Mercedes-Benz G65 AMG Test – Die graue Eminenz

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Försters Liebling? Vielleicht. Aber für Stock und Stein ist dieses vor Kraft nur so strotzende Ungetüm fast zu schade – zumal der effektvolle Mattlack sich nicht besonders gut mit kratzenden Sträuchern verträgt. Wie sich fast 2,6 Tonnen Leergewicht kombiniert mit einem 612PS starken V12 Bi-Turbo verhalten, klärt der Fahrbericht.

Unbemerkt zum Bäcker fahren und nicht auffallen? Nicht mit diesem Auto. Allein das markerschütternde Grollen beim Zünden des V12 lässt die Nackenhaare der gesamten Nachbarschaft Spalier stehen. Hinzu kommen eine über alle Maßen geschmackvolle Lackierung in matt-grau sowie die schiere Größe, die den G65 einfach unübersehbar machen.

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Design

Wie in Stein gehauen steht das mittlerweile 35 Jahre alte Grundkonzept auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Doch trotz seines reifen Alters wirkt der G65 kein Bisschen altbacken: Rustikal zwar, aber nicht von gestern.

An der Front fallen zuerst die immensen Lufteinlässe auf: Unterhalb der Rundscheinwerfer warten sie nur darauf die heranströmende Luft zu den Ladeluftkühlern zu leiten. Unterstrichen wird die charakterstarke Linienführung an der Front vom Kühlergrill, der einen klassischen Mercedes eben auszeichnet – groß, breit, mit integriertem Stern. Umspielt wird dieses vergitterte Spektakel von zwei Rundscheinwerfern mit Bi-Xenon-Linsen und einem Tagfahrlicht, das den kantigen Geist des G erneut aufgreift.
Schwingungen oder sanft geformte Rundungen sucht man an diesem Fahrzeug vergebens, einzig die minimal ansteigende Motorhaube folgt nicht den fast ausschließlich horizontalen oder vertikalen Linien und gibt damit einen winzigen Wink in Richtung Aerodynamik.

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Betrachtet man den kernigen Allradler von der Seite, fragt man sich, wie dieses Hochhaus überhaupt gegen jegliche Fahrtwiderstände antreten kann: Alles wirkt, als wäre es ausschließlich mit dem Lineal entworfen und nur einem Zweck dienlich – jedes Hindernis zu überwinden. Extrem ausgestellte Radhäuser, in denen sogar die 20-Zoll-Räder klein wirken, die schiere Höhe, Trittbretter im Terassenformat und Türgriffe, die massiver als Granit wirken machen deutlich, dass der G nicht für die Idee des Lifestyle geboren wurde. Dementsprechend wirken die Sidepipes fast schon deplatziert, würden sie nur nicht einen so unglaublichen Klang von sich geben…

Am Heck erwarten den Betrachter plötzlich runde Formen: Das außen angebrachte Reserverad versteckt sich unter einer perfekt runden Abdeckung, die mit den gesamten Exterieur kontrastiert. Und auch hier zeigt sich wieder, dass die damaligen Designer mit Firlefanz und Schnickschnack nichts am Hut hatten: Gerade Linien, große Fensterflächen und ein Stoßfänger, der seinen Namen redlich verdient hat.

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Doch was ist es, was den G65 von den zivileren Varianten unterscheidet? Es sind wie immer kleine Details, die den Kenner anerkennend nicken lassen. Wer nicht vom Fach ist wird nur schwerlich differenzieren können, um letztendlich von seinen Ohren und dem Heavy Metal des Aggregats überzeugt zu werden.

Interieur

Wer das Glück hat, ein Oberklasse-SUV sein Eigen nennen zu dürfen, wird bisher davon ausgegangen sein, kaum ein Automobil zu finden, in dem man höher über der Straße thront. Doch der G65 ist genau das: Ein rollender Thron, ausstaffiert mit Leder, Carbon und Edelstahl, beheimatet im Dachgeschoss der automobilen Fortbewegung. Alle anderen Verkehrsteilnehmer wirken von jetzt auf gleich wie Spielzeugautos, in die man bequem von oben hinein sehen kann.

