Von vielen ein Kindheitstraum, der bis ins hohe Alter reicht: Einmal im Leben einen Supersportwagen besitzen. Oder wenigstens mal einen fahren. Ob Ferrari, Lamborghini und Co. Sie alle faszinieren mit ihrer schieren Kraft, ihrer Schnelligkeit, ihrem wunderschön schnittigen Design.
Doch auch hier gibt es Unterschiede. So haben die bekanntesten Marken schon lange ihre Position als Platzhirsch bekleidet. Aber auch hier gibt es noch so etwas wie Exoten. Ja, Sie haben richtig gelesen.
Und so einen Exot unter den Exoten haben wir uns einmal genauer angeschaut: Steigen Sie ein auf eine Fahrt im McLaren 650S Spider.
Das Design einer flachen Karbonflunder
Markant, extrovertiert und etwas spacig – so könnte man das Exterieur mit drei Worten beschreiben. Einst geplant als Ergänzung der Modellpalette, verkörpert er nun den Nachfolger des legendären MP4-12C.
Die Außenhaut des Boliden wirkt skulptural, beinahe wie ein Skalpell auf Rädern. Er weiß jedoch mit seinen Reizen umzugehen, zu spielen, geht dosiert damit um. Er zeigt keine offensive Aggressivität im Tarnkappenbomber-Stil à la Lamborghini Aventador. Auch will er nicht das majestätische Antlitz eines Bentley Continental GTC wahren. Und eine elegant-elitäre, stets bekannte Erscheinung wie ein Ferrari 458 Speciale hat er auch nicht inne.
So oft wie auf dieses Fahrzeug wurden wir noch auf kein anderes angesprochen. Dass ein McLaren kein Massenprodukt ist, scheint einleuchtend. Aber wenn selbst Audi R8 und Aston Martin DBS stehen bleiben und sich nach dem in Tarocco Orange lackierten Boliden umschauen, spricht das Bände. Genauso wie die Tatsache, dass auch ein Porsche 911 Turbo S freiwillig und ohne zu murren die linke Spur räumt, wenn er einen McLaren 650S hinter sich hat.
Das ist es, was die Faszination ausmacht – man kennt ihn nicht, man weiß nicht wozu er in der Lage ist und man will nicht, ja, man traut sich nicht, ihn falsch einzuschätzen. Ein wunderbares und wunderbar rares Gefühl.
Wer braucht hier noch Infotainment?
Natürlich verfügt der McLaren 650S Spider über einer zeitgemäße Ausstattung in puncto Infotainment. Eine Smartphone-Anbindung ist hier ebenso an Bord wie ein Navigationssystem. Auch eine – optionale – Rückfahrkamera ist erhältlich und unbedingt empfehlenswert, auch wenn das horizontale Kamerabild auf dem senkrecht in der Mittelkonsole platzierten Touchscreen arg mickrig wirkt. Dennoch hilft dieses in Verbindung mit den Parksensoren das teure Stück rückwärts zu manövrieren – die Aussicht nach hinten ist nämlich so gut wie nicht gegeben.
Ebenfalls dringend zu empfehlen ist die aufpreispflichtige Liftfunktion. Der „Vehicle Lifter“ hebt den Wagen vorne sowie hinten um einige Zentimeter an, was Einfahrten in Tiefgaragen und hohen Bordsteinen ein wenig den Schrecken nimmt.
Zurück zum Infotainment. Sofern das Navigationssystem seine Arbeit aufgenommen hat, kann man diesem die Schulnote befriedigend aufdrücken. Insgesamt verrichtet es seine Arbeit gut, hin und wieder hakt es jedoch ein bisschen – einer der wenigen Punkte, wo die Konkurrenz die Nase vorn hat.
Relativiert wird dieser Eindruck jedoch schnell vom maßgeschneiderten Soundsystem aus dem Hause Meridian. Angenehm bassig, aber nie zu aufdringlich vermittelt es einen zum Charakter des Fahrzeugs passenden Klang – vor allem, wenn man das Radio auf DAB-Betrieb umstellt. Sollte man mit dem McLaren also einmal weitere Strecken absolvieren, so ist für entsprechende Hintergrundmusik auch bei geschlossenem Verdeck gesorgt.
V8 mit Gänsehaut-Garantie
Die richtige Musik kommt jedoch nicht aus den Boxen der Soundanlage. Im Heck des McLaren verrichtet ein 3,8 Liter großer Achtzylinder-V-Motor seine Arbeit. 650 PS leistet dieses Triebwerk, das maximal verfügbare Drehmoment beträgt 678 Newtonmeter. Auch wenn bei reiner Erwähnung des Hubraums eher der Gedanke an einen Sechszylinder aufkommt – die landläufige Meinung, ein Achtzylinder beginne erst bei vier Litern, scheint bei vielen Menschen tief verankert zu sein – so soll hier eine Biturboaufladung für Fahrleistungen jenseits von Gut und Böse sorgen.
Einmal per Startknopf zum Leben erweckt und sämtliche Eckdaten geraten in Vergessenheit. Dumpf bollernd und bereit, Höchstleistungen zu vollbringen, möchte der Brite endlich von der Leine gelassen werden. Und bei sanftem Druck aufs Gaspedal – und den entsprechenden Schaltern auf Normalstellung – entpuppt sich die Rakete als Supersportlicher mit Cruiser-Ambitionen.
Infernale Beschleunigung
Doch wehe demjenigen, der das Gaspedal gen Bodenblech drückt. Nach dem Bruchteil einer Sekunde wird diese – hoffentlich gut überlegte – Handlung mit einem Vortrieb belohnt, welcher so manche Achterbahn alt aussehen lässt. Luft holen? Unmöglich. Nach nur drei Sekunden stehen 100 km/h auf dem Tacho. Irgendeine Form von Turboloch oder Leistungsunterbrechung? Weit gefehlt. Wenige Wimpernschläge – das heißt weniger als sechs Sekunden – später sind aus den 100 bereits 200 km/h geworden.
