Motor bei ungefähr 1000 Umdrehungen pro Minute (U/min) so gut wie nicht zu hören ist und Fahrgeräusche fern bleiben, lockt natürlich das Spiel mit dem Infotainment. Auf den beiden, sehr breiten Bildschirmen unter einer gemeinsamen Hutze finden sich zwar noch die klassischen Rundinstrumente mit der Anzeige des Bordcomputers dazwischen und rechts die Darstellung der Navigation. Alles brillanter und größer, aber dennoch so, wie gewohnt, bis der Beifahrer die zahlreichen Einstellmöglichkeiten probiert. Kurz danach erleben wir die Massage nach der Hot-Stone-Methode, hören Alicia Keys aus der satt klingenden Burmester-Anlage im auf die beiden Vordersitze abgestimmten 3D-Sound und diskutieren angesichts der Möglichkeit, den Sitz hinten rechts als Liegesitz einzustellen, wo bei diesem Auto eigentlich der bessere Lounge-Platz ist. Im Luxus vorne links oder in der nicht minder luxuriösen Lounge-Atmosphäre hinten rechts. Verwöhnt wird man in beiden Sitzreihen mit eleganter Optik, erstklassiger Haptik und edlen Details, bis hin zum Duftstoß aus der Beduftungsanlage.

 

Spätestens hier stellt sich die ursprüngliche Frage, ob das alles sein muss oder nicht doch ein bisschen „too much“ ist. Aufdringlich oder gar unangenehm ist selbst die Beduftung nicht, aber eben ein „nice to have“. Wer es sich leisten kann, wer beim Fahren nicht den alltäglichen Stress, sondern eher die Entspannung sucht oder in Ruhe die Möglichkeiten seines rollenden Internet-Hotspots ausnutzen will oder muss, der findet wohl aktuell kaum eine bessere Möglichkeit, mit dem Auto zu reisen.

 

Über Geld muss man an dieser Stelle wirklich nicht sprechen. Das entscheidet im Leben nun einmal ständig über die Möglichkeiten des Einzelnen. Wer es hat, warum soll der sich nicht für ein elegant-dynamisches Automobil wie die S-Klasse entscheiden, von dem der Hersteller sagt, es sei das beste der Welt.

 

Mehr denn je hat Mercedes-Benz die S-Klasse auf genau diese zahlungskräftige Kundschaft in den wirschaftskräftigen Regionen der Welt wie Nordamerika und Ostasien ausgerichtet. Das zeigt bereits die Tatsache, dass die S-Klasse auf der Basis des langen Radstands entwickelt wurde, der unter anderem in China und Russland so beliebt ist. Der bisher als Vater der Modellfamilie übliche kurze Radstand wird nun zu einer Variante, und man darf sich auf den XL und vielleicht auch noch auf einen XXL freuen.

 

In Deutschland wird die S-Klasse ab dem 20. Juli bei den Händlern stehen, als günstigster der S 350 Blue Technology für 79.789,50 Euro. In Toronto war zu hören, insgesamt 20 000 Bestellungen lägen schon vor, vermutlich keine zu diesem Einstiegspreis. Zwar ist die S-Klasse schon in dieser Basisversion gut ausgestattet, doch das volle Sicherheits-, Komfort- und Infotainmentpaket kostet noch einmal einen Kompaktwagen extra. Hier hängt mal wieder alles von den richtigen Kreuzen ab.

 

Wer den schieren Luxus beim Fahren sucht, der sollte in der Aufpreisliste das Kreuz für die Magic Body Control setzen. Die bügelt so ziemlich alle Löcher und Unebenheiten glatt, weil die Stereokamera sieht, was kommt und Federung wie Dämpfung sich dann darauf einstellen können. Mit diesem System wird die heute übliche Schwelle in der Fahrbahn zu einem kaum spürbaren Aufschwingen der Karosserie.

 

Ach so, Motoren bietet Mercedes-Benz auch noch für die S-Klasse, alle leistungsstärker und deutlich verbrauchsärmer als die beim Vorgängermodell. Es fehlt auch nicht der Achtzylinder S 500 mit 4,7 Liter Hubraum, 335 kW / 455 PS und einem maximalen Drehmoment von 700 Newtonmetern, der die S-Klasse in beachtlichen 4,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h wuchtet und mit einem Durchschnitts-Normverbrauch von 8,6 Litern angegeben wird. Der S 400 ist ein Benzin-Hybrid mit 306 PS, 370 Nm und einem Durchschnittsverbrauch von 6,3 Litern. Der S 350 Blue Technology ist ein Sechs-Zylinder-Diesel mit 258 PS, 620 Nm und 5,6 Liter Durchschnittsverbrauch. Meister im Verbrauch ist und bleibt der Diesel-Hybrid S 300 Blue Technology Hybrid mit 204 PS, 500 Nm und nur 4,4 Liter, was Effizienzklasse A+ bedeutet.

 

Wir haben unsere Highway-Tour mit dem S 350 Blue Technologie und dem stärkeren S 500 zurückgelegt. Beim Highway-Gleiten brauchten wir mit dem Diesel unter sechs Liter und auf der etwas bewegteren Streckenführung später mit dem S 500 um die zehn Liter. Aber Verbrauch ist bekanntlich nicht alles, das Vergnügen zählt in Fahrzeugen wie der S-Klasse mehr.

sklasse special

Bleibt die Frage zu klären, um die in diesen Tagen kein Automobil-Autor herumkommt: Ist das nun wirklich das beste Auto der Welt? Es fällt angesichts unserer ersten Erfahrungen schwer, uns ein noch besseres vorzustellen. Mag sein, andere sind in einigen Disziplinen besser. Aber niemand ist weiter in der Entwicklung der Bordsysteme fürs Fahren, und niemand bietet in der Gesamtheit seiner Zielgruppe mehr als die neue S-Klasse. Mal sehen, was sich die Wettbewerber aus Deutschland einfallen lassen. Die nächste Runde des Wettrennens ist eröffnet, wie jedes Mal, wenn eine neue S-Klasse die Autowelt betritt. (ampnet/Sm)

Text: Peter Schwerdtmann/ Bild: Daimler

 

 

Datenblatt: Mercedes-Benz S 350 Blue Technology (lang)

Maße (Länge x Breite x Höhe in m): 5,25 x 1,90 x 1,50
Motor: Sechs-Zylinder-V-Diesel, 2987 ccm, Common Rail, Abgasturbo
Leistung: 190 kW / 258 PS bei 3600 U/min
Maximales Drehmoment: 620 Nm zwischen 1600 und 2400 U/min
Leergewicht / Zuladung: 1995 kg / 715 kg
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 6,8 s
Luftwiderstandsbeiwert: 0,24
Räder /Reifen: vorn 8,0 J x 17 / 245/55 R 17 W
Verbrauch (Schnitt nach EU-Norm): 6,0 – 5,6, Effizienzklasse A
Kohlendioxid pro Kilometer: 158 – 148 g (Euro 6)
Gepäckraumvolumen: 510 l
Basispreis: 85 323 Euro

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2 thoughts on “Mercedes-Benz S-Klasse Test – S wie Superhirn

  1. Hatte auch schon das Vergnügen mit dem neuen Mercedes zu fahren und ich muss eure Meinung teilen. Ich kann mir im Moment auch nur schwer ein besseres Auto vorstellen.

    Aber mal sehen was die Konkurrenz auf den Markt bringt. In jedem Fall wird es schwer werden, dieses Niveau zu erreichen.

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