Eine S-Klasse in der Langversion; da muss doch der Top-Motor unter der Haube stecken?
Falsch: Wir testeten das Flaggschiff mit dem derzeitigen Einstiegs-Diesel, den Mercedes-Benz S350 CDI mit langem Radstand. Die Luxus-Limousine ist dafür bekannt, das beste Auto der Welt genannt zu werden, doch trifft dieses Attribut auch zu, wenn ein Sechszylinder-Diesel unter der Haube steckt? Oder ist man mit diesem Aggregat mehr Hindernis als Platzhirsch? Wir sind dem auf den Grund gegangen.
Design – Eine stattliche Erscheinung
Ungesehen kommt man mit diesem Fahrzeug nicht durch die Innenstadt. Zu groß, zu stattlich wirkt der lange Mercedes. Durch die silberne Farbgebung des Testwagens wurde der prunkvoll-stattliche Eindruck noch verstärkt und zog die Blicke damit noch mehr auf sich. Dabei ist die S-Klasse kein Fahrzeug, dass in seiner Ausstrahlung laut ist oder Aufmerksamkeit erheischen möchte. Ganz im Gegenteil: Die fließenden Linien und die Sanftheit des Designs lassen keinerlei Raum für Kritik am Stil und wirken sehr elegant.
So zeigt sich die Front durch den großen Kühlergrill mit seiner klassischen Gestaltung und betont somit die Breite des Stuttgarters. Doch anstatt durch diese Betonung aggressiv zu wirken, zeigt sich der Vorderwagen durch seine sanften Rundungen sehr zurückhaltend und nobel. Die nicht gerade überdimensionierten Lufteinlässe verdeutlichen dies in Zusammenarbeit mit der glattflächigen Motorhaube. Ihre Größe nimmt dabei das Format eines ausgewachsenen Esstisches ein – um die Größe noch einmal zu verdeutlichen. Ein Highlight an der Front stellen überdies die Scheinwerfer dar: Durch ein attraktiv arrangiertes Tagfahrlicht und eine auffällige Segmentierung, bilden sie den Hauptblickfang.
Betrachtet man hingegen die Seitenlinie, fällt sofort das Wechselspiel aus konkav und konvex ausgeformten Flächen auf, die diese Ansicht wahrlich modellieren. Dabei bleibt der Blick fast automatisch auf der prägnanten Linie – beginnend mit den vorderen Scheinwerfern – ruhen. Dieses Element zieht sich bis zum Ende der hinteren Türen und gilt als wahrer Spannungsbogen. Vorbei sind auch die Zeiten, in denen die hinteren Radkästen mit einer starken Schulter ausgeformt wurden und an den Stern der Vergangenheit erinnerten. Überhaupt fallen die Radhäuser nicht damit auf, extravagant ausgestellt zu sein: Solch eine Effekthascherei hat dieser Stuttgarter wahrlich nicht nötig. Allein die Leichtmetallräder wirken etwas verloren in ihren großen Höhlen und dürften das ein oder andere Zoll zulegen, ohne gleich den Anschein zu erwecken, ein amerikanischer Hip-Hop-Star säße im Fond. Diese Aufgabe bleibt hingegen dem neuen Mercedes-Maybach überlassen.
Am Heck zeigt sich dann die klassische Eleganz, der sich seit der Markteinführung der S-Klasse alle anderen Mercedes-Limousinen messen müssen. Vergleicht man diese Ansicht beispielsweise mit der aktuellen C-Klasse, wird jeder – selbst nicht automobilbegeisterte Betrachter – die Verwandtschaft sofort erkennen. Es sind die fließenden Linien, die mandelförmigen Rückleuchten und der kurz wirkende Kofferraumdeckel, die diese Zugehörigkeit schaffen. Design-Chef Gorden Wagener nennt dieses Phänomen „sinnliche Klarheit“.
Doch die S-Klasse ist allein schon aufgrund ihres Formats klar als solche zu erkennen und gibt sich eigenständig. Auch hier fällt wieder die betont schnörkellose gehaltene Gestaltung auf: Wenig Ecken und Kanten, dafür sanfte Rundungen und schöne Integrationen – attraktiv umgesetzt an der Auspuffanlage – wissen zu betören.
Innenraum – Technoide Eleganz
Geradezu prunkvoll geht es dafür im Interieur zu: Ganz gleich wohin man blickt, man findet nur hochwertige Materialien sowie eine erstklassige Verarbeitung vor. Natürlich erwartet man das auch vom „besten Auto der Welt“, aber hier wird man an keiner Stelle enttäuscht. Wurzelholz, satte matt-chrome Einfassungen und hochwertiges Leder warten nur darauf, einen haptischen Hochgenuss zu erwecken.