Öffnet man die massive, schwere Fahrertür, wird man zuerst vom illuminierten AMG-Schriftzug auf der Einstiegsleiste begrüßt. Doch dieser findet erst auf den zweiten oder dritten Blick Bewunderung, sind es doch die Designo-Ledersessel im Bicolor-Leder, auf denen die Augen ruhen. Die über alle Maßen präzise gesteppten Rauten ernten Bewunderung und finden sich an der Innenverkleidung der Tür wieder, wo sie ein aufs andere Mal als Handschmeichler dienen.

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Doch die Polster sind nicht zum Betrachten installiert, sondern zum Sitzen: Also eingestiegen. Doch das Entern des Interieurs fällt auf Anhieb nicht leicht: Der Tanz auf dem Trittbrett will geübt sein, möchte man grazil den Sitz entern und nicht zum Gespött der Schaulustigen werden.

Einmal Platz genommen, kehrt Entspannung ein – vorläufig. Die Multikontursitze lassen sich an nahezu jede Statur anpassen, da eine Vielzahl an Elektromotoren dafür sorgt, dass jede Körperpartie optimal unterstützt werden kann. Der erste Griff fällt jedoch trotzdem zu Türtafel, wo die Sitzverstellung ihre perfekte Positionierung hat: Doch den Befehl, den Sitz weiter nach hinten zu schieben verweigert der G strikt. Dies liegt nicht etwa daran, dass der Mechanismus defekt wäre, sondern schlicht und ergreifend daran, dass es nicht weiter nach hinten geht. Großgewachsene kauern auf den ansonsten enorm bequemen Fauteuils in Froschhaltung und finden ein Lenkrad vor, das zum Rest des G65 passt: Es wartet mit einer entsprechenden Größe auf.

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Hat man sich erst an die Sitzposition gewöhnt, darf der Blick wandern: Zweifarbiges Leder in einer Verarbeitungsqualität, die Ihresgleichen sucht, Carbonblenden, die in einem 2,6 Tonner zwar etwas deplatziert wirken, aber von überragender Qualität sind, und Holz, das den Schluss zum Ursprung des Offroaders zulässt. Man fühlt sich wie in einer modernen Flughafen-Lounge: Alles für sich ist attraktiv arrangiert, doch passt der Mix nicht unbedingt zusammen. Dazu gehört der aus dem Konzernregal bekannte aufgesetzte Monitor ebenso, wie das Carbon-Dekor oder aber die Ambientebeleuchtung.

Auch der Fond ist mit zwei Bildschirmen und einem Entertainment-System ausgestattet. Doch auch hier steht nicht der erwartete Raum zur Verfügung, da die Vordersitze weit nach hinten gefahren sind. Bereit steht jedoch der Blick über den gesamten Innenraum, in all seiner Opulenz, der letztendlich nur noch vom haptisch anspruchsvollen Alcantara-Himmel übertroffen wird.

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Im Heck des Klassikers werden allerdings jegliche Platzansprüche befriedigt: Ganz gleich ob es die vollständige Reitausrüstung der Tochter, ein stattlicher Safe oder aber das Gepäck für einen ausgedehnten Golf-Urlaub sein soll, der G schluckt es ohne Wenn und Aber. Hinzu kommt, dass das Ladeabteil mit einem feinen hochflorigen Teppich ausgeschlagen ist, der fast Wohnzimmer-Charakter besitzt.

Fahrgefühl

Doch genug von Kubikmetern, Ausstattung und Optik: Was zählt ist die Fahrkompetenz. 3- 2- 1- Zündung. Housten, wir haben die Erdumlaufbahn verlassen. So dramatisch, wie sich die letzten Zeilen lesen, so exorbitant ist das Beschleunigungs-Spektakel, das sich darbietet, sobald das rechte Edelstahl-Pedal auch nur in die Nähe des Bodenblechs gelangt. In uneingeschränkt jeder Lebenslage reißt der auf 1000 NM gedrosselte Bolide das Tor zu Hölle auf und beschleunigt ohne Pardon. Führt man sich vor Augen, dass man maximal über drei Tonnen Stahl, mit aerodynamischen Qualitäten eines Wolkenkratzers, in Windeseile auf limitierte 230km/h beschleunigt, wird einem Angst und Bange. Immerhin muss die Masse auch wieder gebremst werden. Doch kein Problem, dem der AMG nicht gewachsen wäre: Ein fester Pedaldruck und der Koloss verzögert auf einem Niveau, dass sich nicht zu verstecken braucht.

