Wir schrieben den 1. März 2018, als der Jaguar I-Pace das erste Mal der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Knapp vier Monate später wird es Zeit für einen Test des ersten, rein elektrischen Serienfahrzeugs der britischen Automarke.
Ob der Jaguar die Erwartungen der Redaktion erfüllen sowie das sportliche Erbe seiner benzinangetriebenen Pendants adäquat antreten kann, klärt dieser Fahrbericht. Erstkontakt!
Design – Die Sprache der effizienten Performance
In Photon Red präsentiert sich uns der Jaguar I-Pace und wirkt auf dem ersten Blick sehr selbstbewusst und dynamisch.
Die Front trägt einen tief eingelassenen Kühlergrill, welcher von den beiden weit in die Seiten gezogenen Scheinwerfern flankiert wird. Die darunter befindlichen Lufteinlässe zeugen von Potenz und geben keinerlei Aufschluss über den E-Antrieb der Raubkatze. Eine Etage tiefer haben die LED-Nebelscheinwerfer ihr Domizil gefunden, eine Spoilerlippe in Wagenfarbe rundet den harmonischen Gesamteindruck ab.
Seitlich betrachtet, mag sich der I-Pace so gar nicht der klassenüblichen Rangordnung unterwerfen. Große Türen und eine schmale, nach hinten ansteigende Fensterlinie sorgen für eine leicht geduckte Haltung, während die kurzen Überhänge vorne wie hinten einen üppigen Radstand ermöglichen. Als kleines Highlight erweisen sich die herausfahrbaren Türgriffe, welche bei geschlossenem Fahrzeug oder während der Fahrt plan anliegen.
Eine äußerst schmale, vollständig ums Fahrzeug verlaufende Zierleiste in glänzendem Schwarz sorgt zudem für eine modische Komponente und trägt hinter dem Vorderrad den Schriftzug der Ausstattungslinie.
Das Heck des elektrischen Jaguar wirkt nicht nur auf den ersten Blick außerordentlich massiv. Die CI-konforme Lichtsignatur verrät die Markenzugehörigkeit, während der angedeutete Unterfahrschutz für etwas SUV-Flair sorgt. Auch hier kann der geneigte Betrachter nicht unmittelbar eine Zuordnung zu einem bestimmten Segment ausmachen.
Der I-Pace ist kein wirkliches SUV. Vielmehr ist es das Ergebnis eines unkonventionellen Elektroautos
so Dr. Wolfgang Ziebart, technischer Designdirektor des Jaguar I-Pace.
Einmal Platz genommen, verströmt der I-Pace eine angenehm kühle Noblesse im Innenraum, die vor allem durch ein technisch-clean wirkendes Cockpit samt Armaturen unterstrichen wird. Zwei große Touchscreen und ein digitales Instrumentendisplay ersetzen die meisten konventionellen Bedienelemente, sodass auf jeder Fahrt stets eine futuristische Note mitschwingt.
Lediglich eine Handvoll Tasten und Regler bleiben für einige Funktionen erhalten. So erfolgt zum Beispiel die Gangwahl über metallisch glänzende Tasten.
Die Sitze erwiesen sich in unserem ersten Test als überaus bequem und angenehm konturiert. Gleiches gilt auch für die hinteren Plätze, wenngleich der mittlere Platz eher für kleinere Personen oder Kinder geeignet ist.
Intelligente Ablagen gibt es im neuen Jaguar I-Pace einige. Unter anderem gibt es ein 10,5 Liter großes Staufach in der Mittelkonsole, welches durch das Fehlen eines Kardanwellentunnels realisiert werden konnte. Darüber hinaus gibt es unter den Rücksitzen versteckte Fächer, die zur Platzierung von Notebooks und Tablets geeignet sind.
Doch nicht nur die Ablagen können sich sehen lassen: Mit einem Kofferraumvolumen von 656 Litern sollte selbst das Gepäck für vier Personen locker untergebracht werden können. Sollte doch einmal mehr Raum benötigt werden, lassen sich die Rücksitze umklappen und das Volumen auf bis zu 1.453 Liter erweitern.
Ist das Gepäck verladen und hat die Reise begonnen, kommen alle Passagiere in den Genuss des üppig dimensionierten Panorama-Glasdaches. Dessen Verbundglas absorbiert Infrarotlicht und verhindert so, dass Wärme in den Innenraum gelangt.
