Goodyear präsentiert auch in diesem Jahr einen neuen Winterreifen, den Ultra Grip 9. Doch um den neuen Pneu nicht schnöde vorzustellen, sondern auch ein Gefühl für die Wichtigkeit von Winterreifen zu geben, haben wir Experten zu Wort kommen lassen und uns anschließend zu einer Fahrdemonstration begeben.
Der Unfall – Welche Gründe im Winter besonders ausschlaggebend sind
Dr.-Ingenieur Lars Hannawald von der TU Dresden gab den Einstand in die Vortragsreihe über Winterreifen. Der Ingenieur, der sich mit der Verkehrsunfallforschung auseinandersetzt, berichtet von einem Rückgang von Leicht- und Schwer-Verletzten sowie Getöteten im Winter. Doch die Verteilung der Verletzungsschwere im Winter unterscheide sich kaum von der im Sommer; einzig die durchschnittliche Anzahl an Unfällen sei im Winter um 25% niedriger, als im Sommer. Dies ist letztendlich aber darauf zurückzuführen, dass im Winter weniger ungeschützte Verkehrsteilnehmer – Radfahrer, Motorradfahrer, Fußgänger – auf den Straßen unterwegs seien. Zu beobachten sei auch, dass in der dunklen Jahreszeit vermehrt Unfälle im Längsverkehr, Fahr- sowie Überschreitungs-Unfälle geschähen. Längsunfälle beschreiben dabei einen Kontrollverlust durch witterungsbedingte Einflüsse (wie etwa Rutschen), was zeigt, dass der verminderte Grip im Winter ein Faktor ist, der für Gefahren sorgt. Dies zeigt sich besonders an einer Grafik, die Hannawald erläutert: Die Anzahl an Auffahrunfällen, frontalen Kollisionen mit dem Gegenverkehr sowie Unfällen beim Abbiegen ist durchaus höher, als es in der warmen Jahreszeit der Fall ist. Auch Kollisionen zwischen Fahrzeugen und Fußgänger häufen sich in der kalten Jahreszeit, da ein hinreichender Grip oftmals nicht gegeben ist. Mitverantwortlich dafür ist, dass ein nicht zu vernachlässigender Anteil an Autofahrern im Winter schlicht auf Sommerrädern unterwegs ist und somit ein höheres Potential für einen Crash bietet. Schließlich zeigt sich, so Dr. Hannawald, dass bei mehr als jedem fünften, von einem PKW verursachten Unfall mit Personenschaden, Sommerräder montiert waren. Fraglich ist letztendlich, welche Witterungsbedingungen vorwiegend im Winter herrschen und auch welche dieser Bedingungen ein entsprechender Pneu besonders ausgerichtet sein sollte. So sind es zu über 35% Nässe, zu 57% Trockenheit und tatsächlich nur zu etwas mehr als sieben Prozent Eis und Schnee, die in Mitteleuropa vorherrschen. Ein Sommerreifen ist auf gänzlich andere Bedingungen abgestimmt, sodass das Risiko, mit diesen Reifen im Winterhalbjahr einen Unfall mit Personenschaden zu verursachen um etwa 12% gegenüber dem Einsatz von Winterreifen steige. Die Gefahrensteigerung der Crashs mit Sommerrädern von trockenen zu eisigen und verschneiten Bedingungen steige sogar um bis zu 75%. Doch nicht nur die Verteilung von Sommer- und Winterrädern ist für sicheres Fahren ausschlaggebend, sondern auch ihr Zustand. Zwar schreibt der Gesetzgeber nur ein Mindestprofil von 1.6 Millimetern vor, doch bereits ab 4 Millimetern nimmt die Haftung eklatant ab. So zeigt sich, dass mehr als jeder fünfte Unfallverursacher im Winter mit Reifen unterwegs war, die die kritische 4mm-Grenze unterschritten.
Im Volksmund mag zwar die Meinung verbreitet sein, dass der Schleuderschutz „ESP“ alle Situationen bereinigen könne, doch dies ist ein Irrglaube, da die Schnittstelle zwischen PKW und Straße immer noch der Reifen herstellt. Zwar treten Schleuderunfälle nur zu geringen Anteilen bei Fahrzeugen mit einem entsprechenden System auf, doch auch diese sind nicht vor einem ausbrechenden Heck, Rutschen oder Schleudern gefeit. Ein besonderer Trugschluss sei, so der Dresdner Ingenieur, sich auf das Fahrzeugthermometer zu verlassen. Selbst bei eindeutigen Plusgeraden bestehe keine Garantie dafür, dass der Boden einwandfreie Bedingungen liefere. Letztendlich besteht ein gravierender Unterscheid zwischen Luft- und Bodentemperatur, sodass ein Winterreifen aber einem Luftwert von 7°C stets die bessere Alternative sei.
