Der messerscharfe Stachel des Kia Stinger Facelift soll sich weiterhin in das Fleisch der Platzhirsche hiesiger Gefilde bohren können.
Aus diesem Grund wurde dem hübschen Koreaner eine Modellpflege zuteil. Bleibt es danach weiterhin beim Konjunktiv und bleiben „hätte“ oder „könnte“ die einzig validen Umschreibungen für dieses Unterfangen?
Diese und viele weitere Fragen beantwortet dieser Fahrbericht. Für den ausgiebigen Test fuhren wir das Kia Stinger Facelift in einem leuchtenden Microblau Metallic.
- Das Exterieur
- Das Interieur
- Motor und Fahreigenschaften
- Ausstattung, Komfort, Sicherheit
- Varianten und Preise
- Fazit
- Pro & Contra
- Technische Daten
Exterieur – Zurückhaltung als Fortschritt
Ein relativ dezentes Update wurde dem Stinger zuteil – besonders zu erkennen an neu gestalteten Scheinwerfern, welche die Front etwas sportlicher in Szene setzen. Zudem wurden auch die Rückleuchten überarbeitet und erhielten ein durchgängiges LED-Band, was dem Koreaner auch bei Nacht eine markante Heck-Signatur verleiht.
Weniger Retusche ist also auch in diesem Falle mehr, denn der Stinger sieht auch heute, knapp fünf Jahre nach seiner Premiere immer noch topfit aus.
Seitlich fallen die neu gestalteten 19-Zoll-Räder auf, die sich mit nahezu jeder Lackfarbe verstehen. Die Lackierungen sind bei Kia nach wie vor farbenfroh – von knalligem Orange bis markantem Blau ist alles erhältlich – ebenso gedeckte Farben für die etwas konservativere Klientel.
Interieur – Durchdachtes Update mit Liebe zum Detail
Das markanteste Update im Innenraum stellt der größere Zentralbildschirm dar. Unangetastet – und das ist gut so – blieben echte Tasten und Drehregler als Bedienelemente im Stinger, wodurch die Bedienung intuitiv und sicher bleibt.
Platztechnisch bleibt alles wie gehabt, man darf sich vorne bei üppigem Raumgefühl auf gut konturierten Sitzen mit variablem Seitenhalt und Beinauflage räkeln. Hinten sitzen auch großgewachsene Zeitgenossen recht gut auf den äußeren Plätzen. Die flache Dachlinie gefährdet nur die Frisur von Personen mit Clubausweis für Zweimetermenschen.
Die Verarbeitung ist auf höchstem Niveau, braucht sich auch vor Premiummarken hiesiger Traditionshersteller nicht im Geringsten zu verstecken. Ebenso gefällt die Materialauswahl und die mit viel Liebe zum Detail untergebrachten Dekorelemente und Kontrastierungen.
Das Gepäckabteil bleibt in puncto Größe unangetastet und bietet 406 beziehungsweise dank zweigeteilter Rückenlehne maximiert bis zu 1.114 Liter Laderaumvolumen. Eine separate Durchlademöglichkeit in der Rückbankmitte gibt es hier nicht.
Motor und Fahreigenschaften – Flotter Gran Turismo
Das Kia Stinger Facelift wird nur noch mit dem turbobefeuerten 3.3-Liter-V6 angeboten, der nach seiner Umrüstung auf die strenge Abgasnorm mit vier PS weniger auskommen muss. Dies fällt jedoch nicht weiter ins Gewicht, man spürt die Flucht des Antriebskonvoluts für eine Quadriga nicht wirklich.
Die 510 Newtonmeter bleiben derweil unangetastet und fühlen sich weiterhin mächtig an. Serienmäßig verfügt auch das Facelift über Allradantrieb und eine Achtgang-Automatik, deren Schaltverhalten als vorbildlich gelten darf.
Der permanente Allradantrieb ist wie beim Vorfaceliftmodell weiterhin heckbetont, kann aber in den Sportmodi bis zu 100 Prozent der Antriebskraft auf die Hinterachse leiten. Die Folge? Fahrspaß und Performance in hohem Maße. Einziger negativer Nebeneffekt: Beim Rangieren bei vollem Lenkeinschlag spürt man deutlich die Verwindungen im Antriebsstrang.
Auffällig ist, dass der fahrwerkstechnisch insgesamt eher straff abgestimmte Stinger noch immer eine gute Balance aus Alltag und Sportlichkeit beherrscht, ohne dabei wirklich als Kompromiss zu wirken. Die Fahrmodi spreizen die Fahrcharakteristik weit auseinander und lassen den Stinger vom Gran Turismo im Comfortmodus zur bissigen und leichtfüßig wirkenden Sportlimo mutieren.
