Bentley Mulsanne Test – Die Queen unter den Luxus-Limousinen

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Es gibt sie, diese nicht alltäglichen Begegnungen im Alltag eines Automobiljournalisten – und der Bentley Mulsanne ist eine davon. Wenn der Kollege mit dem fast 5,6m langen Kunstwerk vorgefahren kommt und man das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommt, dann erwartet einen etwas Besonderes: Luxus, Platz und Power! Eingestiegen im automobilen Oberhaus Englands.

Die erste Tür, die geöffnet wird, ist die hinten rechts, denn der Mulsanne ist eine Chauffeurslimousine par excellence. Einsteigen, Platz nehmen, die Beine ausstrecken und das Leben genießen, während das Multimedia-System die Unterhaltung übernimmt und der Kühlschrank den Champagner kühlt. Bis der Chauffer, pardon, der Kollege das Gaspedal in den hochflorigen Teppich drückt und die Frage aufkommt, ob der beste Platz vielleicht nicht doch am Steuer des Engländers ist. Doch der Reihe nach.

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Exterieur: Gediegene Noblesse

Das Erscheinungsbild des Mulsanne wirkt, wie aus einer anderen Zeit. Die vier Rundscheinwerfer haben ein großes Format und nehmen den Anachronismus des LED-Tagfahrlichts nur wiederwillig auf. Doch nicht nur die Leuchteinheiten sind von stattlichem Ausmaß: Das Thema Größe zieht sich wie ein roter Leitfaden durch das gesamte Fahrzeug. Seien es die enorm lange gepfeilte Motorhaube, die beachtliche Gesamtlänge von knapp 5,6 Metern oder der monumentale Kühlergrill.

Alles wirkt der noblen Reputation entsprechend, wie aus den Vollen gefräst. Das beste Beispiel hierfür ist eben jener Grill: Nicht nur das Format begeistert, sondern auch die Ausführung in massivem Edelstahl. Es ist nicht die Spur von Kunststoff zu finden; was hier verbaut wurde ist massiv und perfekt verarbeitet. Dem Ganzen setzt das „Flying B“ die Krone auf. Fast schon zierlich, aber dennoch omnipräsent thront es am Ende der Motorhaube und vermittelt sowohl dem Fahrer, als auch den staunenden Betrachtern das Gefühl höchster Exklusivität.

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Überhaupt ist der Bentley, zumal nicht gerade auffallend lackiert, ein Blickmagnet. Ganz egal ob Flaniermeile oder Landstraße, überall verdrehen die Menschen ihren Kopf, um einen Blick auf den großen Engländer zu erhaschen – und zu sehen bekommen sie viel. Die Seitenlinie wird durch die barocken Kotflügel und die ausgestellten Flanken nochmals betont, und erhält mit den klassischen 20 Zoll großen Aluminiumfelgen das Tüpfelchen auf dem i. Dabei wird die elegante Erscheinung vom dezenten, aber außerordentlich schön passenden Farbton namens „Brogar“ unterstrichen, der sich in keine Farbschublade stecken lässt. Weder braun, noch grau: Einfach brogar.

Harmonisch untermalt wird das Gesamtbild von geschmackvoll gesetzten Chromleisten, die ihr Dasein nicht nur an der Front, sondern als unterer Abschluss der Türen, an den Türgriffen, als B-Säulen-Verkeidung oder aber an der Heckschürze zelebrieren.

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Das Heck wird mit einem klassischen Hüftschwung, der sogenannten „Haunch Line“, eingeleitet, wo der leicht ausgestellte Kofferraumdeckel als weitere Reminiszenz an die Bentley-Limousinen vergangener Tage erinnert. Daran schließen die Rückleuchten, mit ihren drei illuminierten Ellipsen ebenso an, wie die ovalen Endrohre, mit ihrem stattlichen Format. Ein ebenso stattliches Format erwartet man beim Gepäckraum, doch dieser fällt für ein Fahrzeug dieser Größe mehr durch seine vornehmen Verkleidungen und die aufpreispflichtigen Regenschirme auf, als mit schierem Volumen.

Alles in allem gelang es den Designern also optische Parallelen zur Vergangenheit zu ziehen, das Barocke aber gekonnt mit dem Modernen und vor allem dem Imposanten zu kombinieren.