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Kurvenfahrt? Kann der G65 auch – allerdings kann sich jeder ausmalen, dass dieses Fahrzeugkonzept für andere Aufgaben besser gerüstet ist. Wir würden uns wünschen, dass die Welt aus einer einzigen langen Gerade bestehen würde, die immer wieder durch eine Ampel unterbrochen wird. Warum? Damit man sich, sobald das grüne Licht erschein, wieder der katapult-artigen Beschleunigung hingeben kann.

Wie ein Katapult fühlt sich die Federung zwar nicht an, sänftenartigen Komfort kann sie jedoch auch nicht generieren. An diese Stelle zeigt sich, dass man die Fahrphysik nicht überlisten kann. Wer schnell sein will, muss leiden und im Falle des G65 AMG eine raue Federung hinnehmen. Was im Gelände noch hilfreich sein mag, gebärdet sich spätestens beim Befahren von Kopfsteinpflaster als wahre Herausforderung. Es rüttelt kräftig und man erinnert sich wieder an die Herkunft dieses Luxus-Mobils: Strecken abseits aller befestigten Wege.

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Resümee

Der G65 AMG ist ein kerniger Typ vom Schlage eines alten Profi-Boxers: Er kann noch immer zuschlagen, dass man um sein Leben fürchtet. Aber ganz die Kondition und die neuesten Tricks, um mit den jüngsten Talenten mitzuhalten fehlen ihm, wie etwa ein passendes Raumangebot oder eine kommode Federung.

Doch es ist genau das, was den Charakter dieses Fahrzeugs ausmacht: Die Ecken und Kanten, die ihn liebenswert machen sowie die herrliche Revolution gegen das Downsizing. Wir sagen: Auf die nächsten 35 Jahre und noch viele Pferdestärken mehr.

Fotografie: Mikhail Bievetskiy mit Canon 1Dx und 24-70 Ver. II ƒ2.8 für NewCarz

Fahrzeugschein: Mercedes-Benz G65 AMG

Länge x Breite x Höhe (mm): 4662 x 2055 x 1951

Motor: V12 Bi-Turbo

Leistung:  450 KW / 612 PS

Hubraum: 5980 ccm

Max. Drehmoment: 1000Nm (begrenzt)

Getriebe: 7-Gang-Automatik

Durchschnittsverbrauch (NEFZ-Norm):  17 Liter/ 100km

Emissionsklasse: Euro 5

CO2-Emissionen: 397g/ 100km

Höchstgeschwindigkeit: 230 (abgeriegelt)

Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 5,3 Sekunden

Leergewicht / Zuladung: 2580 / 620 Kg

Kofferraumvolumen: 480 – 2250 Liter

Wendekreis: 13,6

Preis: 264.000

Mehr zu dem Fahrzeug gibt es im DriversClubGermany und auf Impulsee.

5 thoughts on “Mercedes-Benz G65 AMG Test – Die graue Eminenz

  1. Widerstand. FahrWIDERstand. Von „wider“ und „gegen“. NICHT WiEderstand von „wiederholen“, bzw. „wieder“ oder „nochmal“. Peinlich.

    1. Hallo Weber.
      Vielen Dank für den freundlichen Kommentar!
      Das zeigt, dass auch wir nur Menschen sind und Fehler trotz größter Sorgfalt passieren.
      Wir hoffen, dass der Artikel trotzdem gefallen hat!
      Einen schönen Tag noch.

  2. Seit Jahren wird die G Klasse mit der selben Karosse gebaut, nur mit ein paar veränderungen im Design und in der Motorisierung. Aber trotzdem ist die G klasse Geil! Und als AMG natürlich noch Geiler!

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