Seit Ende 2018 soll die mittlerweile vierte Generation des erfolgreichen Ford Focus im nunmehr 21. Jahr der Modellgeschichte die Erfolgsstory fortsetzen.
Rekordverdächtige Verkaufszahlen – vor allem zwischen 2012 und 2014 zeigen, dass Ford mit dem Focus bisher wohl alles richtig gemacht hat. Ob dies weiterhin der Fall ist, wollen wir überprüfen.
Wir testeten den Ford Focus ST-Line mit einem 1.0 EcoBoost Dreizylinder Benzinmotor. Nachfolgend unser Ergebnis als Fahrbericht.
- Exterieur
- Interieur
- Motor und Fahreigenschaften
- Ausstattung, Komfort, Sicherheit
- Varianten und Preise
- Fazit
- Technische Daten
Exterieur – Reifeprüfung bestanden
Ein Kompaktklassemodell hat es heutzutage nicht leicht, zumal der Platzhirsch VW Golf und auch der Astra oder die immer stärker werdenden Koreaner für mächtig Konkurrenz sorgen. Das weiß man auch bei Ford und daher sieht man bereits optisch, dass der aktuelle Focus komplett neu entwickelt wurde.
Markante Linien unterstreichen eine jetzt auffallend dynamische Form und insgesamt wirkt der Ford Focus selbstbewusst, ja satt auf der Straße liegend. Liegend ist das Stichwort, denn gegenüber dem Vorgänger kauert sich der Ford Focus 15 Millimeter näher an die Asphaltgrenze. So tief wirkte kein Focus zuvor.
An der Front zeigt der Kölner seinen großen Kühlergrill in Ford-typischer Form, die von den nahtlos integrierten Scheinwerfern flankiert werden.
Die Seitenansicht ist den Kölnern in der Tat gelungen, denn die Windschutzscheibe schwingt sich förmlich in das kuppelartig anmutende Dach, welches nun wieder gen Heck stark abfällt. Das Greenhouse wirkt nicht mehr so zerklüftet wie beim Vorgänger, eher als Einheit. Dynamik hat er im Profil – keine Frage. Übrigens erhöhte sich der Radstand um satte 53 Millimeter, was man auch von außen sieht und für den Innenraum sicher vorteilhaft sein wird – dazu kommen wir gleich.
Vorher betrachten wir das Focus-Heck und bescheinigen auch hier eine zeitgemäße, moderne Formgebung. Dass der Modellname nun auch hier in Versalien am Heckdeckel prangt, ist dem aktuellen Trend zu verdanken und mehr als gerecht werdend. Dass die Aerodynamik berücksichtigt wurde, verraten neben Luftleitblechen an den Seiten auch der formschön integrierte Dachkantenspoiler. Das Finish übernehmen ein angedeuteter Heckdiffusor sowie ein Doppelendrohr.
Interieur – Quer ist mehr
Auch im Innenraum zeigt sich der frische Wind der neuen Generation. So gestaltet sich der Armaturenbereich im getesteten Ford Focus ST-Line auch ganz trendgemäß in einer horizontalen Ausprägung. Ähnlichkeiten zum Fiesta sind unübersehbar, doch das ist ein echter Pluspunkt, denn die klare Strukturierung gefällt sofort und lässt die unmittelbare Orientierung zu.
Der mittig platzierte, frei schwebende Touchscreen sitzt weit oben, sodass man sich als Fahrer die Infos aus dem Blickwinkel holen kann, ohne dabei zu lange den Blick von der Straße nehmen zu müssen. Den Rest übernimmt das analoge Cockpit mit dem farbigen Multi-Infodisplay sowie das ebenfalls farbige Headup-Display.
An den Sitzen gibt es nichts zu bemängeln, ebenso an der Sitzposition. Die hohe Gürtellinie gibt dabei den Insassen einen fast schon geborgenen Eindruck. Vorne geht es sehr geräumig zu und die Sitz- und Lehnflächen bieten auch größeren Personen genügend Raum zur Entfaltung. Hinten profitiert wie erwartet die Beinfreiheit am meisten vom Zuwachs des Radstands. Dafür wird es spätestens ab 1,85 Meter Gardemaß knapp mit der Kopffreiheit – das abfallende Dach fordert seinen Tribut.
Bei den Materialien hat Ford überwiegend auf Softtouch-Oberflächen gesetzt, was für eine angenehme Haptik sorgt und auch die Wertigkeit vermittelt, die man heutzutage erwartet. Als ST-Line erfreut das Auge eine Heerschar an roten Kontrastnähten, die sich von den Sitzbezügen über die Türverkleidungen bis zum superdick aufgepolsterten Lenkrad ziehen.