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Interieur: Der distinguierte Clubraum

Im Innenraum erwartet die Fahrgäste fast dasselbe Bild, das sich nur in einem Punkt vom äußeren unterscheidet: Hier ist es noch luxuriöser, als es das Äußere schon erahnen lässt. Hartplastik? Fehlanzeige. Alles, aber auch wirklich alles wirkt nicht nur enorm solide, sondern wie aus den Vollen geschöpft. Ein Beispiel gefällig? Allein die Luftausströmer versuchen sich nicht nur an einem Chrom-Look, sondern sind massiv, also vollkommen aus Edelstahl gefertig. Keine der verwendeten Materialien versucht vorzugaukeln, ein anderer Werkstoff zu sein: Leder, Edelstahl und Holz sind en masse vorhanden und mit einer Perfektion verarbeitet, die eines Bentley würdig erscheint. Dabei haben die Materialien eine Qualität allererster Güte. Das Leder ist enorm dick, dabei aber sehr anschmiegsam und erweckt den Eindruck, selbst 100.000km ohne die kleinste Spur zu überstehen.  Und sollte es mal eine Stelle geben, die nicht mit dem tierischen Produkt überzogen ist, dann ist dort entweder das massive und üppig verarbeitete Echtholz, oder aber ein Teppich verlegt, der mit seiner Hochfolrigkeit ein nachhaltig flauschiges Gefühl hinterlässt. Man fühlt sich, wie in einem englischen Clubraum, in dem alles zwar etwas antik, aber sehr stilvoll und gemütlich zugleich wirkt.

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Einen kleinen, aber passenden Kontrast dazu, bildet das komplette Multimedia-Kit, welches mit zwei Bildschirmen in den Kopfstützen der Vordersitze, einer dazugehörigen Fernbedienung und einem grandiosen „Naim“-Sound-System ausgerüstet ist. Erweitert wird die Funktionalität um zwei Funkkopfhörer, die den Fond-Passagieren erlauben, links und rechts getrennte Radiosender zu hören oder Filme zu sehen. Doch dem Ganzen setzten die elektrisch ausfahrbaren Klapptische noch den Hut, pardon, die Krone auf: Vollkommen ausgeklappt, gibt es die Möglichkeit sein iPad einzufügen und eine entsprechende Tastatur in die dafür vorgesehene Mulde zu legen, um auch unterwegs immer sein Büro dabei zu haben und keine Zeit für die Schönheit des Interieurs zu vergeuden.

Sollte der gestresste Manager dann doch den einen oder anderen Moment ohne Arbeit zubringen, kann das Komfortniveau nochmals, nicht nur durch die elektrische Einstellung aller Sitze, sondern auch durch die Massagefunktion der Fondsitze gesteigert werden. Wenn dann noch das Platzangebot der First-Class gesucht wird, reichen zwei Fingerbewegungen, um den Beifahrersitz von der Rückbank aus bequem elektrisch nach vorn zu fahren.

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Passend dazu, darf der Chauffierte sich dann über ein Glas Champagner aus dem Kühlschrank hinter der Fond-Mittelarmlehne freuen, das er selbstverständlich aus Kristall-Gläsern schlürfen darf.

Doch auch vorn gibt der Mulsanne ein fürstliches Bild ab: Erst am Armaturenbrett wird die Pracht des enormen Wurzelholz-Einsatzes richtig erkennbar. So, und nicht anders, erwartet man das von einer britischen Nobel-Karosse. Hinzu gesellen sich ungewöhnlich verlaufende, aber enorm schöne Instrumente, sowie ein Bediensystem, das fast auf Anhieb eingängig ist. Der mittige Bildschirm kann dabei elektrisch versteckt werden, sollte der Bentley-Eigner einmal der modernen Technik überdrüssig sein.

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Das Thema Elektrik ist ohnehin ein sehr wichtiges bei diesem Gefährt. Es gibt nahezu nichts, das man noch manuell oder sogar mit Kraftaufwand betätigen müsste. Die Sitzverstellung erfolgt natürlich eben so von Elektromotoren gesteuert, wie die Betätigung der Rollos für die hinteren Scheiben oder die Servo-Schließung der Türen. Gerade an Letzterem zeigt sich besonders die Maxime eine Bentley: Komfort bis ins allerkleinste Detail.

