Sie suchen ein Auto, mit dem Sie bloß nicht auffallen oder gar anecken wollen? Dann sollten Sie diesen Bericht nicht lesen und etwas in unserer Datenbank schmökern.
Denn dieser Franzose ist rollende Haute Couture in Reinform: Unangepasst, raffiniert und im Alltag hier und dort etwas außerhalb der Menge. Aber genau mit diesem Charme will Citroën wieder auffallen und auf sich aufmerksam machen, das zeigt auch die Erprobungskampage: Love it? Hate it? Try it! Aber kann der Cactus mehr, als nur zu polarisieren? Dajana Eder machte sich für uns auf den Weg nach Amsterdam, um das herauszufinden.
Wenn es ein aktuelles Automobil gibt, das dem Begriff des Crossovers gerecht wird, dann ist es mit Sicherheit der Citroen C4 Cactus. Mit Schubladendenken ist es ohnehin nicht weit her bei diesem Fahrzeug. Für einen Kleinwagen ist er meiner Meinung nach zu stämmig , für ein SUV aber wiederum zu schlank. Grundsätzlich ist der freche Franzose ein Fünftürer, der etwa im Golf-Format daher kommt aber in seiner Formgebung eher an einen Van erinnert. Doch hierfür ist er letztendlich zu flach. Also heißt es: Alle Schranken im Kopf beiseite zu räumen und diesen Franzosen einfach auf sich wirken zu lassen, also ganz im Sinne des Kennenlernprojekts:
Design
Was mir äußerlich auffällt ist einiges; welches Designelement jedoch als erstes in mein Auge sticht – das Wortspiel ist ungewollt – kann man nicht genau sagen, da es derer mehr als genug gibt. Ich fange mal mit der Front an: Die Quasi-Abwesenheit des Kühlergrills ermöglicht es, die Bug-Seite enorm glattflächig zu gestalten. Unterbrochen wird diese Fläche durch das Markenzeichen: Den selbstbewussten Doppelwinkel. Auf der Suche nach den Hauptscheinwerfern musste ich allerdings zweimal hinsehen. Die wie Augenbrauen angeordneten oberen Leuchten beherbergen das Tagfahrlicht; die tatsächlichen Scheinwerfer verbergen sich in den vorderen „Airbumps“. Damit wäre ein weiteres Highlight des Designs genannt: Diese Flächen stellen eine Art Luftpolsterfolie dar, die den harten Kontakt fremder Autotüren locker wegstecken können – was ich gerade in Innenstädten für ein sinnvolles Detail halte. Andererseits erinnern mich die Airbumps auch an amerikanische SUV und Vans der 60er und 70er Jahre, als die Flanken der Fahrzeuge gerne mit Holz vertäfelt wurden.
Unterstrichen wird der polarisierende Look mit Leichtmetallfelgen in skurrilem Designs, knappen Fensterflächen sowie einer Dachreling, die mich mit ihrer Formgebung an meinen letzen Winterurlaub erinnert, da sie an Kufen oder Skier erinnert. Gegen die knapp bemessenen Glasflächen wussten die Entwickler jedoch ein probates Mittel einzusetzen: Das Panorama-Glasdach lässt viel Licht in den Innenraum und filtert sogar UV-Strahlen heraus, sodass ich während meiner Testfahrt porblemlos ohne ein Sonnenrollo ausgekommen bin. Ich ,für meinen Teil, finde die neue Linie angenehm erfrischend, da sie Innovatives mit sich bringt und Altes neu arrangiert.
Interieur
Citroen schreibt dem Cactus auf die Fahne, dass er nur auf das beschränkt ist, was wirklich wichtig ist. Diese Reduzierung konnte ich durch die Bündelung der Bedienelemente im zentralen Infotainmentsystem live erleben und ertasten. Abgesehen vom Lautstärkeregler und sechs weiteren Tasten ist das Cockpit enorm aufgeräumt. Hinzu gesellen sich zwar die Bedientasten der Automatik, aber diese stören den klaren Look keineswegs.
Als Ergänzung zum mittigen Bedienbildschirm kommt ein TFT-Display als Tachometerersatz zum Einsatz. Mir fehlt nur leider verfügt ein Drehzahlmesser in diesem Bildschirm; doch wenigstens passt dieses Fehlen ins Gesamtbild. Als fehlend fiel mir auch die Abwesenheit eine Luftausströmers auf der Beifahrerseite auf. Hinzu gesellen sich die hinteren Türen, die lediglich mit Ausstellfenstern auskommen müssen. So macht es den Anschein, als wären viele sinnvolle Attribute der Extravaganz und vor allem dem Rotstift zum Opfer gefallen. Wieso sich die Ladekante auf Bauchhöhe befindet, kann ich ebenfalls nur hinterfragen, ebenso die Rücksitzlehne, die sich nur am Stück umlegen lässt.
Dafür überzeugt mich der ungewöhnliche Franzose mit einem passablen Raumangebot auf den Vordersitzen. Die Polster sind dabei zwar recht weich, gefallen mir aber mit einer plüschigen Gemütlichkeit. Unterstützt wird dieser Wohlfühlcharakter durch die fast durchgängige vordere Sitzbank. Allerdings muss ich der Ordnung halber sagen, dass dies nur ein optischer Gag ist und keine dritte Person beherbergt werden kann. Doch die Dame an meiner Seite lud es zum Kuscheln ein – was kann man(n) sich Schöneres vorstellen?
