Einmal im Leben Bentley fahren. Das ist wohl für viele ein Traum, der unerfüllbar scheint. Falls sich jedoch die Möglichkeit ergibt, haben wir einen sehr interessanten Kandidaten aus dem Portfolio der Engländer. Sein Name: Bentley Continental GTC W12.
Die nunmehr zweite Generation des britischen Luxus-Cabriolets rollt seit 2011 über die Straßen und wurde im Jahr 2015 einer ausgesprochen dezenten Modellpflege unterzogen.
Wir fuhren den neuen, 590 PS starken Zwölfzylinder und zeigen im Fahrbericht die Stärken und Schwächen des edlen Gleiters.
Exterieur – Unverkennbar klassisch
Der Bentley Continental GTC W12 bereichert bereits seit 2006 das Portfolio des britischen Luxus-Autoherstellers. Innerhalb kürzester Zeit sicherte sich der Brite eine Pole Postion unter den Luxus-Cabrios – nicht zuletzt aufgrund seiner opulenten, aber dennoch sehr zurückhaltend gestalteten Karosserie.
Die Frage nach einem Facelift wirft alsbald Fragen auf. Wie frischt man ein Fahrzeug auf, das in seinem Design zeitlos gehalten, in seinem Charakter gefestigt und bei seiner Kundschaft beliebt ist? Nun ja, manchmal sind es die kleinen Dinge, die etwas Schönes noch schöner und etwas Markantes noch eigenständiger machen. Im Falle des Bentley Continental GTC W12 tragen die optischen Änderungen sogar zu einem Hauch mehr Dynamik bei.
Die markante Front wird dominiert von einem verchromten Kühlergrill, welcher seit der Modellpflege etwas fließender wirkt. Gleiches gilt für die neu gestaltete Frontschürze: Drei große Lufteinlässe geben auch Laien den Hinweis, das hier etwas sehr Opulentes gekühlt werden muss. Die vier Runden Leuchten sind wohl der letzte Hinweis auf die Markenzugehörigkeit, eine Art Statement und abseits von jedwedem Trend.
Aber auch die Seitenansicht zeigt sich betont klassisch. Verspielte Elemente finden hier ebensowenig Platz wie zu viele Kanten. Dafür hielt ein seitlich platzierter Lufteinlass in Form eines `Flying B´ Einzug beim neuen Continental. Schräg darunter weist ein dezenter W12-Schriftzug auf die standesgemäße Motorisierung hin.
Die mächtigen 21-Zoll-Leichtmetallräder klingen nur im ersten Moment nach zu viel des Guten. Im Ganzen betrachtet, harmonieren sie hervorragend mit dem gut 4,80 Meter langen Gleiter. Eine sich über die Seitenpartie entfaltende Blechfalte im oberen und eine über dem Seitenschweller platzierte Chromleiste – mehr braucht der GTC nicht.
Besagte Chromleiste ziert in der überarbeiteten Version nun auch das gesamte Heck. Diese ununterbrochene Fortführung wirkt sich merklich auf die komplette Designlinie aus. Ein wenig gediegener, möchte man meinen. Eine neu gestaltete Heckschürze fällt genauso wie die leicht modifizierte Heckklappe nur Kennern auf.
Die LED-Heckleuchten verraten unmittelbar die Zugehörigkeit zur britischen Elite, während die Leuchtmittel in ihrer Form auf die ebenfalls ovalen Abgasendrohre abgestimmt sind und so einen wunderschönen, symmetrischen Abschluss bilden.
Interieur – Eine Komposition aus Leder und Holz
Willkommen in der First Class. Das kam uns in den Sinn, als wir zum ersten Mal in den Bentley Continental GTC W12 gestiegen sind.
Wer in seinem Leben schon einmal die Ehre hatte, in einem Bentley Platz zu nehmen, der weiß, welches olfaktorische Erlebnis ihn dort erwartet. Selbst bei geöffnetem Verdeck entfaltet sich der Duft von feinstem Leder derart raumfüllend, als säße man in einer Burberry Boutique.