Technik & Assistenz – Schlaue Raubkatze
Apropos Innenraum: Die Sitzheizung und insbesondere die Sitzbelüftung verrichteten in unserem Test hervorragende Arbeit. Sowohl Sitzlehne als auch die -fläche lassen sich unabhängig voneinander beheizen oder kühlen, was in der Praxis ein enormes Komfortplus darstellt.
In puncto Infotainment setzt Jaguar auf das neue Touch Pro Duo System, welches aus den beiden bereits angesprochenen Touchscreens besteht. Durch eine logische und variable Trennung zwischen den angezeigten Informationen lässt sich das System nach kurzer Eingewöhnung recht intuitiv ablesen und bedienen. Dankbarerweise sind nach wie vor auch physische Drehregler für die Klimaanlage sowie für die Lautstärke vorhanden.
Das digitale Cockpit besteht aus einem 12,3 Zoll großen Display, welches sich ebenfalls frei konfigurieren lässt und auf Wunsch beispielsweise die Kartendarstellung als Vollbild anzeigt. Hierzu gesellt sich ein praktisches und gestochen scharfes Head-Up-Display, welches alle fahrrelevanten Informationen an die Windschutzscheibe projiziert.
Darüber hinaus sorgt eine spezielle EV-Navigation für eine möglichst genaue Kalkulation der Reichweite und des Ladezustands der Batterie. Zugrundegelegt werden Referenzwerte von früheren Fahrten sowie der erlernte Fahrstil des Besitzers.
Die sogenannten Jaguar Smart Settings nutzen unter Zuhilfenahme künstlicher Intelligenz bestimmte Algorithmen, um sich den individuellen Bedürfnissen des Fahrers anzupassen. Hierzu wird nicht nur der Schlüssel als Entscheidungsgrundlage genommen, sondern auch das mit dem Fahrzeug gekoppelte Telefon.
Nach erfolgreicher Identifizierung beginnt der I-Pace zu lernen, welche Einstellungen und Kommandos zu welchem Zeitpunkt erfolgen. Das Erlernte wird im Anschluss in Form von automatischer Sitz- und Spiegeleinstellung, dem favorisierten Radiosender sowie der passenden Klimatisierung angewandt.
Motorisierung & Fahreigenschaften – Doppeltes E-Herz
Wir haben den Jaguar I-Pace EV400 AWD als First Edition einem ersten Test unterzogen. Die elektrische Raubkatze verfügt über zwei Motoren, je einen an der Vorder- und der Hinterachse. Daraus ergibt sich der elektrische Allradantrieb, den Kunden des I-Pace EV400 serienmäßig erhalten. Die Gesamtleistung beläuft sich auf 400 PS und das Drehmoment auf sage und schreibe 696 Newtonmeter, die bereits ab dem ersten Meter zur Verfügung stehen.
Derart motorisiert, fällt die magische 100 km/h-Marke bereits nach 4,8 Sekunden und die Höchstgeschwindigkeit ist auf 200 km/h begrenzt.
Dank diverser Fahrmodi lassen sich Antrieb und Fahrwerk der E-Katze nach Belieben einstellen – wahlweise von hoch effizient bis sportlich.
Auf unseren ersten gefahrenen Metern fällt zunächst die absolute Ruhe im Inneren des Jaguar I-Pace auf, die lediglich von der relativ geräuschvoll arbeitenden Klimaanlage unterbrochen wird. Kommod rollend und wie auf Samtpfoten erschleicht sich das etwas andere SUV den ersten Kilometer, ohne dabei den Eindruck aufkommen zu lassen, über satte 400 PS zu verfügen.
Ein beherzter Tritt aufs Gaspedal führt diesen Eindruck dann jedoch völlig ad absurdum und der Stromer fackelt eine Beschleunigungsorgie ab, die selbst hart gesottene Testfahrer fasziniert. Dank des permanent bereitstehen Drehmomentes von knapp 700 Newtonmetern drückt der gut 2,2 Tonnen schwere Brite seine Passagiere ohne Rücksicht auf Verluste in den Sitz, was dem Fahrer ein dezentes Grinsen entlockt.
Das bereits erwähnte Gewicht macht sich in den ersten Kurven dann doch bemerkbar. Wer nun eine Performance à la F-TYPE erwartet, den müssen wir an dieser Stelle enttäuschen. Zwar liegt der Schwerpunkt des I-Pace dank der tief eingebauten Batterien recht niedrig, gänzlich verleugnen lässt sich das Gewicht dennoch nicht.