So ist beispielsweise das Lenkrad ein besonderes Highlight, da es mit seinen zwei Speichen nicht nur ungewöhnlich aussieht, sondern mit seinem Materialmix aus Leder, Holz und Leichtmetall eine besondere Gediegenheit ausdrückt. Dabei ist es nicht mit einer überbordenden Anzahl an Tasten ausgerüstet, sondern reduziert diese auf ein gut beherrsch- und überschaubares Maß. Sie dienen vorwiegend zur Bedienung des Bordcomputers, der sich in der vollkommen digitalen Instrumententafel befindet. Das Switchen durch die Menüs und Unterpunkte gelingt auf Anhieb – auch, wenn der Anblick der Instrumente auf die ersten Blicke ungewöhnlich erscheint.
Direkt rechts daneben erstreckt sich ein geradezu riesiger Bildschirm, der das Infotainment beherbergt. Seine Auflösung ist so kristallklar, wie man es kaum aus dem Automobilbau kennt. Angenehm ist auch, dass diese schöne Anzeige frei von Fingerabdrücken bleibt, da Mercedes hier einen anderen Weg geht – den der Tasten. Direkt im Anschluss an die, man höre und staune – beheizbare Mittelarmlehne ragt eine kleine Auflagefläche heraus, die wahren Handschmeiler-Charakter hat. Von ihr kann man alle Tasten und das alles entscheidende Dreh-Rad zur Steuerung des Infotainments erreichen, ohne auch nur die kleinste anstrengende Armbewegung machen zu müssen. Selbst die Bedienung geht mit dem Dreh-Drück-Steller problemlos von der Hand, sodass das Handbuch getrost im Handschuhfach bleiben kann. Zwar muss man anfänglich den ein oder anderen Blick riskieren, um das jeweilige Menü anzuwählen, doch nach nur kürzester Zeit findet man blind, ob man nun das Radio oder Navi aktivieren möchte.
An und für sich dreht sich das Hauptaugenmerk in einer S-Klasse nicht um das Infotainment. Es ist die Verarbeitung und der Stil, die hier herausragende Bedeutung haben und die Passagiere buchstäblich umhauen. Kein Rädchen wackelt, keine Spalte ist zu groß oder variiert in ihrem Maß, keine Naht sitzt unpräzise. Hinzu kommt die Ambiente-Beleuchtung, die nicht nur im gesamten Interieur für Stimmung sorgt, sondern auch in ihrer Farbe variiert werden kann. Man hat die Wahl zwischen verschiedenen Farbschemata, die vom kalten Blau hin zu einem warmen weiß, nahezu jeden Geschmack treffen sollten. Alles, einfach alles ist mit purer Hingabe und Perfektion verarbeitet, sodass man permanent die Hände über die Inneneinrichtung schweifen lassen möchte. Für den Fahrer empfiehlt sich das selbstverständlich nicht, denn seine Hände sollten stets auf dem Lenkrad verweilen; die Mitreisenden dürfen diesem Verlangen jedoch nachgeben.
Das Verlangen nach Platz darf man natürlich auch nachgeben – besonders im Fond. Keine Frage, die Platzverhältnisse in der ersten Reihe sind über jeden Zweifel erhaben, doch das wahre Highlight spielt sich auf den Sitzen in Reihe zwei ab. Ist der Beifahrersitz nach vorne gefahren – natürlich vom Fond aus bedient – kann man den Chauffeurs-Sitz hinten rechts ausfahren, seine Füße auf die ausgefahrene Fußstütze betten und sich entspannt zurücklehnen. Es herrscht Raum in Hülle und Fülle, sodass man sich nicht nur zur Gänze entfalten kann, sondern auch die Beine übereinander schlagen oder sogar entspannt schlafen kann.
Hat man aber das Verlangen nach Entertainment, zückt man einfach die Fernbedienung des Infotainments und lässt sich vom Fernsehprogramm der Rear-Entertainment-Systems bespaßen. Es ist in seiner Bedienung an das Command-System angelehnt und lässt sich leicht verstehen. Ähnlich leicht etwa, wie der elektrische Verstellung der Sitze: Ihre Anbringung in den Türen ist eines der Markenzeichen eine Mercedes, das in seiner Simplizität und Genialität hoffentlich nie gestrichen wird. So kann jeder Sitz in diesem Mercedes elektrisch justiert werden, damit auch jeder Reisende die für ihn perfekten Voraussetzungen für einen langen Trip vorfindet. Die S-Klasse, besonders in der Langversion, mag zwar durchaus ein Fahrerauto sein, doch der beste Platz ist zweifellos im Fond.
Fahreindrücke – Sanftheit als Maß der Dinge
Doch nicht nur der Innenraum gefällt mit seinem wohnlichen Charakter und edlen Charme – auch das Fahrverhalten ist über jeden Zweifel erhaben. Es ist der erstklassige Komfort, der sich in jeder Facette des Stuttgarters zeigt, die Passagiere vom Treiben der Außenwelt unbehelligt lässt aber den Fahrer nicht entkoppelt.