Im Sport + schaltet die Automatik derart zackig, dass man nicht den Wunsch verspürt, die Schaltwippen zu übernehmen. Macht man es dennoch, wird man mit erstaunlich kurzen Reaktionszeiten beim Durchwühlen der Schaltstufen belohnt – das bringt Fahrfreude!
Cool: Aktiviert man einen der beiden Sportmodi, legen sich die Sitzwangen der Vordersitze enger um die Sitzenden. In den anderen Modi schmiegen sich die Wangen erst ab 130 km/h an die Körperflanken und geben wieder nach, wenn die Geschwindigkeit unter 100 km/h fällt.
Die Abstimmung der Lenkung wurde nochmals verbessert, ist nun auch in Neutralstellung sehr direkt, gibt stets ausreichend Feedback und macht das große Auto sehr handlich. Allerdings ist sie noch immer eine Idee von den perfekten Pendants aus dem Hause BMW, Alfa oder gar Porsche entfernt.
Die Fahrwerte sind derweil durchaus respekteinfordernd: Das Kia Stinger Facelift sprintet auf Wunsch in 5,4 Sekunden auf 100 Sachen – das ist vielleicht kein Spitzenwert, aber flotter als die meisten Fahrzeuge auf hiesigen Straßen. Dennoch meißelt die Emissionsverbesserung eine halbe Sekunde mehr auf die gestoppte Zeit des Vorfaceliftmodells. In dieser Disziplin ist das eine Menge, wenngleich man es subjektiv dank verbesserter Fahrwerksperipherie nicht spürt.
Spannender wird’s im Top-Speed-Bereich, denn hier schafft der Kia unverändert glatte 270 Sachen, die Konkurrenz muss in der Regel schon bei 250 km/h passen. Nicht gefallen hat uns das auch in den beiden Sportprogrammen weiterhin aktiv bleibende Start-Stop-System – wozu?
Die erstklassigen Bremsen haben den Koreaner fest im Griff und ließen sich auch bei brachialem Fahrverhalten überaus exakt dosieren – Bravo! Ebenso hat uns die markantere Soundkulisse dank modifizierter Abgasanlage gefallen – endlich klingt der Kia Stinger auch etwas nach giftigem Stachel.
Beim Verbrauchsverhalten hat sich derweil nicht viel – wenn überhaupt, dann im Teillastbereich – getan und die Prämisse gilt weiterhin: Kraft kommt vom Kraftstoff. Im Drittelmix bewegten wir den sportlich galanten Gran Turismo mit 11,8 Litern auf 100 Kilometer – das sind 0,2 Liter weniger als der Vorgänger im Schnitt konsumierte.
Ähnlich fiel das Resultat auf der Sparrunde aus: Hier reduzierte sich der Verrbauch gegenüber dem Vorfacelift um 0,3 Liter auf nun 7,7 Liter pro 100 gefahrenen Kilometern. Vollgasorgien spiegeln sich in einem Maximalverbrauch von 18,2 Liter – hier bleibt also alles wie gehabt.
Ausstattung, Komfort, Technik
Sehr umfangreich zeigt sich das Facelift in Bezug neuer Technologien und Assistenzsysteme. Cool sind die neuen Features, welche unter anderem vom neuen Sorento übernommen wurden.
Dabei ist unter anderem ein aktiver Totwinkel-Assistent, der das Kamerabild des jeweiligen toten Winkels – je nachdem, welcher Seitenwechsel per Blinker angezeigt wird – im mittig des Cockpits sitzenden Display anzeigt und hilft dadurch enorm, Unfälle beim Spurwechsel oder bei Abbiegevorgängen zu vermeiden.
Außerdem kann das ACC nun mit dem Navigationssystem korrespondieren und der Totwinkel-Warner warnt zusätzlich im Stand vor herannahenden Fahrzeugen – auch Radfahrern.
Dank neuer UVO-Connect ist der Stinger nun immer online, sodass auch die Funktion „Letzte Meile“ funktioniert. Die LED-Scheinwerfer sind in Bezug auf Helligkeit, Homogenität und Reichweite immer noch gut, können aber nicht mehr mit den modernen Adaptiv-Leuchten der Konkurrenz mithalten.
Das Soundsystem von Harman/Kardon gibt auch im neuen Stinger eine gute Figur ab, klingt dabei voluminös und bleibt über weite Bereiche natürlich in allen Genres der Musik.
Vorteilhaft ist zudem der Umstand, dass man nicht mehr viel an Ausstattung hinzu buchen kann, denn der Stinger ist quasi ab Werk vollausgestattet. Das Glasdach empfehlen wir jedem Stinger-Kunden, der lichtdurchflutete Innenräume mag und das Gefühl von „Offenheit“ des Öfteren bevorzugt – dann ist es den Aufpreis von moderaten 690 Euro definitiv wert.