Die überaus komfortablen Ledersessel mit Kontraststeppung und abgenähten Biesen verwöhnen Fahrer und Beifahrer auf jedwede Art und Weise, schmiegen sich an den Körper an, wie ein Maßanzug aus der Savile Row. Angefangen von einer Sitzheizung über eine aktive Belüftung selbiger bis hin zu einer Massagefunktion, welche den gesamten Rücken erreicht. Und sollte es bei geöffnetem Verdeck mal zu windig werden, so steht den vorderen Passagieren eine Kopfraumheizung zur Verfügung.
Das beheizte Lenkrad wartet mit einem `geflügelten B´ auf, die Drehregler sind aus geriffeltem Metall gefertigt. Die Tachoeinheit besteht aus vier Rundinstrumenten, sowie einem digitalen Multifunktionsdisplay, welches über alle relevanten Fahrinformationen informiert.
Ohnehin ist es die Liebe zum Detail, welche sich in jeder noch so kleinen Einzelheit widerspiegelt. Angefangen vom Brillenfach in der Mittelkonsole, welches mit weichem Leder ausgekleidet ist, über die zylinderförmigen Hebel für die Lüftungsdüsen bis hin zu der analogen Breitling-Uhr, welche nach wie vor in jedem Modell zum Einsatz kommt.
Für Fahrer alter Schule: Der Bentley Continental GTC W12 lässt sich trotz schlüssellosem Zugangs- und Startsystem auch ganz klassisch mittels Schlüssel über das links platzierte Zündschloss starten.
Der großzügige Einsatz von Leder und Metall in Verbindung mit einer Verarbeitung auf höchstem Niveau setzen Maßstäbe im Automobilbau. Sein klassisch-zeitloses Design erhebt den Briten zu einem automobilen Statement in einer Welt voller Downsizing und CO2-Reduktion.
Er ist eine der letzten Konstanten in einer schnelllebigen Zeit. Unvernünftig? Vielleicht. Aber ein Gentleman erster Klasse.
Technik & Assistenz – Zu höchstem Komfort verpflichtet
Der Bentley Continental GTC wartet in erster Linie mit jeder Menge Komfort-Features auf. Assistenzsysteme werden im noblen Briten nur dosiert eingesetzt. Viel mehr wird der Fokus auf komfortables Vorankommen gelegt, ohne dabei den Fahrer in irgendeiner Form zu bevormunden.
Das im Testwagen verbaute Soundsystem aus dem Hause Naim möchten wir an dieser Stelle jedem Kunden ans Herz legen. Die Höhen zeigen sich hervorragend klar und sind von den trockenen Bässen so sauber getrennt, dass man denken könnte, es wären zwei Anlagen parallel aktiv. Die Gesamtleistung von 900 Watt reicht zudem aus, um die gesamte New Bond Street zu beschallen, aber auch, um schlicht und ergreifend den Klängen eines grandiosen Pianisten zu lauschen.
Die serienmäßigen Bi-Xenon-Scheinwerfer bieten dem Kunden eine weitere Besonderheit. Zusätzlich zu den Xenon-Brennern, verfügt der Brite über ein Fernlicht in LED-Technik. Das ist gleich in zweierlei Hinsicht praktisch: Zum Einen übernimmt es bei ausgeschaltetem Abblendlicht die Funktion der Lichthupe, was der Langlebigkeit der Gasentladungslampen zugutekommt. Zum anderen entsteht bei Dunkelheit durch das Zusammenspiel von Xenon- und LED-Technik eine Art `Lichttunnel´, welcher dem Fahrer durch die ähnliche Farbtemperatur eine extrem hohe Lichtausbeute offeriert, wie in kaum einem vergleichbaren Fahrzeug seiner Klasse.
Darüber hinaus verfügt der Bentley Continental GTC W12 über einen Abstandsregeltempomaten. Dieser arbeitete während unseres Testes stets zuverlässig und leistete sich keinerlei Schwächen.
Einziger Kritikpunkt ist das etwas in die Jahre gekommene Infotainment des Continental. Die Bedienoberfläche wurde zwar adaptiert, dennoch ist der Touchscreen nicht der Schnellste, die Rechenleistung des Navigationssystems dauert schlicht zu lange und die Zeit vom Einlegen des Rückwärtsganges bis zum Aktivieren der Rückfahrkamera lässt durchaus eine Tasse Earl Grey zu.
