Einverstanden, er ist anders; das sieht man dem Citroen C4 Cactus auf den ersten Blick an. Aber warum denn auch nicht? Anstatt des täglichen Einheitsbreis wagen die Franzosen einen mutigen Schritt beim Design und polarisieren.
Man mag ihn oder man hasst ihn – viel Spielraum dazwischen bleibt nicht. So verspielt das Äußere jedoch sein mag, so zurückhaltend ist der freche Crossover unter dem Blech: Die Reduktion aufs Wesentliche stand im Fokus. Was das im Detail bedeutet, wollen wir im ausführlichen Fahrbericht genauer beleuchten.
Design – Alles, nur nicht unauffällig
„Ich schau Dir in die Augen, Kleines“, so sagte es einst Humphrey Bogart im Klassiker „Casablanca“. Beim Cactus müsste er allerdings zweimal hinschauen, um zu erfahren, in welche Augen er überhaupt schauen muss. Die Hauptscheinwerfer des stacheligen Crossovers befinden sich nämlich in den so genannten „Airbumps“ integriert und verstecken sich ein wenig. Auffälliger strahlen da die Tagfahrleuchten, die wie eine Art Augenbraue am Übergang zwischen Frontpartie und Motorhaube residieren. Sie geben dem Cactus ein richtiges Gesicht und geradezu menschliche Züge.
So verwundert es auch nicht, dass die Front insgesamt eher grimmig und verkniffen wirkt. Zwar kommt sie recht glattflächig daher, da ein klassischer Kühlergrill fehlt, doch der untere Lufteinlass und die Airbumps geben ihm einen aggressiven Charakter. Zum Thema Airbumps: Auch, wenn man es einem Crossover nicht unbedingt zutraut, zeugen gerade diese „Luftpolster“ vom praktischen Nutzen des Franzosen. An allen Seiten des Cactus angebracht, sollen sie lästigen Ärger vom Fahrer fernhalten. Egal, ob die Tür des nebenan geparkten Autos an den Cactus schlägt, ein Einkaufswagen in den Crossover hineinrollt oder die Kinder zu dicht mit ihrem Fahrrad am Citroen vorbei rollen – die Airbumps halten geringe Schäden von ihm fern. Sie sollen mit ihrem Look eine Art Luftpolsterfolie imitieren und erfüllen ihren Zweck im Alltag ohne Beanstandungen.
So ist vor allem die Seitenansicht von diesem Attribut gekennzeichnet, das flächendeckend die Pforten des Fünftürers bedeckt. So ausgerüstet wirkt der Cactus aus diesem Blickwinkel recht rustikal, was von den stabilen Bügel-Türgriffen und vor allem den Radläufen aus robustem Kunststoff betont wird. Die, der speziellen Lackierung sei Dank, frei schwebend wirkende C-Säule lockert den Look dabei etwas auf. Auch die, wie eine Kufe eines Schlittschuhs wirkende, Dachreling unterstützt den gewollt anderen Charakter des Designs. Unterstützend kommen die 18 Zoll großen Leichtmetall-Felgen mit ihrer leicht skurrilen Optik hinzu.
Auch am Heck gilt die Devise: LOVE it or HATE it. Der recht kleinen Heckscheibe steht eine weitläufig mit Kunststoff verkleidete hintere Karosserie entgegen. Hier verbergen sich ebenfalls Airbumps, die den Feindkontakt, etwa beim Einparken in engen Großstädten, nicht gleich zum teuren Vergnügen machen sollen. Wie auch an der Front, verbergen sich die Rückleuchten in der reichlich vorhandenen Kunststoff-Verkleidung und verschwinden nahezu – je nach Außenfarbe – im verspielten Design. So fällt aus dieser Perspektive eher auf, dass der Cactus recht hochbeinig wirkt und so mit der Optik eines Kompakt-SUV kokettiert. Von seinen Abmessungen passt er allerdings eher nicht in dieses Segment, sondern liebäugelt mehr mit kleineren SUV á la Peugeot 2008 oder Renault Captur.
