Stylisch aber nicht überstylet, viel Platz aber trotzdem kompakt, sportlich aber dennoch wirtschaftlich: Solch ein Auto kann es eigentlich gar nicht geben. Doch der neue Seat Leon ST verbindet genau diese Tugenden und glänzt mit technischen Highlights wie einem Voll-LED-Licht oder einem neuen Bedienkonzept. Wir testeten den 150PS starken ST mit dem 2.0 TDI.
Hat ein Fahrzeug früher einen Rucksack bekommen, nannte sich diese Karosserieform schlicht Kombi. Seat betitelt seinen Leon mit praktischem Laderaum als ST – Sports Tourer – und neudeutsch für Kombinationskraftwagen. Das lässt befürchten, dass der neue ST viel mehr den Lifestyle im Fokus hat, als einen brauchbaren Nutzwert – zumal das adrette Äußere diesen Eindruck unterstreicht. Doch das Design-Team erschuf einen Kompakt-Kombi, der beides vereint: Stattliche 587 Liter Laderaum und eine Hülle, die alles andere als langweilig ist.
Design
Ernst und aggressiv heißt uns die Frontpartie des Leon willkommen. Dieser Eindruck wird nochmals durch das dreieckige Tagfahrlicht unterstützt und gibt dem Spanier einen spannenden, vor allem aber eigenständigen Look. Untermalt wird der dynamische Bug von einer streng horizontalen Ausrichtung mit scharfen Ecken und Kanten. Hinzu kommt eine Frontschürze, die mit ihren großen Kühlluftöffnungen pure Sportlichkeit ausstrahlt. Sportlich ist auch das Design der Alufelgen im 17-Zoll-Format, das die Radhäuser passend ausfüllt. Dabei fällt auf, dass eben jene nicht extrem ausgestellt sind, wie es bei einem sportlichen Modell sonst Pflicht zu sein scheint – eine angenehme Abwechslung.
Seitlich betrachtet fallen die beiden horizontalen Lichtkanten auf, die knapp über den Türgriffen verlaufen. Sie geben der Seitenansicht nicht nur eine skulpturale Form, sondern erhöhen durch die sanft ansteigende Tornadoline, abermals den dynamischen Auftritt des Leon ST. Die dezente Dachreling zeigt hierbei allerdings, dass sich dieser Spanier auch dem Nutzwert verschrieben hat und auch einiges wegstecken kann.
Am Heck dominieren die trapezförmigen Heckleuchten sowie die klar horizontalen Linien. Somit wird der Eindruck sportlicher Breite erzeugt, die vom kleinen Dachkantenspoiler zusätzlich pointiert wird. Der geschickt ins Markenemblem integrierte Heckklappen-Öffner lässt das Heck – wie das gesamte Auto – dabei aber auch schlicht erscheinen, da so überflüssige, optische Störungen vermieden werden. Insgesamt ist das Design des Seat also nicht nur äußerst dynamisch, sondern auch schlicht zugleich: Beides Indizien für seine Zeitlosigkeit.
Innenraum
Schlicht präsentiert sich auch das Interieur, was nicht heißt, dass die Qualität nicht stimmt, sondern, dass auch hier das Design recht reduziert ist. Highlights wurden in Form von Chrom-Zierleisten dezent und geschmackvoll gesetzt und unterstreichen zusätzlich die beruhigende Reduziertheit.
Die Mittelkonsole wird dominiert vom Navigationssystem, dass mit insgesamt nur zehn Tasten und zwei Drehreglern auskommt. Als weiteres Bedienelement in der Mittelkonsole kommt lediglich die Klimaautomatik hinzu. Wer eine Tastenflut erwartet, darf beruhigt sein, denn dieser Spanier kommt äußerst ausgeräumt daher. Weitere Bedienelemente finden sich auf dem Lenkrad, die nachts nicht nur angenehm beleuchtet, sondern auch klar beschriftet und einwandfrei zu bedienen sind. Selbst die Assistenzsysteme, bei unserem Testwagen ein Spurhalteassistent sowie ein Abstandsregel-Tempomat, ließen sich ohne Fehl und Tadel justieren. Zwar ist dazu die Anwahl eines Menüs erforderlich, dies geschieht über die Direktanwahl per Taste im Blinkerhebel aber überaus leicht. Zwei Drehs und ein Klick an den Lenkradwalzen und der jeweilige Assistent ist de-/aktiviert.