Dafür gibt es auf Wunsch einen digitalen TV Tuner, eine Bluetooth Freisprechanlage, sowie einen WLAN-Hotspot. Für den Parkservice bietet Bentley seinen Kunden einen Valet Key mit beschränkten Zugriffen an. Standesgemäß kann zudem ein elektrischer Garagentoröffner geordert werden.
Motor & Fahreindrücke – Royales Dutzend
Wie bereits die Modellbezeichnung vermuten lässt, handelt es sich bei dem Triebwerk unseres Testwagens um einen Zwölfzylinder-W-Motor. Dieses doppelt aufgeladene Aggregat generiert eine Leistung von 590 PS und befördert maximal 720 Newtonmeter auf alle vier Räder.
Diese Zahlen würden normalerweise für Schwindel sorgen – nicht jedoch im Bentley.
Der GTC W12 verrichtet seine Arbeit derart unauffällig, dass man oftmals meinen könnte, der Motor wäre aus. Nur ein Blick auf den Drehzahlmesser widerlegt diese Theorie.
Die ersten Meter durch die Stadt werden kommod genommen, die Gasannahme ist direkt, aber nicht nervös. Die Lenkung ist leichtgängig, aber präzise. Die Ausfahrt aus der Tiefgarage dauert dieses Mal etwas länger. Unterschätzt man doch hin und wieder die Ausmaße des Fahrzeugs – vor allem in für heutige Verhältnisse viel zu engen Tiefgaragen. Gleiches gilt im Übrigen auch für Hoteleinfahrten und Co. Wohl dem, der diese nervenaufreibende Aufgabe einem Hotelangestellten übertragen hat.
Ein bevorzugtes Metier für den Bentley GTC W12 auszumachen, gestaltet sich schwierig. Er fühlt sich eigentlich überall dort wohl, wo er mit seinen Eigenschaften punkten kann und seine majestätische Eleganz adäquat zur Geltung kommt. Prestigeträchtige Boulevards oder kostspielige Shopping-Meilen sind nur zwei Beispiele. Wir öffnen das Dach.
Dank der früh hochschaltenden Achtgang-Automatik und dem brachialen Drehmoment liegen stets niedrige Drehzahlen an, Vortrieb ist dennoch in jedem Gang gewährleistet. Auf der Landstraße liebt der Zwölfzylinder die gemütliche Tour, entspanntes Dahingleiten im achten Gang bei weniger als 2.000 Umdrehungen pro Minute. Herrlich. Möchte man den Vordermann überholen, so genügt ein kurzer Tritt auf´s Gaspedal – ein, zwei Gänge zurück und der Brite stürmt nach vorne als gäbe es keinen Morgen mehr.
Wer lieber das Drehmoment auskosten möchte, dem empfehlen wir, in den manuellen Modus zu wechseln. Man kann die Gänge des W12 nun mit den edlen, auf der Rückseite geriffelten Schaltwippen dirigieren oder aber im höchsten Gang bleiben. Bereits bei 2.000 Umdrehungen ist das Drehmoment so abenteuerlich hoch, dass das Überholen eines der leichtesten Übungen des Briten ist.
Während die Straßen zunehmend kurviger werden, erkennen wir langsam, aber sicher, wofür der GTC W12 ganz und gar nicht geeignet ist: Sportliche Fahrweisen. Auch wenn es der Zwölfzylinder schafft, so oft wie möglich sein Gewicht zu kaschieren, schafft er es eben doch nicht immer.
Starkes Anbremsen quittiert das 2,5-Tonnen-Gefährt mit tiefem Eintauchen des Vorderwagens und auch bei dynamischer Kurvenhatz ist der Gentleman aus Crewe ganz und gar nicht amused. Quietschende Reifen sind nur eines der Tribute, welche dieser Fahrweise gezollt werden müssen. So beherrschen wir uns wieder und nehmen Kurs auf die Autobahn.
Die Geschwindigkeitsbegrenzung gibt 120 km/h vor. Das ist für den geöffneten Bentley kein Problem. Falls es dem einen oder anderen doch etwas zu luftig wird, so steht eine Kopfraumheizung zur Verfügung, welche in drei Stufen warme Luft Richtung Nacken pustet und vor allem im Winter ausgesprochen nützlich ist.
