Bentley Bentayga: Britische Nobelmarke spielt im Schlamm

Bentley Bentayga
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Interessanter kann ein Angriff auf den Audi Q7 und den Range Rover Sport fast nicht sein. Mit dem Bentley Bentayga wird auf der IAA 2015 erstmals in der 96-jährigen Marken-Geschichte der für Komfort und Leistungskraft bekannten Luxusmarke ein SUV präsentiert.

Von Schlamm verkrustet sah man bisher noch keinen Bentley durch unwegsames Gelände holpern. Die feinen Limousinen und Coupés aus dem mittelenglischen Crewe repräsentieren bislang die gehobene Art der Fortbewegung, gern auch mal im 300 km/h-Tempo. Mit der Beschränkung auf glatt gewalzte Asphalt-Pisten ist endgültig Schluss, wenn im Januar die Auslieferung des Modells Bentayga in Europa beginnt. Und auch mit der Alleinstellung des Range Rovers, der bislang praktisch konkurrenzlos die Wünsche wohlsituierter Kundschaft nach höchstem Komfort und robuster Geländetauglichkeit befriedigen durfte.

Die Latte hat der Chef von Bentley Motors, Wolfgang Dürheimer, ohne Not selbst enorm hoch gelegt. Der Bentayga solle „nicht nur das schnellste und teuerste, sondern auch das exklusivste und luxuriöseste Fahrzeug seiner Art“ werden. Für gut zwei Dutzend einheimische Kunden war diese Ankündigung des ehemaligen Porsche- und Audi-Managers bereits so überzeugend, dass sie zum Abschluss eines noblen Dinner-Abends gleich einen Kaufvertrag unterzeichneten. Die 25 Exemplare der „First Edition“, die von weltweit 500 für Deutschland vorgesehen waren, sind nun bereits ausverkauft.

Nicht einer dieser betuchten Kunden hat das Auto bisher gefahren. Sie wissen von ihrer Erwerbung nicht viel mehr als dass es sich um ein Sports Utility Vehicle handelt und dass es einen Zwölfzylindermotor hat; dem einzigen, der gegenwärtig weltweit zu haben ist, nachdem Audi seinen Q7 mit V12-Diesel eingestellt hat. Nach Verstreichen einer Respektsfrist von einem Jahr werden die Bentayga-Interessenten für kleinere Motoren bedient. Ein Otto- und ein Dieselmotor mit jeweils acht Zylindern stehen auf der Agenda, eine Hybridversion ist ebenfalls in der Pipeline.

Schon seit Jahresbeginn brausen Testingenieure immer wieder durch die abgelegensten Gebiete auf dem Globus, um die Zuverlässigkeit des Luvus-SUV auf Herzen und Nieren zu prüfen. Die Dünen in 50 Grad heißen Wüstengegenden musste der Bentayga dabei ebenso erklimmen, wie bei 40 Grad Forst die nördlichsten Zipfel Skandinaviens durchqueren. Oberstes Ziel laut Projektleiter Peter Guest: „Keine Kompromisse. Bei den Offroad-Fähigkeiten ebenso wenig wie beim Fahrkomfort auf der Straße.“

Bentley ist in der Vergangenheit nicht gerade durch sparsam dimensionierte Karosserien aufgefallen. Doch nimmt man den unmittelbaren Wettbewerber zum Maßstab, erstaunt das geschmeidige und zurückhaltende Design des fünftürigen Aufbaus. War die 2012 in Genf gezeigte Studie „# Exp 9“ noch ein Respekt gebietender Gelände-Gigant, kommt der Bentayga fast schon bescheiden und grazil daher. Das vergleichsweise flache Greenhouse mündet in ein elegantes Heck, das eine ungewöhnlich schräg stehende Scheibe begrenzt. Wer sich an diesem Fahrzeugteil an einen Audi Q7 erinnert fühlt, hat zumindest keinen Sehfehler. Die Konzern-Verwandtschaft wird durchaus nicht verleugnet, auch wenn es nur Details sind. Den sehr eleganten rahmenlosen Innenspiegel hat man so ähnlich schon im VW Passat gesehen.

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Die selbstverständlich elektrisch öffnende Klappe gibt einen im Normalzustand 430 Liter großen Kofferraum frei. Ein herausziehbarer Ladeboden soll einen nach unten schwenkbaren Klappenteil überflüssig machen. Die faltbare Abdeckung gab bei der ersten Besichtigung noch nicht das erhabene Einrastgeräusch von sich, das von einem Fahrzeug dieser Preisklasse erwartet wird, doch darf man wohl darauf vertrauen, dass sich einige der mehr als 1000 Ingenieure, die mit dem Projekt Bentayga befasst sind, bis zur IAA dieses Problems angenommen haben.