Varianten und Preise des Kia Stinger Facelift
Wie bereits erwähnt, gibt es den Stinger hierzulande nur noch in einer Motorisierung: als GT mit dem V6 Bi-Turbo. Der kleinere 2.0-Liter Benziner mit 245 PS sowie der 2.2-Liter Turbodiesel mit 200 PS wurden im Rahmen des Facelifts ersatzlos gestrichen. Vor allem der Wegfall des letztgenannten Selbstzünders wird vereinzelte Firmenleasingnehmer weniger erfreuen, doch die absolute Mehrheit war eh auf den Sechszylinder fixiert.
Das Facelift startet aufgefrischt ab 59.520 Euro – das sind rund 3.500 Euro mehr als das Vorfacelift in dieser Motorisierung angeboten wurde. Der vergleichsweise günstige Einstieg anno dazumal von 44.590 Euro mit dem kleinen Benziner ist durch die Antriebsrationalisierung ad acta.
Fazit – Er sticht noch immer
Mit dem Kia Stinger Facelift rüsten die Koreaner ihren Vorzeige-GT mit technischen Neuerungen und sanften Retuschen für die zweite Lebenshälfte. Dass nur noch der Sechszylinder geblieben ist, verwundert wenig, denn die Leute lieben den dynamischen Charakter des Gran Turismo, der erst mit dem V6 richtig zur Geltung kommt – alles andere wird gern mal als Mogelpackung dargestellt.
Dennoch gibt es nicht wenige Stimmen, die insbesondere den Diesel vermissen, der sich vor allem als Langstreckendienstwagen einer nicht unbedeutenden Beliebtheit erfreute.
In Summe bleibt der Stinger ein potenter Alltagsbegleiter mit viel zu viel Stil, als dass er wirklich als Kia wahrgenommen wird. Und das ist Fluch und Segen zugleich. Wir gehen davon aus, dass sich die Verkaufszahlen nicht dramatisch ändern werden und auch der überarbeitete Stinger eher eine Randerscheinung im deutschen Straßenbild bleibt.
Das ist wirklich schade, denn er kann durchaus schmerzhaft in Richtung deutscher Premium-Konkurrenz austeilen – eben stechen. Und so bleibt es wohl weiterhin bei einem „hätte“ oder „könnte“ – zumindest so lange, wie er dieses Beachtungsdefizit über sich ergehen lassen muss.
Einen Vorteil hat dieser Sonderstatus eines raren Untersatzes allerdings: Für Freunde von exotischen Modellen ist es sicherlich eine gute Gelegenheit, sich ein solches Vehikel zu sichern.
Zum Preis von unter 62.000 Euro für eine Vollausstattung und mit sieben Jahren Garantie kann der Stinger bereits im Vorfeld viele Fragen beantworten. Wer dann immer noch unschlüssig ist, sollte den Gran Turismo aus Fernost unbedingt einmal Probefahren.
Kamera: Canon EOS 5D Mark III
Pro und Contra
Pro:
- kräftiger Motor
- sehr gute, breitbandige Fahrcharakteristik
- hervorragende Langstreckentauglichkeit
- üppige Ausstattung
Contra:
Technische Daten: Kia Stinger GT 3.3 T-GDI V6
- Farbe: Microblau Metallic
- Länge x Breite x Höhe (m): 4,83 x 1,87 (2,05 mit Außenspiegeln) x 140
- Radstand (mm): 2.905
- Antrieb: V6 Bi-Turbo-Ottomotor mit OPF
- Hybridart: –
- max. Leistung: 269 kW (366 PS) bei 6.000 rpm
- max. Drehmoment (Nm): 510 bei 1.300 bis 4.500 rpm
- Hubraum: 3.342 ccm
- Getriebe: 8-Gang-Automatik
- Antriebsart: Allrad
- Durchschnittsverbrauch (NEFZ): 10,4 l/100 km
- Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 11,8 l/100 km
- CO2-Emissionen (Werksangabe): 238 g/km
- Abgasnorm: Euro 6d-ISC-FCM
- Höchstgeschwindigkeit: 270 km/h
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h (sec): 5,4
- max. Bodenfreiheit (mm): 130
- Wendekreis (m): 11,7
- Kofferraumvolumen (l): 406 bis 1.114
- Leergewicht (kg): 1.933
- Zuladung (kg): 392
- Anhängelast ungebremst/gebremst (kg): 750/1.000
- max. Stützlast (kg): 75
- max. Dachlast (kg): 90
- Tankinhalt (l): 60
- Kraftstoffart: Benzin E5/E10 mind. 95 Oktan
- Neupreis des Testwagens: 59.800 Euro (Basispreis GT: 59.520 Euro)
Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.