Aktiv ist allerdings der Sound, den die Lautsprecher von sich geben: Bässe kommen satt, Höhen klar und selbst Mitten werden angenehm wiedergegeben. Hinzu kommt die Nahezu vollständige Ausstattung an Konnektivitäts-Möglichkeiten: Bluetooth, SD-Karten-Slots, AUX, und und und. Dabei gelingt die Kopplung eines Handys intuitiv und leicht: Die Handhabung wird über den Bildschirm des Infotainmentsystems gesteuert und gefällt mit einer angenehmen Berührungsempfindlichkeit. Insgesamt fällt der Bildschirm aber etwas klein aus, gerade im Vergleich zu den Konkurrenten aus eigenem Hause: Der von uns getestete Skoda Octavia Combi gefiel mit einer ähnlichen Menüführung, die auch auf Annäherung reagierte, überzeugte aber mit einer alltagstauglicheren Größe seines Displays. Ein Pluspunkt des Seat-Systems ist allerdings die Positionierung des Bildschirms: Im oberen Bereich des Cockpits angebracht, liegt die Anzeige genau dort, wo sie hin gehört – im Sichtbereich des Fahrers.
À propos Sichtbereich: Der Leon ist optisch ein Sportler, weshalb ihm die Designer eine hohe Gürtellinie und kleine Fensterflächen spendierten. Was für die Ästhetik des Fahrzeugs noch als Segen gilt, wird spätestens beim rückwärtigen Einparken zum Fluch. Die Heckscheibe ist geradezu winzig und gibt nur einen minimalen Blick nach hinten frei. Ansonsten ist die Rundumsicht gut, schmaler Dachsäulen sei Dank. Insgesamt sei aber, vor allem für den Rangierbetrieb, die Einparkhilfe wärmstens empfohlen. Wenn man dann schon dabei ist die richtige Ausstattung auszuwählen, dann sollte das Kreuzchen auch bei den LED-Scheinwerfern gesetzt werden. Nicht nur das attraktiv-dynamische Tagfahrlicht zieht mit dieser Option in den Leon ein, sondern auch eine Lichtausbeute, die Ihresgleichen sucht. Das Abblendlicht füllt die Straße dabei mit einem klaren, kühlen Weiß aus, sodass das Fernlicht fast unnötig wird, da die Straße herrvorragend ausgeleuchtet wird.
Kommen wir zu den Kombi-Tugenden des Leon: Der Kofferraum ist groß, gut zugänglich und gefällt mit einem cleveren Klappmechanismus der Rücksitzlehnen via Zughebel. Hinzu gesellen sich eine ordentliche Zuladung und ein variabler Ladeboden, die jeder alltäglichen Beladungs-Situation gewachsen sein sollten.
Beladen darf man den spanischen Kompakt-Kombi mit teutonischen Wurzel auch mit groß gewachsenen Passagieren. Besonders auf den vorderen Plätzen lässt sich für Personen jeder Statur eine angenehme Sitzposition finden. Die – dies sei am Rande erwähnt – sportlich tief montierten Sitze überzeugen mit einer angenehm straffen Polsterung sowie mit einem großzügigen Verstellbereich, bieten jedoch keinen überragenden Seitenhalt. Von einem sportlichen Auto hätten wir uns mehr erhofft; Abhilfe schafft da aber die Wahl der sportlichsten Ausstattungslinie „FR“. Doch auch diese ändert nichts am insgesamt recht hohen Kunststoff-Anteil im Innenraum. So ist beispielsweise das Lenkrad zwar mit Leder bezogen, leider macht es aber den Eindruck einfachen Kunststoffs, der eine Ziernaht zur Aufwertung trägt. Nichtsdestoweniger ist die Verarbeitung aber auf einem Top-Niveau, das sich weder verstecken muss, noch den Vergleich mit der Konkurrenz scheuen muss: Weder im eigenen Hause, noch mit anderen Fabrikaten.
Abschließend zu den Platzverhältnissen im Fond: Die Zeiten, in denen die Rückbank einer Strafbank glich, sind gezählt. Durch clevere Raumausnutzung entstehen gut nutzbare Sitzplätze für zwei Personen, die zwar nicht der First-Class eines Flugzeugs entsprechen, aber durchaus des Prädikat: Langstreckentauglich verdienen.
Fahreindrücke
„Auto Émotion“ hieß es einst bei Seat – und diesem Slogan wird der neue Leon durchaus gerecht. Einsteigen, Zündschlüssel drehen, Gas geben und wohl fühlen. Zwar nagelt der 2.0 TDI im Leerlauf vernehmlich vor sich hin, zeigt aber einen für einen Diesel ruhigen Lauf. Ist der ST erst einmal in Bewegung, verschwinden die Töne des Motors aber hinter denen des Soundsystems und den anderen Fahrtgeräusche.
Was überwiegt ist der Druck der 320 Nm, der die Insassen vehement in die Sitze drückt und dem Fahrer bei jedem Beschleunigen ein kleines Grinsen auf das Gesicht treibt. Wie eilig die Nadel des Tachometers dabei in Bereiche eilt, die nicht gerade mit der StvO konform gehen, ist fast erschreckend. Dies zeigt sich auch in den Fahrleistungen: 8,9 Sekunden für den Standard-Sprint auf Landstraßen-Tempo sind zwar nicht des Ende der Fahnenstange, aber durchaus beachtlich. Zumal dieser Wert eher für ein Quartett-Spiel geeignet und in der Realität zu vernachlässigen ist.