Dieser Umstand ist in Anbetracht der superben Traktion jedoch aus Sicht der Redaktion zu vernachlässigen. Insbesondere beim harschen Herausbeschleunigen aus Kurven zeigt sich der gut abgestimmte, elektrische Allradantrieb von großem Vorteil. Zwar monieren die Reifen durch kurzes Quietschen hin und wieder ihre unsanfte Behandlung, Traktionsverluste konnten wir jedoch keine feststellen.
Lässt man es ruhiger angehen und wechselt vom Dynamic- in den Comfort- oder gar in den Eco-Modus, so ändert der große Stromer rasch sein Gemüt und bringt seine Passagiere nun stressfrei ans Ziel. Die angegebene Reichweite von 480 Kilometern – im realitätsnahen WLTP-Zyklus gemessen – scheint aus unserer Sicht nicht utopisch. Bewegt man den I-Pace mit einigermaßen gezügeltem Gasfuß, so verringert sich die Reichweite im Bordcomputer der tatsächlichen Wegstrecke entsprechend.
Loben möchten wir an dieser Stelle den hohen Komfortfaktor des elektrischen Jaguar. Der adaptiven Luftfederung und des knapp drei Meter langen Radstandes sei Dank, darf der Kunde eine überaus gesittete und komfortbetonte Auslegung des Fahrwerks erwarten.
Im Übrigen gibt es im Jaguar I-Pace verschiedene Rekuperationsstufen, sodass bereits bei Gaswegnahme verzögert wird. Dies sorgt in der höchsten Stufe für ein sogenanntes „One-pedal-feel“ und das Bremspedal bleibt nahezu ungenutzt, was wiederum den Verschleiß der Bremsen erheblich reduziert.
Fazit – Lasset die Spiele beginnen
Im Rahmen unseres ersten Testes ziehen wir am Ende des Tages ein überaus unerwartetes Resümee: Der Jaguar I-Pace überzeugt. Auf den ersten und auch auf den zweiten Blick. Mit wegweisender Technik bestückt und mit dem Fahrkomfort einer großen Limousine gesegnet, erweist sich die elektrische Raubkatze als ernstzunehmende Konkurrenz zu den etablierten Stromern von Tesla und Co.
Der fahraktive Charakter kostet zwar Summa summarum den einen oder anderen Bonuskilometer, doch der Fahrspaß bleibt – im Gegensatz zu vielen Spielgefährten in freier Wildbahn – zu keinem Zeitpunkt auf der Strecke.
Zwar schlägt unser Testwagen mit knapp 102.000 Euro zu Buche, bedenkt man jedoch die Antriebstechnik und die vielen Annehmlichkeiten – beispielsweise die zehnjährige KFZ-Steuerbefreiung und die achtjährige Garantie auf die Batterie – kann man diese Summe getrost als ein Investment in die Zukunft sehen.
Text / Fotos: NewCarz
Kamera: Canon EOS 6D
Technische Daten: Jaguar I-Pace EV400 AWD First Edition
Länge x Breite x Höhe (m): 4,68 x 2,01 x 1,57
Motor: Zwei Permanentmagnet-Elektromotoren
Leistung: 294 kW (400 PS)
Max. Drehmoment: 696 Nm
Getriebe: Einstufiges Planetengetriebe
Antrieb: elektrischer Allradantrieb
Durchschnittsverbrauch (WLTP-Zyklus): 24,2 kWh/100 km
Reichweite (WLTP): bis 480 km
CO2-Emissionen: 0 g/km
Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 4,8 Sekunden
Leergewicht: ab 2.208 kg
Kofferraumvolumen: ca. 656 l (1.453 bei umgeklappter Rückbank)
Batteriekapazität: ca. 90 kWh
Ladezeit (0-100% Wechselstrom 7 kW): 12,9 Stunden
Ladezeit (0-80% Gleichstrom 50 kW): 85 Minuten
Ladezeit (0-80% Gleichstrom 100 kW): 40 Minuten
Preis des Testwagens: circa 101.850 Euro (Basispreis I-Pace: 77.850 Euro)
Sorgt seit 2015 stets für den „Nachschub“ an automobilen Neuigkeiten, ob als Modellpremieren, Modellpflege oder strategische Neuausrichtung von Herstellern – um nur einige zu nennen. Sein enger Draht zu den Herstellern ist ein Garant für brandneue Informationen und Autonews aus erster Hand. Seine automobile Vorliebe gehört vor allem den gut motorisierten Cabrios und Coupés dieser Welt.