Ein Skoda Octavia mit Rucksack, das könnte ein Auto ohne Highlights sein.
Doch weit gefehlt: Nur, weil ein Automobil ein sehr rundes Bild abgibt, muss es noch längst nicht langweilig sein.
Zumal es immer heikel ist, einem Objekt Perfektion vorzuwerfen. Welche Eigenschaften besonders herausstachen, klärt der ausführliche Fahrbericht.
Design
Da steht er also, der race-blaue Octavia Combi. Allein die Farbe ist ein Highlight, da sie mit ihrer Frische und Stärke die Blicke auf sich zieht. Besonders vor dem Hintergrund, dass das Gros der ausgelieferten Modelle in den üblichen Silber-, Grau-, oder Schwarztönen ausgeliefert wird. In Verbindung mit der im Testwagen enthaltenen beigen Lederausstattung entsteht so eine seltene Kombination, die zu gefallen weiß. Doch bleiben wir beim Exterieur: Die Linienführung geriet enorm unaufgeregt, was auf eine ausgesprochene Zeitlosigkeit hindeutet. Viele ebene Flächen, unterstrichen von wenigen, aber passend gesetzten Bügelfalten, sind stilbildend. Das abfallende Dach und die sehr dezent ansteigende Tornado-Linie setzten dabei sportliche Akzente, ohne zu übertreiben.
Hinzu kommt der autoritäre „Gesichtsausdruck“ mit den angeschnittenen Frontscheinwerfern. Nochmals unterstützt wird diese Ernsthaftigkeit durch den LED-Lidstrich, der als Tagfahrlicht fungiert und automatisch mit dem Xenon-Licht einhergeht. Betont wird die Front auch durch die großen Nebelscheinwerfer und den breiten unteren Kühlergrill, der ohne unterbrechende Streben auskommt. Final betonen zwei Sicken auf der Motorhaube das Markenlogo, welches nicht mehr im typischen Grün gestaltet wurde, sondern nun modellübergreifend in Chrom gehalten ist.
Die Seitenansicht ist geprägt von der horizontalen Linienführung, die durch die Dachreling in Aluminium-Ausführung nochmals betont wird. Die am Testwagen montierten 17-Zoll-Felgen wirkten allerdings ein klein wenig verloren in den stattlichen Radkästen, wobei ihr Design durchaus gut ankam. Ein Zoll mehr hätte der Optik sehr gut getan, wobei der Abrollkomfort dadurch etwas leiden würde, doch dazu später mehr.
Am Heck erwartet den Betrachter eine große Heckklappe mit einer Nummernschildaufnahme, die von zwei seitlich-diagonalen Einzügen umrahmt ist – ein Stilelement, das sich mittlerweile durch das gesamte Kombi-Portfolio Skodas zieht. Hier kommen auch die – typisch für Skoda – c-förmigen Rückleuchten zum Tragen. Nicht nur das Design am Tage ist hier als rotes „C“ zu interpretieren, sondern auch bei Nacht illuminiert und als solches zu erkennen: Das sorgt für Wiedererkennungswert. Zusammen mit dem sehr schön integrierten kleinen Dachspoiler ergibt sich so ein sportlicher Abgang, der leider nicht von einem sichtbaren Auspuffrohr gekrönt wird.
Karosserie
Was erwartet man von einem Octavia, erst recht in der Kombi-Version? Genau: Platz! Und davon hat der blaue Tscheche reichlich zu bieten. Der Radstand ist lang und bietet allen Passagieren damit genügend Bewegungsfreiheit. Dass es auf der Rückbank bei voller Besetzung mit drei ausgewachsenen Männern dabei trotzdem eng wird, dürfte niemanden verwundern, da die Basis des Octavia immerhin der Kompakte Volkswagen Golf bildet und der Skoda eher auf 4+1 Passagiere ausgelegt ist. Diese vier Insassen reisen aber überaus komod, gerade auf der eingangs erwähnten hellen Lederausstattung.