Auf den Rücksitzen dreht sich mein Bild jedoch wieder. Genoss ich in der ersten Reihe noch angenehme Platzverhältnisse, zwickt es in Reihe zwei wie in einem Kleinwagen, dem der Citroen jedoch aufgrund seiner Größe widerspricht. Also werfe ich lieber Blick in den Kofferraum und sehe über die Ladekante hinweg: Mich erwartet ein durchaus brauchbarer Kofferraum, der auch für das große Urlaubsgepäck reichen sollte. Meine Meinung zum Interieur ist zwiegespalten, aber der Cactus ist eben ein Auto, das polarisiert und dazu anregt, die Grenzen im Kopf über Bord zu werfen. Und da er schließlich, der nahezu durchgängigen vorderen Sitzbank sei Dank, das Zusammenfinden der Passagiere förder, bekommt er von mir ein: Love it!
Fahreindrücke
Alles an diesem Citroen ist reduziert, so auch der sportliche Anspruch. Doch dies ist eine angenehme Abwechslung zu SUV, die mit übertrockenen Fahrwerken Sportwagen mimen, Kleinwagen, die mit ihrer Lenkung einem Go-Kart gleichen oder Vans, die im ICE-Tempo über die Autobahn schießen, wie ich finde. Der Cactus ist ein Fahrzeug, das bewusst entschleunigt: Die leichtgängige Lenkung, die komfortable Federung und die zahmen Motoren stellen bei mir sofort das entspannte Gleiten in den Vordergrund und entziehen den Crossover dem Trend der Sportlichkeit. Mit dieser Attitüde könnte der Neuling einen wohltuenden Umbruch einläuten, ich hätte zumindest nichts dagegen, da ich mit ihm nur selten den Anreiz verspüre auf letzter Rille ums Eck fahren muss.
Zum moderaten Gleiten verleitet mich auch der 92 PS starke Dieselmotor. Er gefällt mir vor allem mit seiner Ruhe, denn mit überschäumender Kraft. Hinzu kommen moderate Verbräuche, die mich mit einer Drei vor dem Komma durchaus überzeugen. All dies ist auf das recht geringe Gewicht von unter einer Tonne zurückzuführen: Der Verzicht auf die ein oder andere Ausstattung bringt also durchaus seine Vorteile mit sich.
Einen Vorteil kann ich der Automatik jedoch kaum abgewinnen: Mit langen Schaltpausen und ruppigen Gangwechseln wirkt dieses Getriebe überholt. Ich empfehle das manuellen Schaltgetriebes; auch, wenn dies nur bedingt dem komfortablen Gesamteindruck entgegenkommt. Da ich den Cactus aber insgesamt als ruhig und entspannt einstufe – also völlig entgegengesetzt den überwiegen herrschenden Trend der Dynamisierung – erhält er auch hier von mir ein: Love it!
Mein Fazit
Der Cactus macht vieles anders, erfindet dabei aber das Rad nicht neu. Er spricht in meinen Augen jedoch eine Klientel an, die sich weniger für die Technik und das Konstrukt Auto um seiner selbst Willen interessiert, als viel mehr für die aussagekräftige Optik, die ökologische Bilanz und Details mit Lifestyle-Faktor. Dieser Crossover ist in seiner Gestaltung einzigartig und spricht Individualisten an, denen die Konkurrenten in Form eines Renault Captur oder Nissan Juke zu gewöhnlich erscheint und die Design vor Funktionalität stellen. Zusätzlich ist der Cactus ein angenehmer Widersacher gegen den Trend der nicht immer sinnvollen Sportlichkeit. Dieses Auto ist entgegenkommend und möchte die Fahrt so gemütlich wie möglich machen.
Hinzu kommt, dass dieser unangepasste Charmeur das Budget der Kaufinteressenten nicht über Gebühr strapaziert: Die Preise starten bei knapp 14.000€. Ein passabel ausgestatteter Cactus dürfte bei etwa 18.000€ liegen.Ich kann mir also durchaus vorstellen, dass die kleinen grünen Kakteen, die auf Balkon meiner hippen Nachbarin stehen, demnächst Unterstützung von einem vierrädrigen Pendant bekommen.
Sie wollen mehr zum Citroen C4 Cactus lesen?
Thomas Imhof beschreibt auf Autogefühl die Design-Highlights und erläutert die Technik dahinter. Der Fahrbericht dazu findet sich hier.
Dajana Eder (Modell auf den Bildern) schreibt auf Impulsee über die wichtigsten Features, die uns auf der Testfahrt auffielen.
Simone Amores hat sich neben dem Cactus auch noch den kleinen Bruder C1 angesehen. Hier entlang zu ihrem Bericht.
Jens Stratmann verzichtet im Drive-Blog auf das automatische Getriebe und spart sich lieber das Geld.
Jan Gleitsmann gefällt das neue Display. Seinen Bericht gibt es hier.
Nicole Männl mag das Sofa und konnte der Magic Wash. Ihren Bericht gibt es hier.
Mario Lehmann fuhr für Autoaid beide Motorisierungen und ist ebenso wenig begeistert von den Schaltpausen des ETG.
Bilder: Mikhail Bievetskiy Photography für NewCarz
6 thoughts on “Citroen C4 Cactus Test – Die französische Revolution”