So gibt sich die Lenkung zwar leichtgängig und verrichtet ihre Arbeit mit relativ großen Lenkwinkeln, dennoch gibt sie aber ein angenehmes Feedback, dass sich durch eine passende Sämigkeit auszeichnet. So umrundet man Kurven sehr geschmeidig, weich und rund, ohne aber je das Gefühl zu bekommen einen kleinen Sportwagen zu fahren. Eine passende Abstimmung also, die die S-Klasse zwar handlich wirken lässt, aber nicht über ihr Format oder ihren Haupt-Einsatz-Zweck hinwegtäuscht, eine ausgewachsene Reiselimousine zu sein.
Ähnlich verhält es sich mit dem Fahrwerk: Es verfügt über verschiedene Abstufungen, die der großen Mercedes für verschiedene Einsatzzwecke befähigen sollen; ein Sportwagen wird aber dennoch nicht aus der Luxuslimousine. Zwar sind Unterschiede deutlich spürbar – Unebenheiten und Querfugen machen sich bemerkbar – doch der komfortable Grundcharakter bleibt erhalten. Es empfiehlt sich für die meisten Situationen, die samtig weiche Abstimmung zu wählen und den Mercedes als das zu nutzen, was seinem Naturell entspricht – einen veritablen Gleiter. Darüber freut sich letztendlich nicht nur der Fahrer, sondern auch der Chauffierte, der in der Regel den wichtigsten Platz – hinten rechts – einnimmt.
So verwundert es nicht, dass der Antrieb ebenfalls einen sanften Auftritt pflegt. Seine besonders guten Manieren zeigen sich in einem überaus weichen Lauf und der Abwesenheit von Antriebsgeräuschen. Man wird durch seinen Charakter nicht dazu verleitet zu hetzen, sondern ist dazu gestimmt entspannt dahinzurollen. Hat man es aber dennoch eilig, lässt sich das Aggregat nicht lange bitten und setzt Gasbefehle prompt um. Zwar wird man nicht mit der Faust im Nacken nach vorn katapultiert, wie es ein 600er oder eine AMG-Version schafft, aber verwundert das wirklich? Trotzdem: Wenn man es drauf anlegt, ist man weit entfernt von Langsamkeit. Der Stuttgarter schiebt angenehm nach vorne, sodass von Untermotorisierung keine Spur bleibt.
Schließlich ist es eine ganz andere Tugend – eine typisch schwäbische – die den S350 CDI besonders attraktiv macht: sein Verbrauch. Im sehr zügigen Betrieb, bei einem gleichwertigen Mix aus Stadt-, Land- und Autobahnbetrieb, genehmigt sich das Flaggschiff durchaus knapp 10 Liter auf 100 Kilometer. Doch diese Gangart entspricht nicht unbedingt dem Naturell der S-Klasse, sodass bei normaler Fahrweise gut und gerne 7 – 8 Liter erreicht werden. Ein sehr beachtlicher Wert, wenn man das Gewicht von immerhin 1.975KG und die schiere Größe des Luxus-Liner dagegenhält.
Es zeigt sich also, dass die S-Klasse so fährt, wie man es von ihr erwartet – gediegen.
Fazit – Das beste Auto der Welt?
Es fällt schwer, ein Haar in der sehr schmackhaften Suppe aus Stuttgart zu finden. Nicht, dass wir bewusst danach suchen würden, aber der Mercedes-Benz S350 CDI ist rundum gelungen. Sei es das geschmackvolle Design – sowohl innen, wie außen –, der überragende Komfort, der ihn zu DER Reiselimousine schlechthin macht oder aber das Platzangebot, dass jedem Anspruch gewachsen sein dürfte. Darüber hinaus zeigt sich der Sechszylinder-Diesel als optimale Motorisierung, da er sich in Askese übt, betrachtet man den Verbrauch, aber trotzdem dynamische Qualitäten bietet. Was uns negativ auffiel? Es ist nicht einmal der Preis – schließlich stellte die S-Klasse eine Luxuslimousine dar –, sondern ein Punkt, der unter die Kategorie „Geschmacksfrage“ fällt. Würden wir einen dieser Stuttgarter Traumwagen bestellen, würde er in klassischem Schwarz zu uns rollen.
Text/Bilder: NewCarz
Technische Daten: Mercedes-Benz S350 CDI L
Motor: 6-Zylinder-Diesel
Hubraum: 2.987 ccm
Leistung: 190 KW / 258 PS bei 3.600U/min
Drehmoment: 620 Nm
Getriebe: 7-Gang-Automatik
Antrieb: Heck
Leergewicht: 1.975 Kg
L/B/H: 5.453/1.8991.483/mm
Radstand: 3.365mm
Kofferraum-Volumen: 510 Liter
Beschleunigung 0 – 100 km/h: 6,8 s
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
Emissionsklasse: Euro 6
ECE-Verbrauch: 6,0 – 5,6 L/100km
Preis: Ab 86.453,50€
2 thoughts on “Mercedes-Benz S350 CDI L Test – Der hellste Stern am Himmel?”