Doch auch vorn sind die Platzverhältnisse großzügig: Einmal den Sitz auf den knapp Zwei-Meter-großen Redakteur eingestellt, liegt alles am rechten Fleck und nirgends zwickt oder zwackt es. Selbst in Sitzreihe zwei ist dann noch genügend Raum vorhanden, um auch mittlere Strecken ohne Beschwerden der Hintermänner/-frauen hinter sich zu bringen. Schiebt der Vornesitzende seinen Sitze vor, entsteht dahinter eine fast schon fürstliche Beinfreiheit, bei der man sogar die Beine übereinanderschlagen kann. Einzig die Armauflagen in den vorderen Türen könnten ein wenig weiter nach hinten durchgezogen werden, aber man muss schließlich noch Luft für ein Facelift lassen…
Erhebt man sich aus den bequemen Sesseln wieder, um die Ladekapazitäten des Combis, bei Skoda traditionell mit kapitalem „C“ geschrieben, zu begutachten, fällt der große, glattflächige und gut nutzbare Kofferraum auf. Erweitert man diesen, durch simples Ziehen an einem Hebel links und rechts entsteht eine fast eben Ladefläche. Leider kippen die Rücksitzlehnen beim Hebelzug nicht vollends um, sodass man entweder in den Kofferraum krabbeln muss, um diese herunter zu drücken, oder aber zur hinteren Tür geschickt wird.
Interieur
Wieder vorne angekommen, erwartet die Passagiere sehr bequeme Sitze, die mit ihrer stammen Polsterung eine hochwertigen Eindruck hinterlassen und auch nach vielen Kilometern den Rücken von Schmerzen verschonen. Leider fehlte dem Testmobiliar ein wenig der Seitenhalt, jedoch konnte die wirksame elektrische Lordosenstütze dafür entschädigen. Auch war das helle Leder recht schmutzanfällig, sodass Jeans-Trägern eher ein dunkler Ton empfohlen sei.
Tür geschlossen, den Zündschlüssel ins Schloss gesteckt und… Moment mal: Der Zündschlüssel konnte beim Testwagen getrost in der Hosentasche verharren, da ein Keyless-Entry und Keyless-Go System installiert war. Anfangs verwunderlich, möchte man dieses System nach einer kurzen Gewöhnungsphase nicht mehr missen. Zum Aufsperren des Fahrzeugs einfach die Hand – wie auch zum gewöhnlichen Öffnen – um den Türgriff legen und schon öffnet sich das Fahrzeug wie von Geisterhand. Platz genommen und auf den Startknopf gedrückt, da erwacht der Selbstzünder zum Leben. Doch zu den Fahreindrücken später mehr.
Der erste Blick fällt auf die gut ablesbaren und in klarem Weiß illuminierten Rundinstrumente und das Multifunktions-Lederlenkrad. Der zweite Blick verharrt auf dem großen Navigationsbildschirm mit teilweiser Touchscreenbedienung. Das mag anfänglich abschrecken, doch die Bedienung des Infotainment funktioniert spielend leicht und vor allem intuitiv über den berührungsempfindlichen Touchscreen.
Dabei muss dieser aus zweierlei Gründen nicht zwangsläufig berührt werden: Zum einen reicht das Annähern der Hand an den Bildschirm, um vorher minimierte Menüpunkte erscheinen zu lassen, zum anderen können einige Funktionen auch instinktiv vom Lenkrad aus gesteuert werden. Egal ob Navigation, Radio, digitales Radio oder die Nutzung einer externen Audioquelle: Das Bild auf dem Schirm ist scharf, schön animiert und leicht verständlich. Auch die Reaktionszeiten auf eingegebene Befehle dürfen als kurz betitelt werden.
Die zentrale Bedieneinheit ist aber nicht nur für die Medien oder die Navigation zuständig, sondern beherbergt auch die Bedienung des Fahrzeugsetups, sodass optionale Assistenten, oder beispielsweise die Lichteinstellungen hierüber gesteuert werden.
Dabei ist auch einer der wenigen Kritikpunkte zu nennen: Leider ist das De-/ Aktivieren der Schlupfregelung nur über ein Untermenü der Unit zu vollziehen; die Lösung mit einer eigenen Taste, die im Bedarfsfall schnell zu Hand sein müsste, ist der bessere Weg. Trotzdem kann für das „Columbus“ genannte Navigationssystem eine klare Kaufempfehlung gegeben werden. Unterhalb des Infotainments sitzt separiert die Klimasteuerung, die ebenfalls auf eine rätselhafte Bedienung verzichtet.