Label-Klassen: Unterschiede nahegebracht
Seit das Label 2012 EU-weit zur Pflicht geworden ist, scheint es ein immer wichtigerer Anhaltspunkt bei der Kaufentscheidung eines Pneus zu sein. Der Sinn hinter den Etiketten ist der, der verbesserten Verbraucherinformation: Das Schild gibt Auskunft über die Nasshaftung, den Rollwiderstand und die Geräuschemission. Letztendlich ist das Hauptziel aber die Senkung des CO2-Ausstoßes und das Aktivieren des grünen Gewissens beim Endverbraucher. Schließlich stellt die Nasshaftung das einzige Sicherheitskriterium auf diesem Siegel dar. Essentielle Daten, wie etwa eine Trockenbrems-Einstufung, ein Aquaplaning-Wert oder Ähnliches, fehlen und machen das Label damit nur zu einer unterstützenden Informationsquelle. Thomas Salzinger, Versuchsingenieur beim TÜV Süd, erklärte trotzdem die Bedeutung der Indikatoren. Bei einer Referenztemperatur im Bereich zwischen 5,5° und 7°C führt sein Team unter anderem Bremsmessung bei 80-20km/h mit ABS durch, die den relevanten Bereich abbilden sollen. Höhere Geschwindigkeiten würden die Ergebnisse verfälschen, da in diesem Bereich Bremsunterschiede zum Tragen kämen und entsprechende Testgelände mit einer speziellen Ausrüstung/Verhältnissen nicht vorlägen. Die Einteilung der Nassbremswerte erfolgt in verschiedenen Klassen, wobei im besten Fall ein A, im schlechtesten Fall ein F vergeben werden kann. D und G werden jedoch nicht vergeben, Reifen mit einer A-Auszeichnung gibt der Markt bislang jedoch auch nicht her, was einem Wet-Grip-Index (WGI) von mehr als 1,55 entspräche. F hingegen kategorisiert Pneus mit einem WGI von unter 1,09, doch diese Reifen sind nur zu vernachlässigenden Anteilen in Europa auf dem Markt. Besonders gute Reifen weisen heute also ein B auf, die meiste Verteilung zeigt indes die Klasse C mit etwa 63 %. Rechnet man diese Werte in reale Bremswerte um, zeigt sich, dass ein Winterreifen der Klasse C für eine Bremsung von 80 auf 20 Stundenkilometer zwischen 27 und 28,1 Metern benötigt, wohingegen ein Pneu der Klasse E 30,3 Meter verzeichnet. Im Alltag bedeutet dies im Ernstfall einen Aufprall auf ein Hindernis mit etwa 38 km/h gegenüber einem Reifen der Güteklasse C – beeindruckend erschreckende Werte, wenn man sich einmal Crashtests unter diesen Bedingungen vor Augen führt.
Crashtests – Der entsprechende Reifen kann über Vieles entscheiden
80 km/h, für den erfahrenen Autofahrer fast schon so etwas wie Schrittgeschwindigkeit. Umso erschreckender sind die Resultate der Crashtest mit zwei Ford Focus, die mit unterschiedlich griffigen Reifen einem Unfall-Test unterzogen wurden. Die Ausgangssituation: Eine Bremsung aus 80 km/h bis auf null; der zuerst stehende Focus gewinnt, der andere prallt auf einen LKW auf. So drastisch dies klingt, so erschreckend sind auch die Ergebnisse dieses Tests. Beide Fahrzeuge prallen auf eben jenen LKW auf, doch nur eines lässt die Insassen nahezu unversehrt wieder aussteigen. Ford Nummer eins ist mit Reifen ausgestattet, die einen hohen Grip aufweisen und mit 9m/s² verzögern können. Ford Nummer zwei ist anderen Pneus bereift, die nur 7m/s² bieten. Im Endeffekt bedeuten diese noch recht harmlos klingenden Werte aber einen um acht Meter längeren Bremsweg. Im Klartext bedeutet dies einen Zusammenstoß mit etwa 40km/h für Ford Nummer zwei, während Nummer eins nur noch mit 20 Stundenkilometern auffährt. Der langsamere Focus fährt bei dieser Geschwindigkeit etwa bis zur Windschutzscheibe unter den LKW, während die Dachsäulen intakt bleiben und das Verletzungsrisiko recht gering bleibt. Der bei seinem Aufprall noch 40 Stundenkilometer schnelle Focus fährt hingegen so stark unter den LKW-Auflieger, dass die A-Säulen kollabieren und der gesamte Vorderwagen stark verformt wird – ein schwerer Personenschaden ist die Folge. In Zahlen bedeutet dies, nur zur Verdeutlichung, einen Schaden von etwa 5.500€ beim einen, gegenüber von etwa 20.000€ beim anderen Focus. Die Folgekosten eines möglicherweise bis zu seinem Lebensende Gehandicapten sind hierbei aber noch nicht inkludiert. Um diese Bilder etwas zu verdrängen kommen wir nun aber zum eigentlichen Star der Veranstaltung – dem Reifen.