Endet diese Beschleunigungsorgie auch irgendwann einmal? Ja. Ab rund 300 km/h ist das Atmen wieder eingeschränkt möglich, der Puls ist währenddessen permanent jenseits von Gut und Böse. Ein bis zwei Atemzüge später zeigt der digitale Tacho eine unglaubwürdige Fantasiezahl an. 330. Und das ist keine Fantasiezahl. Das ist der McLaren 650 S Spider wie er leibt und fährt.
Brachiale Verzögerung
In solchen Geschwindigkeitsbereichen ist jedoch auch die Negativbeschleunigung von großer Relevanz. Stellen Sie sich vor, sie müssten von 300 auf 100 km/h herunterbremsen, weil eine Geschwindigkeitsbegrenzung eine Baustelle ankündigt.
Keine große Sache. Die Karbon-Keramik-Bremse mit Scheiben in Dimensionen einer Familienpizza verzögert dermaßen stark, dass sie eine Bremsung Ihrem Beifahrer unbedingt vorher ankündigen sollten.
Dennoch verhält es sich mit den Bremsen ebenso wie mit den Scheiben: Erst wenn sie warm sind, funktionieren sie so richtig gut. Nach ein paar Bremsmanövern sind die McLaren-Discs jedoch bereits auf Betriebstemperatur.
Gruß vom Getriebe 3.0
Im McLaren 650S Spider kommt ein sequenzielles Siebengang-Schaltgetriebe zum Einsatz. Die Schaltvorgänge dieses Doppelkupplungsgetriebes mit dem Namen Seamless Shift Gearbox könnte man durchaus als überirdisch schnell bezeichnen, wir belassen es jedoch in Anbetracht dieses Exoten schlicht bei „angemessen“.
Sollten Sie erwägen, die Gänge über die Schaltwippen zu wechseln, sollten Sie sich auf den ein oder anderen Nackenschlag einstellen. Was für den Fahrer eine helle Freude ist, sorgt bei dem Beifahrer nicht immer für die übermäßige Ausschüttung von Endorphinen.
Ein Fahrwerk nicht nur für die Rennstrecke…
Dass der 650S schnell, ja sehr schnell ist, haben wir geklärt. Dass er dank seiner Karbon-Keramik-Verbundbremse eine brutale Verzögerung gewährleistet, haben wir ebenfalls angeführt. Doch der wesentliche Teil, welcher den Zustand zwischen positiver und negativer Beschleunigung erheblich beeinflusst, ist das Fahrwerk eines Fahrzeugs. So überrascht es nicht, dass der britische Supersportler aus fahrerischer Sicht so gut auf die Rennstrecke passt, wie einst Hans-Joachim Stuck nach Le Mans.
Doch der Brite erweist sich als flexibel: Selten hat eine Ausfahrt mit einem Supersportwagen dieser Klasse über deutsche Landstraßen so viel Spaß gemacht. Kommod federnd und angenehm im Handling kommt der Fahrer auch in den Genuss der Landschaft, bei geöffnetem Dach weht eine leichte Brise durch den Innenraum – nie zu viel, aber genug, um die olfaktorischen Einflüsse ausreichend wahrzunehmen. Erstaunlicher Alltagskomfort.
Fazit – Exklusiv-Bolide mit Spaßgarantie
Mit der entsprechenden Brieftasche ausgestattet ist der McLaren 650S Spider eine durchaus sinnvolle Investition. Betrachtet man die Exklusivität und die nicht zu verachtende Alltagstauglichkeit, so erhält der solvente Kunde ein Fahrzeug, das abseits des Mainstream fährt – einen Rennwagen mit britischem Understatement „on demand“ in Bezug auf das Handling, aber mit einer Außenwirkung, die ihresgleichen sucht.
Das jedoch mit Abstand schönste an einem McLaren 650S Spider ist sein Charakter. Der 3,8-Liter-V8 pariert aufs Wort. Mit ihm wird jeder Ausflug zum Erlebnis. Vom gemütlichen Cruisen über die Landstraße über den kleinen Einkauf beim örtlichen Supermarkt bis hin zum Vollgas-Inferno auf der Autobahn oder gar Rennstrecke – alles ist möglich und nur abhängig vom Willen des Fahrers. Ein Charakter also, der sich dem seines Fahrers anpasst – eine schöne Seltenheit, die ihren Preis hat.
Zudem sucht man in der Konkurrenz vergebens nach einem Fahrzeug, welches derart polarisiert. Gezückte Smartphones und große Augen am Straßenrand sind Alltag für den McLaren 650S Spider – das stört ihn nicht. Den Fahrer sollte es ebenfalls nicht stören. Im Gegenteil. Er ist wunderbar. Und wunderbar rar.
Text/Fotos: NewCarz
Technische Daten: McLaren 650S Spider
Länge x Breite x Höhe (m): 4,51 x 1,91 x 1,20
Motor: Achtzylinder-V-Motor; Biturbo-Aufladung
Leistung: 478 KW (650 PS)
Hubraum: 3.799 ccm
Max. Drehmoment: 678 Nm
Getriebe: 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
Antrieb: Heckantrieb
Durchschnittsverbrauch (NEFZ-Norm): 11,7 L/100 km
CO2-Emissionen: 275 g/km
Abgasnorm: Euro 6
Höchstgeschwindigkeit: 329 km/h
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 3,0 Sekunden
Leergewicht: 1.370 kg
Kofferraumvolumen: 144 l
Kraftstofftank: ca. 72 Liter
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