Fahrdynamik
Ob 105 PS aus nur 1.6 Litern Hubraum reichen, um einen ausgewachsenen Kombi anzutreiben? Nun, man kann sich über dieses Thema natürlich streiten und geteilter Meinung sein. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Eindeutig jein. Gerade in Verbindung mit dem optionalen 7-Gang-DSG wird der Motor immer im optimalen Bereich gehalten. Optimal ist hier allerdings doppelt belegt: Zum einen, wenn der Wahlhebel in der Stellung „S“ verharrt, zum anderen, wenn man gemütlich in „D“ durch die Lande rollt.
Im Sport-Modus lässt das Getriebe die Gänge fast ausdrehen und mimt so den Dynamiker, der dem Octavia gut zu Gesicht steht. Im unteren Geschwindigkeitsbereich kommt der Kompakt-Kombi zügig vom Fleck und surft auf der 250 Nm messenden Drehmomentwelle. Doch auch im normalen Getriebemodus wird jederzeit genug Leistung bereitgestellt, um jederzeit im Alltagsverkehr mitzuschwimmen, zumal die Schaltvorgänge ohne Zugkraftunterbrechung von statten gehen. Andererseits braucht es den Bruchteil einer Sekunde um einem Kickdownbefehl in die Tat umzusetzten. Betrachtet man aber die enorm schnellen Schaltvorgänge und den Komfortgewinn, ist das ein leicht zu verschmerzender Abstrich.
Komfort ist ohnehin eine Tugend, zu der sich dieses Aggregat zugehörig fühlt: Die Verbrennungsgeräusche sind nur beim Ausdrehen der Gänge zu hören, die Vibrationen fast sind gänzlich unterdrückt und das entspannte Dahingleiten das beste Einsatzgebiet. Der Octavia fühlt sich, mit dieser Motorisierung, auf gemächlichen Autobahnetappen am wohlsten. Versucht man höhere Geschwindigkeiten zu realisieren, sollte man sich etwas gedulden, da der Vortrieb ab 150km/h spürbar abebbt.
Dies ist allerdings auch das Dilemma, dem sich der Octavia leider stellen muss: Als Testfahrer hat man natürlich möglichst PS-starke Autos am liebsten. Dies entspricht aber nur selten der Realität, weshalb der 1.6 TDI diese am besten abzubilden vermag und dadurch einen großen Anteil am Absatz hat. Außerdem darf dem Diesel durchaus eine gewisse Spritzigkeit attestiert werden, gerade, wenn man sich vor Augen führt, dass „nur“ 105 Pferde bereit stehen. Dazu passt auch der moderate Benzinkonsum, der sich im Testalltag laut Bordcomputer bei 5,9 bis 6,0 Litern pro 100 km einpendelte.
Doch die Fahrdynamik besteht nicht nur aus dem Motor. Entscheidende Punkte sind vor allem das Fahrwerk und das damit einhergehende Handling – in beiden Kategorien weiß der Tscheche zu punkten. Die Lenkung kann über das Infotainment-System in zwei Stufen justiert werden:
Zum einen gibt es da die normal-komfortable Abstimmung, die sehr leichtgängig ausgelegt ist und zum anderen die sportlichere der beiden, die mit höheren Rückstellmomenten arbeitet und damit auch direkter und zielgenauer ist. Zarte Naturen werden sich möglicherweise eher mit der softeren Abstimmung anfreunden, der Autor hingegen beließ die Einstellung permanent auf „Sport“.
Überhaupt ließ sich die Charakteristik des gesamten Antriebs, sei es die Lenkung oder das Ansprechverhalten des Motors, anpassen. Einen guten Kompromiss stellt hier die Normalstellung (außer Lenkung) dar, da hier das Zusammenspiel aus Dynamik, Alltagsnutzen und Sparsamkeit in optimaler Symbiose zueinander stehen.
Das Fahrwerk, welches nicht justiert werden kann, benötigt hingegen keine Einstellmöglichkeiten. Ausgezeichnet wird es von einer gesunden Straffheit, die nie stört. Ganz im Gegenteil: Die geringe Seitenneigung und die Tatsache, dass man in der Regel weiß, was mit dem Wagen geschieht, wenn man über verschiedene Fahrbahnbeläge fährt, schaffen ein enormes Sicherheitsgefühl.