Am vorderen Ende des auf mächtigen 22 Zoll-Rädern schwebenden Fünftürers wird Vertrautes und Originelles sichtbar. Das „Vier-Augen-Gesicht“, das der Continental GT als erster Bentley der VW-Zeitrechnung prägte, ist dort neu interpretiert, wobei das außen liegende, ringförmige Tagfahrlicht eine Zusatzfunktion verbirgt. Die ausfahrbare Abdeckung gibt die Scheinwerfer-Waschanlage frei, so dass in Ruhestellung keine zusätzliche Öffnung in der Bugschürze die optische Harmonie rund um den mächtigen Rautengrill stört. Hoch über dem Asphalt schimmert das Chromgitter, denn der Bentyga kann tiefer waten als manch englischer Landedler in seinen „Hunter“-Luxus-Stiefeln: 500 Millimeter.

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Die Cockpitgestaltung greift das Thema der ausgebreiteten Flügel erneut auf, das sich seit Erfindung des Markenlogos durch die Bentley-Jahrzehnte zieht. Fahr-, Assistenz-, Komfort- und Entertainment-Funktionen können wahlweise per Drehdrück-Steller oder Touchscreen orchestriert werden. Fahrwerkmodi und die Anpassung des Allradantriebs an verschiedene Untergründe sind in einem Zentralschalter auf der Mittelkonsole zusammengefasst. Die symmetrische Aufteilung, darauf weist Interieur-Designer Darren Day besonders gern hin, erlaubt es, sowohl für Rechts- als auch für Linkslenker den gleich Abstand des Getriebehebels zum Lenkrad zu realisieren. Sein wichtigstes Gestaltungs-Thema heißt „Präzision“. Nicht ohne Stolz weist er darauf hin, dass Schalter und Knöpfe mit einer Fugentoleranz bis hinab zu 0,3 Millimetern eingepasst wurden.

Bei den Produktionsplanern geht man davon aus, dass die Konfiguration mit vier Einzelsitzen die am häufigsten bestellte Variante sein wird. Das hintere Gestühl unterscheidet sich dann nur minimal vom vorderen, alle elektrischen Einstellmöglichkeiten für Polster, Lehnen und Kopfstützen sind analog zu denen in den vorderen Sesseln vorhanden. Die durchgehende Rückbank wird auf Wunsch lieferbar sein und damit der Bentley-Eigner den Transport der Kinder zum Polo-Training nicht dem Nachbarn mit dem Van überlassen muss, ist auch an eine siebensitzige Variante gedacht. Die zweite Sitzreihe ist nach Art einer „Kino-Bestuhlung“ etwas höher eingebaut als die erste.

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Im Unterschied zu dem anderer exklusiven Offroadern verfügt das Bentayga-Getriebe nicht über eine Geländeuntersetzung. Und das, obwohl die Nobel-Kalesche doch so geländetauglich sein soll? „Wenn Sie 900 Newtonmeter Drehmoment haben“, kontert Peter Guest selbstbewusst, „brauchen Sie keine Getriebeuntersetzung.“ Der Projektleiter hat noch mehr Pfeile im Köcher, die die Konkurrenz in Schach halten sollen: 608 PS, 4,1 Sekunden von Null auf Hundert, Spitze rund 300 km/h. Obwohl die Aluminium-Karosserie – laut Guest – mehr als 250 Kilogramm gegenüber einer herkömmlichen Bauweise einspart, darf man wohl getrost davon ausgehen, dass der Bentayga nicht leichter ist als ein Continental GT – und der wiegt fast 2,3 Tonnen.

Im Luxussegment sind es vor allem die zahlreichen Komfort- und Zusatzausstattungen, die eingesparte Pfunde bei Karosserie oder Fahrgestell wieder auffressen. Der Zwölfzylindermotor wiegt zum Beispiel 30 Kilogramm weniger als das W12-Aggregat der ersten Generation. Er verfügt über eine Zylinderabschaltung. Erstmals wird ein einem Serien-SUV ein 48-Volt-Bordnetz verwirklicht. Ein komplexes Steuerungssystem erlaubt individuellen Einfluss auf Antrieb, Dämpfung, Assistenz-Systeme und gibt Informationen über Fahrzustände wie Querbeschleunigung und Neigungswinkel. Die Wattiefe beträgt 500 Millimeter, die Anhängelast 3500 Kg. Viele Fakten liegen also auf dem Tisch, Raum für Spekulationen bietet noch der Preis. Aus der Führungsetage von Bentley Motors ist zu hören, dass der Bentayga etwa „15 Prozent oberhalb des Range Rover“ positioniert werden soll. Nimmt man dessen luxuriöseste 550-PS-Version zum Maßstab, käme eine Summe von 266 000 Euro heraus.

Weitaus günstiger wird der Bentayga für den Kaminsims. Während sich um die Optik des realen Fahrzeugs noch große Geheimnisse rankten, hatten Sammler das originalgetreue Modellauto schon ausfindig gemacht und ins Netz gestellt. Gefertigt in einer chinesischen Spielzeugfabrik soll es angeblich auf der IAA in Frankfurt handverlesenen Gästen zum Geschenk gemacht werden.

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Text/Fotos: Axel F. Busse, ampnet

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