Nach kurzer Rast ist das Dach geschlossen und wir möchten herausfinden, wie es sich anfühlt, in einem Bentley Continental GTC W12 über 300 km/h zu fahren. Die 200 km/h-Marke nimmt das Luxus-Cabriolet spielend, ab 250 Sachen wird es ein wenig zäher, aber immer noch vehement. 308 km/h – mehr lässt der Verkehrsfluss nicht zu. Interessanterweise fühlen sich auch derart hohe Geschwindigkeiten nicht schweißtreibend an.
Auch wenn vor allem langgezogene Autobahnkurven respekteinflößend wirken und dem Fahrer vollste Konzentration abverlangen, so wahrt der Zweieinhalbtonner stets seine Souveränität, lässt sich keinerlei Schwächen in puncto Komfort oder Spurtreue zu Schulden kommen. Loben möchten wir darüber hinaus die überragenden Keramikbremsen, welche mit brachialer Verzögerung aufwarten. Kunden, die oft in hohen Geschwindigkeitsbereichen unterwegs sind, sollten auf ebendiese zurückgreifen.
Und der Verbrauch? Nun ja, die kombinierten 14,3 Liter erreichten wir im Test nicht, mit rund 15,5 Litern muss sich das Luxus-Cabriolet jedoch nicht verstecken, bedenkt man das extrem hohe Gewicht und die exorbitant kraftvolle Motorisierung.
Fazit – Majestätischer Diener
Am Ende unseres Testes können wir dem Bentley Continental GTC W12 vor allem eines bescheinigen: Er erreichte in jedweder Hinsicht stets ein Höchstmaß an Komfort und wies bei entsprechender Behandlung immer ausreichend Souveränität auf.
Die Zielgruppe für ein derartiges Fahrzeug ist im gesetzteren Alter, Supersportwagen waren in der Regel schon vorhanden. Jetzt ist man auf der Suche nach einem komfortablen Begleiter für den Ausflug am Wochenende, den Besuch der Oper, den Weg zum Maßschneider.
Und spätestens an dieser Stelle rückt der Bentley in die engere Auswahl. Sein zurückhaltender, aber bärenstarker Zwölfzylinder säuselt in der Regel beinahe lautlos vor sich hin, der rote Teppich ist sein bevorzugtes Revier. Dabei bewahrt er stets Contenance, präferiert immer das Gleiten. Und benötigt man die Leistung doch einmal, so genügt ein Tritt auf´s Gaspedal.
Und was kostet das Fahrzeug nun? Bitte nicht rechnen, es ist ein Bentley. Und seinem Namen wird er gerecht – koste es, was es wolle.
Text / Fotos: NewCarz
Kamera: Canon EOS 6D
Konkurrenz: Aston Martin Vanquish Volante, Rolls Royce Dawn, Mercedes-AMG S65 Cabrio
Technische Daten: Bentley Continental GTC W12
Länge x Breite x Höhe (m): 4,81 x 1,94 x 1,40
Motor: Zwölfzylinder-W-Motor mit Twin-Turbo-Aufladung
Leistung: 434 kW (590 PS)
Hubraum: 5.998 ccm
Max. Drehmoment: 720 Nm
Getriebe: 8-Gang-Automatikgetriebe von ZF
Antrieb: Allradantrieb
Durchschnittsverbrauch (NEFZ-Norm): 14,3 L/100 km
CO2-Emissionen: 333 g/km
Abgasnorm: Euro 6
Höchstgeschwindigkeit: 315 km/h
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 4,7 Sekunden
Leergewicht: 2.495 kg
Kofferraumvolumen: ca. 260 l
Kraftstofftank: ca. 90 Liter
Sorgt seit 2015 stets für den „Nachschub“ an automobilen Neuigkeiten, ob als Modellpremieren, Modellpflege oder strategische Neuausrichtung von Herstellern – um nur einige zu nennen. Sein enger Draht zu den Herstellern ist ein Garant für brandneue Informationen und Autonews aus erster Hand. Seine automobile Vorliebe gehört vor allem den gut motorisierten Cabrios und Coupés dieser Welt.
5 thoughts on “Bentley Continental GTC W12 Test – Die feine englische Art”