Dies ist auch einer der Gründe, warum der Diesel wie eine Vernunftversion wirkt, da das Fahrwerk deutlich mehr Leistung vertrüge. Gerade auf Landstraßen und Autobahnen liegt der Wagen enorm satt in seiner Feder-Dämpfer-Kombination und wird zum Liebling jedes Langstrecken-Reisenden. In Verbindung mit der 17-Zoll-Bereifung stellt sich insgesamt ein harmonisches Bild ein, dass durch größere, die Radhäuser besser füllende Räder, sicherlich beeinträchtigt würde.
Ausstattungs-Highlights
Das bereits genannt große Navigationssystem ist ganz klar einer der Höhepunkte der Aufpreisliste. Es weiß sowohl von seiner Bedienung, als auch von seinem Aufbau und der Darstellung zu gefallen. Wenn man schon in das „Columbus“-System investeriet, sollte man sich auch das Canton-Soundsystem ordern:
Es liefert einen sehr voluminösen Sound, der kaum Wünsche offen lässt und glänzt mit einem erschwinglichen Preis. Begeisterung rief auch der Einpark-Assistent hervor: Taste drücken, Blinker setzen und langsam am Straßenrand entlang fahren, bis der Assistent eine entsprechende Lücke gefunden hat.
Legt man dann den Rückwärtsgang ein, dreht sich das Lenkrad wie von Zauberhand im Kreis und manövriert den langen Skoda sicher in die angepeilte Parklücke. Sollte dieser Vorgang einmal nicht gelingen, da man z.B. zu dicht am parallel parkenden Fahrzeug steht, braucht man sich keine Sorgen zu machen:
Das System ist sehr ausgereift, sodass nur die Fahrstufen von R auf D gewechselt werden muss, um den Assistenten eine automatische Korrektur zu entlocken. Selbst das Ausparken übernimmt dieses Gadget für den Fahrer und macht so den Autofahrer-Alltag etwas leichter.
Ein weiteres Highlight stellen die guten Xenon-Scheinwerfer inklusive Kurvenlicht dar. Sie unterstreichen nicht nur das dynamische Äußere, sondern sind auch der Sicherheit bei schlechten Sichtverhältnissen dienlich und leuchten beispielsweise Autobahnauffahrten hervorragend aus.
Unsere letztes Highlight ist eher praktischer Natur: Der doppelte Laderaumboden. Nur hierdurch entsteht eine ebene Fläche bei umgeklappter Rücksitzlehne. Zusätzlich wird aber auch eine Unterteilung des Kofferraums geboten, was den hohen Alltagswert des „Combi“ einmal mehr unterstützt.
Fazit
„Simply clever“: So lautet das Werbeversprechen der tschechischen Volkswagentochter – und dem wird der Octavia gerecht. Es sind Details, wie die verschiebbare Mittelarmlehne, die ausklappbaren Taschenhaken im Laderaum, der in die Türfächer integrierbare kleine Mülleimer oder der in der Tankklappe untergebrachte Eiskratzer, die vom hohen Sinn für praktische und praxisnahe Ideen zeugen.
Auch, wenn der Octavia bislang nicht den Ruf als Herzensbrecher genießen durfte, weiß er mit seinen vielen herausragenden Tugenden, hauptsächlich aber durch seiner Ausgewogenheit zu überzeugen und dem Autor die ein oder andere schlaflose Nacht mit dem Neuwagenkonfigurator zu bescheren.
Länge x Breite x Höhe (in m): 4,66 x 1,81x 1,45
Motor: Vier-Zylinder-TDI, ccm, Turbo, Direkteinspritzung
Leistung: 77KW (105PS)
Maximales Drehmoment: 230 Nm
Verbrauch (NEFZ-Norm): 3,8 Liter/ 100km
Kohlendioxidemission: 99g/km
Effizienzklasse: A+
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 11 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 191 km/h
Leergewicht / Zuladung: 1367 kg / 645 kg
Maximale Anhängelast, gebremst: 1600 kg
Wendekreis: 10,4 m
Kofferraum: 610 l, erweiterbar auf 1740 l
Basispreis: 25.250€ (Ambition-Ausstattung)
Bilder: Mikhail Bievetskiy / Canon 1D-X / 24-70 ƒ2.8
8 thoughts on “Skoda Octavia Combi Test – Der blasse Alleskönner?”