Was im Alltag zählt ist eine gute Elastizität, um beispielsweise Überholvorgänge einfach umzusetzen. Hier glänzt das 150PS starke Diesel-Aggregat: In der Regel muss man den Schalthebel nicht bemühen und kann dem Drehmoment das Spiel überlassen. Sollte dennoch ein Herunterschalten nötig sein, geht dies leichtgängig von der Hand, sodass der nächste Gang auf kurzen Wegen seine Gasse findet. Jedoch neigt das manuelle Getriebe ab und an zum Hakeln – mit ein Grund, warum wir das DSG empfehlen. Hinzu gesellt sich eine Anfahrschwäche, insbesondere beim Abbiegen im zweiten Gang. Als Beispiel eine Alltagssituation: Man fährt auf eine Kreuzung zu, bremst ab, um rechts abzubiegen, wählt den zweiten Gang, schaut kurz nach links und tritt dann aufs Gas. So weit so gut, doch droht – wenn man nicht gerade mit sportlich-übermütigen Geschwindigkeiten abbiegt – der Motor abzusterben. Es bleibt einem also die Wahl in den ersten Gang zu schalten und einen unschönen Bonanza-Effekt zu ernten oder aber ins Drehzahlloch zu fallen und den Motor dabei eventuell sogar abzuwürgen, wie ein Fahrschüler bei der ersten Fahrstunde. Dies dürfte das DSG geschickt überspielen und insgesamt zu einem runderen Gesamtbild führen.
Rund zeigt sich hingegen die Abstimmung des Fahrwerks. Was erwartet man vom einem dynamisch gezeichneten Kompakt-Kombi? Sicherlich steht hier ein knackiges Fahrwerk, das zum Kurvenwetzen einlädt weit oben auf der Wunschliste. Doch Komfort würde man diesem Fahrzeug nicht unbedingt zutrauen. Dies ist aber genau die Stärke des Leon ST: Das von uns gefahrene Standard-Fahrwerk gefiel zwar mit einer geringen Seitenneigung, ließ den Komfort aber nicht außen vor. Zwar gibt die Feder-Dämpfer-Kombination den Zustand der Fahrbahn jederzeit wieder, dies geschieht aber in einem äußerst gelungenen Rahmen: Grobe, wie auch feine Unebenheiten werden bis zu einem gewissen Grad gefiltert, sodass sie nicht störend zu den Passagieren dringen. Letztendlich werden diese Verwerfungen aber auch nicht gänzlich vom Fahrwerk geschluckt, sodass unter dem Strich eine überaus gelungene Abstimmung gelang, die aber in Richtung Sportlichkeit tendiert.
Von der sportlichen Seite zeigt sich auch die Lenkung: Überrascht sie anfangs noch mit ihrer Leichtgängigkeit, gefällt sie nach einer kurzen Eingewöhnung mit kleinen Lenkwinkeln und einer passenden Zielgenauigkeit.
Fazit
Der neue Leon ist mehr, als er vorgibt zu sein. Er lässt sich nicht ausschließlich auf sein betörendes Äußeres und seine dynamischen Talente reduzieren. Dieser Kompakt-Kombi darf durchaus als Lademeister und Langstrecken-Fahrzeug in Betracht gezogen werden. Schließlich erlauben die fast 590 Liter Kofferraumvolumen die Mitnahme von großem Gepäck, das bei bedarf mit bis zu 215km/h über die Autobahn transportiert werden darf. Wer es gemächlicher angehen lässt, erntet ohne große Mühe einen realistischen Durchschnittsverbrauch, bei dem eine Fünf vor dem Komma steht und der Dezimalbereich recht niedrig angesiedelt ist.
Lesen Sie eine weitere Einschätzung zum Seat Leon ST bei Autogefühl.
Länge x Breite x Höhe (mm): 4236 x1 693 x 1445
Motor: Reihen 4-Zylinder Diesel-Motor
Leistung: 110KW (150PS)/ 3500-4000 U/Min
Hubraum: 1968 ccm
Max. Drehmoment: 320 Nm bei 1750-3000 U/Min
Getriebe: 6-Gang manuell
Durchschnittsverbrauch (NEFZ-Norm): 4,1 Liter /100 km
Emissionsklasse: EU5
CO2-Emissionen: 106 g/km
Höchstgeschwindigkeit: 215 km/h
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 8,6 s
Leergewicht / Zuladung: 1350/ 570
Kofferraumvolumen: 587 – 1.470 L
Wendekreis: 10,48 m
Preis: ab 25.570€ (Ausstattungslinie: Style)
Text: Adam Meyer / Bilder: Mikhail Bievetskiy / Canon 1Dx mit 24-70 L II ƒ2.8 und 70-200 L ƒ4.0
3 thoughts on “Seat Leon ST Test – Das Designerstück unter den Kombis”