Interieur – Wenn weniger mehr ist
Haben die Designer an der Außenhaut nur wenig weggelassen, wirkt die Optik im Innenraum tatsächlich reduziert und zurückgenommen. Nicht nur die dunkle Farbgebung des Interieurs spiegelt diesen Eindruck wider, sondern auch die Konzentration aufs Wesentliche: Ein Lenkrad, zwei Bildschirme, drei Lüftungsdüsen und fünf Sitze – nicht mehr und nicht weniger erwartet die Passagiere.
Unser Testwagen war mit einer Handschaltung ausgerüstet, sodass die drei Tasten der Automatik, untergebracht in der Mittelkonsole, entfielen und auch die Option der durchgehenden vorderen Sitzbank unmöglich machten. Doch die Optik des Armaturenbretts leidet unter diesen Eigenschaften keineswegs. Man wird nicht durch irgendwelche Spielereien vom Wesentlichen – dem Fahren – abgelenkt. Kein Firlefanz stört die Aufmerksamkeit des Fahrers: Weder die Innenraumbeleuchtung kann in verschiedenen Farben eingestellt werden, noch gibt es einen Duftspender oder sonstige Irrungen. Gut so.
Dafür gibt es allerdings auch keinen Drehzahlmesser, der dem Fahrer oder der Fahrerin Auskunft über die aktuelle Lage im Maschinenraum Bescheid geben könnte. Doch halb so wild, mahnt die Schaltanzeige rechtzeitig zum entscheidenden Gangwechsel, sofern man mit dem empfehlenswerten Handschaltgetriebe unterwegs ist. Damit im reduzierten Cockpit jedoch keine Langeweile aufkommt, installierten die Franzosen ein Infotainment, das nahezu alle wichtigen Informationen des Fahrzeugs bündelt. Grundsätzlich mag die Idee nicht verkehrt sein, doch manchmal ist mehr eben doch mehr. Wir hätten nichts dagegen gehabt wenigstens die Klima-Steuerung zu separieren und wie gewohnt in der Mittelkonsole unterzubringen, da die Vorwahl über die entsprechende Stationstaste auf Dauer etwas mühselig wird.
Ansonsten geriet die Bedienung des Touchscreens recht intuitiv: Klar zu deutende Vorwahltasten ebnen den Weg zu einem entsprechenden Untermenü und schaffen es so, beispielsweise die Konnektivität mit einem Smartphone, das Navigationssystem oder die Fahrzeugfunktionen sinnvoll unter einen Hut zu bringen. Dass manche Justierungen, wie etwa Funktion des Verkehrsfunks, erst gesucht werden müssen, verbuchen wird mal unter sympathischer Schrulligkeit.
Sympathisch ist dafür aber auch die Ausstattung mit sinnvollen Ablagen, sowohl die Türen reichen für größere Utensilien, die auch die Mittelkonsole. Unterhalb der Lüftungsdüsen entspringt eine Ablage, die für gängige Smartphones optimal dimensioniert ist und über einen nahegelegenen USB-Port verfügt – clever. Darüber hinaus wartet auf der Oberseite des Armaturenbretts ein großes Handschuhfach, das von seiner Gestaltung her an eine rustikale Satteltasche erinnert und so nicht nur die Optik bereichert, sondern auch für einen hohen Alltagsnutzen spricht.
Dagegen spricht andererseits die ungeteilt umklappbare Rücksitzlehne: Zwar bietet der Cactus einen gut nutzbaren maximalen Laderaum, eine Teilung der Rücksitzlehne ist jedoch um Welten sinnvoller, als ihr starres Pendant. Aber Schwamm drüber, schließlich reicht der Basis-Kofferraum mit seinen knapp 360 Litern in der Regel für den Alltag aus. Also heißt es: Über die recht hohe Ladekante einladen, es sich auf den seitenhaltarmen, aber bequemen Sesseln niederzulassen und die Fahrt zu beginnen.