Goodyear Ultra Grip 9: Mischungstechnologien für optimierte Nasshaftung
Die Anforderungen an einen Reifen haben sich gewandelt: Wog ein durchschnittlicher Kompaktwagen (Golf III) vor 20 Jahren noch etwa eine Tonne und verfügte über etwa die halbe Leistung eines durchschnittlichen Kompakten heute – 44 gegen 90 KW – , so kamen mit den Jahren auch die Pfunde und damit auch größere Reifen. 1994 wartete ein gewöhnlicher Reifen etwa mit den Maßen 175/70R13 auf, während ein Basis-Golf heute über 205/55R16 verfügt – also 30mm mehr Breite und drei Zoll mehr Umfang. Das bedeutet natürlich auch andere Anforderungen an den Reifen von heute. So zeigt sich, dass der aktuelle Ultra Grip 9 gegenüber einem neu gegossenen, aber auf der Technologie von vor 20 Jahren bestehenden Pneu, 15% bessere Nassbremswerte, ein um 12% gesteigertes Nasshandling und ein um 4% verbessertes Aquaplaning-Verhalten aufweist. Das mögen augenscheinlich keine beeindruckenden Verbesserungen sein, doch vergleicht man Werte, die mehr Realitätsbezug haben, staunt man nicht schlecht. Für eine Nassbremsung aus 80km/h benötigt der neue Reifen nur noch 33,3 Meter auf Asphalt, während der alte, aber – zur Erinnerung – neu gefertigte Rundling 40,8 Meter braucht.
Auf Beton verstärkt sich das Verhältnis: 37,4 gegen 45,9 Meter zugunsten des neuen Reifens. Ausschlaggebend dafür ist eine neue Laufflächenmischung: Sie besteht zu 45% Polymeren, die eine geringe innere Reibung und damit einen verringerten Rollwiderstand aufweisen. Hinzu kommen 35% Füllstoffe für ein verbessertes Nassbremsen und verringerten Abrieb sowie 12% Weichmacher (PAK-freie Öle aus pflanzlichen Ressourcen), die einen positiven Einfluss auf die Nasshaftung haben. So zeigt sich, dass der neue Reifen mit seinen 3D-Hoch-Amplituden-Lamellen im Schulterbereich und seinen 2D-Lamellen in der Reifenmitte bestens für den Winter gerüstet ist, was Fachmagazine mit „empfehlenswert“ und „sehr empfehlenswert“ attestieren können.
Der Ultra Grip 9 zeichnet sich dabei mit einer besonderen Traktionsstärke im Schnee durch seine variable Profilblock-Breite und einen weiten Grenzbereich aus, was wir eindrucksvoll testen durften. Bei Bremsversuchen, sowohl mit dem neuen Ultra Grip 9, als auch mit dem neu gegossenen, aber über ein 20 Jahre altes Mischverhältnis verfügenden Reifen, zeigten sich gravierende Unterschiede. Allein schon beim starken Beschleunigen auf 80km/h kam der neue Pneu wesentlich besser aus den Startblöcken. Aber der letztendlich Bremswert zeigt ein viel deutlicheres Bild: Über eine Wagenlänge früher kommt der rote Audi A3 zum Stehen – beeindruckend.
Auch auf der Rüttelplatte durften wir die Qualitäten des neuen Goodyear Winterreifen selbst erfahren. Zum Test dienten zwei heckgetriebene BMW 420i mit vollständig deaktivierten Fahrhilfen. Einziger Unterschied zwischen den beiden ansonsten identischen Fahrzeugen: Eines der Coupés war mit nagelneuen Reifen ausgerüstet, eines mit Reifen, die nur 2mm Restprofil aufwiesen. So ging es mit etwa 50km/h auf die Rüttelplatte, die ein stark ausbrechendes Heck und die Weiterfahrt auf spiegelglatter Fahrbahn simuliert. Eifrig drehten die Testteilnehmer ihre Pirouetten mit den schneeweisen BMW, während die Instruktoren eindrucksvoll beweisen, dass Fahren eine schwierige Kunst ist. Eines zeigte sich aber ganz deutlich: Während die Testteilnehmer nach ein Paar Versuchen mit dem neuen Reifen oftmals das auskeilende Heck retten konnten, schaffte es kaum einer mit den abgefahrenen Reifen, da die Fahrzeuge mit diesen viel stärker auf der nassen Bahn aufschwammen.
Im Sinne Ihrer und der Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer möchten wir zum Schluss aber noch etwas mit auf den Weg geben: Egal mit welchem Reifen Sie in den Winter starten, stellen Sie sicher, dass er auch den Anforderungen an die Situation entspricht. Auch sollte man den einen oder anderen Euro durchaus in die Hand nehmen und auf Billigreifen aus Übersee verzichten, da in diesen Exemplaren oftmals nicht das technische Knowhow steckt, das über die letzten wichtigen Meter entscheidet. Doch der beste Winterreifen nützt nichts, wenn man seinen Fahrstil nicht an die Witterungsbedingungen anpasst – allzeit gute und knitterfreie Fahrt also!
Ein weiterer Bericht zu diesem Thema findet sich bei Autogefühl.
Bilder: Dunlop