Fahreindrücke: Dr. Jekyll und Mister Hyde

Um beim Komfort zu bleiben und es vorab auf den Punkt zu bringen: Der Mulsanne ist eine Sänfte. Ganz gleich, welchen Fahrwerksmodus man angewählt hat, straff oder gar sportlich wird der 2,7 Tonner nie – und das ist auch gut so. Niemand würde einen knochentrockenen Modus anwählen, da er schlicht und ergreifend nicht zu einer Luxuslimousine diesen Formats passt. Das gediegene Vorankommen steht im Vordergrund und wird durch die fast nicht vorhandenen Fahrgeräusche nochmals unterstrichen. Selbst bei Geschwindigkeiten, die heutzutage für gewöhnlich kaum noch zu realisieren sind, ist es möglich sich im Flüsterton miteinander zu unterhalten. Passend dazu geriet auch die Abstimmung der Lenkung: Sie reagiert butterweich und nimmt es mit der Zielgenauigkeit nicht ganz so genau. Aber diese Limousine hat schließlich auch nicht den Willen auf letzter Rille über die Landstraße gehetzt zu werden, sondern der kraftvolle Gleiter zu sein.

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Genau das ist das Stichwort, auf das der Motor reagiert: Die 512 PS klingen längst nicht so vielversprechend, wie das Erlebnis, das sie ermöglichen. Das Aggregat schöpft aus klassischen 6,75 Liter Hubraum ein Drehmoment von 1020 Newtonmetern, das jederzeit dazu in der Lage ist, den schweren Briten mit einer derartigen Vehemenz gen Horizont zu katapultieren, dass es dem Lord im Fond Angst und Bange wird. Dabei ist vor allem die Mühelosigkeit der Kraftentfaltung beeindruckend, die vom seidenweichen Lauf des V8 nochmals pointiert wird. Allerdings muss der Chauffeur höllisch aufpassen, dass er sein Dasein nicht für längere Zeit als Fußgänger fristet, da man mit dem Bentley generell schneller unterwegs ist, als es einem lieb ist. Selbst bei der kleinsten Senkung des Gasfußes schiebt der Mulsanne enorm kraftvoll voran, ganz egal, welchen Gang die 8-Stufen-Automatik gerade eingelegt hat. Ein Zurückschalten ist meist nicht notwendig, da der Biturbo immer genug Nachdruck in petto hat. Sollte ein Schaltvorgang aber doch nötig sein, wird dieser in Sekundenbruchteilen und ohne Rucken oder Gedenksekunde in die Tat umgesetzt.

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Dass ein solch großes Herz auch einen satten Benzindurchfluss hat, dürfte kein Geheimnis sein. Aber das nimmt der Gentleman gerne in Kauf, wenn man mit derart imposanten Fahrleistungen und einem Sound verwöhnt wird, den man in dieser Form fast nirgends sonst findet. Man genießt und schweigt also.

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Fazit: God Save The Bentley

Well, Verzeihung, dieser Satz soll natürlich mir „nun“ beginnen: Der Abschied vom Mulsanne fiel uns wahrlich nicht leicht, da er einen mit unwiderstehlicher Kraft in seinen Bann zieht. Man gewöhnt sich so schnell an die vielen Nettigkeiten der Ausstattung, wie zum Beispiel die Softclose-Funktion, dass man sie im Alltag nicht mehr missen möchte. So steigt man wie selbstverständlich in ein anderes Auto ein und erwartet, dass die Sitze mit der Massage beginnen, nachdem sich die Tür von selbst zugezogen hat.

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Auch das feudale Platzangebot, sowie die unbändige Kraft des Motors, die einen im Flüsterton auf nahezu 300km/h beschleunigen kann, sind Attribute, die man schnell zu schätzen weiß. Dass all dies nicht zum Null-Tarif zu haben ist, braucht an dieser Stelle nicht betont zu werden; dass man sich in Kapuzenpullover und Turnschuhen unwürdig fühlt einzusteigen, aber schon. Deshalb finden wir mit den Worten von James Blunt lieber ein Ende: „Good Bye my Lover“.

Fahrzeugschein: Bentley Mulsanne

Länge x Breite x Höhe in m: 5,57 x 1,93 x 1,51
Motor: 6,75-Liter-V8-Benziner mit doppelter Turboaufladung
Leistung: 377 kW / 512 PS bei 4200
Maximales Drehmoment: 1020 Nm bei 1750 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 296 km/h
Beschleunigung (0 auf 100 km/h): 5,3 Sekunden
Leergewicht / Zuladung: 2585 kg / 505 kg
Wendekreis: 13,4 Meter
Verbrauch (NEFZ-Norm): 16,9 Liter / 100 km
Kohlendioxid pro Kilometer: 393 Gramm
Gepäckraumvolumen: 443 Liter
Basispreis: 292.740 Euro

Bilder: Mikhail Bievetskiy für NewCarz / Canon 1D-X / 24-70 ƒ2.8 Ver. II

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