Fahreindrücke – Vom Sofa, aufs Sofa
Die gemütlichen Sitze läuten es bereits ein: Der Cactus ist kein Sportwagen und wirkt auf dem Bilster Berg etwas deplatziert. Aber eben da will er auch gar nicht sein. Der Crossover setzt bewusst auf das entspannte Vorankommen und geizt mit Sportlichkeit. Doch das ist eine durchaus positive Eigenschaft: Immer weniger PKW können heute mit einem überzeugenden Federungskomfort punkten und mimen den unnachgiebigen Dynamiker.
Nicht so der Franzose: Seine Feder-Dämpfer-Abstimmung bügelt selbst üble Verwerfungen glatt und befreit die Insassen von störenden Einflüssen des Straßenbaus. Zwar neigt sich das Stachel-Tier dabei etwas zur Seite, leitet man die Kurvenfahrt ein, doch ist dies weder von Seiten der Sicherheit, noch von Seiten des Komforts zu bemängeln. Dieses Attribut zeigt eher auf, dass man es vielleicht noch eine Idee langsamer angehen lassen sollte, um entspannt sein Ziel zu erreichen.
Unterstützung findet dieser Charakter in der nonchalanten Auslegung der Lenkung. Sie wird ihrer Aufgabe, Richtungsänderungen in die Tat umzusetzen, jederzeit gerecht, doch vermittelt sie weder wenig Gefühl für den Fahrbahnkontakt. Auch die Rückstellkräfte sind auf ein geringes Maß zusammengeschrumpft worden, sodass man mit geringstem Aufwand durch die urbanen Gefilde dieser Welt cruisen kann. Landstraßenwetzen sollte man lieber anderen überlassen.
So verwundert auf der anderen Seite der eher kräftige Antritt des 1,6 Liter Hubraum fassenden Diesels: Nach Überwinden des kleinen Turbo-Tals prescht das Aggregat zwar nicht ungestüm, aber doch mit Nachdruck voran. Natürlich sind damit keine Beschleunigungsorgien zu erzielen, aber um zügig voranzukommen langen die 100 PS und etwas mehr als 250 Nm allemal. Den Kraftfluss stellt dabei ein Fünfgang-Getriebe bereit, das sich unauffällig verhält. Die Gänge rasten sauber, die Wege könnten etwas kürzer sein, ebenso wie die Auslegung der Stufen Vier und Fünf. Insgesamt täte dem Franzosen ein sechster Gang ohnehin ganz gut, da die hohen Gänge viel Dynamik rauben und so die Spreizung attraktiver zu gestalten wäre. Aber damit wären wir wieder beim Thema, dem entspannten Dahingleiten. Bleibt man dabei, kann man respektable Verbräuche um fünf Liter im Alltag erzielen, die auch den letzten Skeptiker überzeugen dürften.
Fazit – Leben und leben lassen
Dass er anders ist, wussten Sie ja bereits. Dass er seine Sache dabei aber gar nicht schlecht macht und den sonst so stressigen Alltag mit seiner entschleunigenden Grundhaltung bereichert, ist eine willkommene Abwechslung.
Es braucht bei diesem französischen Gefährt nur wenig Feinschliff, um vollends zu überzeugen: Eine geteilt klappbare Rücksitzbank oder eine separierte Klima-Steuerung würden den sonst recht hohen Alltagsnutzen beträchtlich steigern. Doch mit seiner komfortablen Federung und dem niedrigen Basispreis von knapp 14.000 Euro kann der Cactus über solche Kleinigkeiten gekonnt hinwegtäuschen.
Text: Adam Meyer / Fotos: Babis-Fotoart für NewCarz
Technische Daten: Citroen C4 Cactus HDI 100
Länge x Breite x Höhe: 4,157 x 1,729 x 1,490 Meter
Motor: Reihen-Vierzylinder Turbo-Diesel
Leistung: 73 KW (99PS)
Hubraum: 1.560 ccm
Max. Drehmoment: 254 Nm bei 1.750 U/min
Leergewicht: 1.145 KG
Getriebe: 5-Gang-Handschaltung
Antrieb: Front
Kofferraumvolumen: 358 Liter
Durchschnittsverbrauch (NEFZ-Norm): 3,1 L/100 km
CO2-Emissionen: 82 g/km
Höchstgeschwindigkeit: 184km/h
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 10,7
Preis: ab 20.840€
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