Die Mittelarmlehne vorne ist längs verstellbar, die Höhe bleibt unveränderlich vorgegeben. Davor gibt es ein per Rollladen abdeckbares Fach für Getränke, welche mit stufenlos arretierenden Spangen gehalten werden, was sich als sehr praktikabel erwies.
Der Kofferraum im Ford Focus ST schluckt von 341 bis zu 1.320 Litern, was ihm einen Platz im Mittelfeld der Kompakten beschert. Positiv aufgefallen sind die recht niedrige Ladekante sowie die an beiden Seiten vorhandenen Zuziehhilfen an der Heckklappe.
Motor & Fahreigenschaften – Aller guten Dinge…
…sind in diesem Fall tatsächlich Drei. Denn der 1.0-Liter EcoBoost Benziner mit seinen drei Zylindern hat uns im Test sehr positiv überrascht. Dass man richtig gute Dreizylinder bei Ford baut, hatten wir spätestens beim Test des Fiesta ST bemerkt. Doch es geht auch in kleineren Ausbaustufen, wie wir hier feststellen konnten.
Der Benziner mit seinen 125 PS und 170 Newtonmetern fühlt sich in allen Lebenslagen quicklebendig an und ehrlich: Diese nackten Zahlen täuschen hier gewaltig. In Verbindung mit dem herrlich knackig schaltenden Sechsgang-Handschaltgetriebe macht dieser kleine Motor enorm viel Spaß und das Beste daran ist, dass er sich grundsätzlich potenter anfühlt, als es die Leistungsdaten suggerieren.
Dabei hält er sich auch noch angenehm akustisch zurück und lässt nur bei sehr hohen Drehzahlen den typisch rauen Dreizylinderklang durchsickern. Da es sich beim Testfahrzeug um ein ST-Line handelte, kam hier ein Sportfahrwerk zum Einsatz. Die Abstimmung des Fahrwerks ist tadellos, sehr gut austariert und von angenehmer, nicht übertriebener Härte. Damit giert der Ford Focus ST-Line förmlich nach jeder Kurve und verschlingt sie dann auch mit einer bemerkenswerten Agilität.
Auch die extrem direkte Lenkung mit ihrem klaren Feedback trägt einen nicht unbeträchtlichen Teil dazu bei. Das Kurvenverhalten und die Straßenlage lassen jeden Zweifler bereits nach wenigen Metern verstummen. Untersteuern ist hier kaum möglich – wer ab und an auf dem Track unterwegs ist, kann den Focus bei abruptem Lastwechsel sogar mal übersteuernd aus der Reserve locken.
Aber in Summe wird hier klar: Dieses Fahrwerk ist für weit mehr Leistung vorgesehen und der uns hier zur Verfügung stehende Antrieb kann den Focus nur im Ansatz an der Fasson kratzen. Die optionale adaptive Dämpferregelung hilft übrigens, wenn man mal etwas zurückhaltender unterwegs sein möchte und erweicht die Stoßdämpfer in diesem Fall etwas.
Laut Datenpapier benötigt der Focus zehn Sekunden auf Tempo 100 – wir finden, dass es sich schneller anfühlt. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 200 km/h – unser Tacho zeigte da 210 km/h an. Überraschend: Selbst in diesen Geschwindigkeitsbereichen ist der Focus nicht über Gebühr laut und lässt sogar noch unangestrengte Unterhaltungen zwischen den Insassen zu.
Beim Kapitel Verbrauch gibt es ebenso nichts zu beanstanden. Den Ford Focus ST-Line als 1.0 EcoBoost mit einer sechs vor dem Komma zu fahren, ist überhaupt kein Hexenwerk. Vorausschauende Fahrweise und viel Zurückhaltung werden sogar mit fünf Litern belohnt. Wer dem Focus alles abverlangt, wird ihn dagegen nie über zehn Liter bringen. Das geht nicht einmal mit der Brechstangenmethode.
Ausstattung, Komfort und Sicherheit
Die ST-Line bringt bereits ab Werk eine gutsortierte Ausstattung mit. Neben diversen Annehmlichkeiten, schaffen auch viele Assistenten ein hohes Maß an Sicherheit an Bord des Kompakten. Neben Totwinkelassistenten und einem im Test perfekt agierenden Parkpiloten, gibt es auch exotischer anmutende Helfer, wie eine Falschfahrer-Warnung, die per Navigation und Kamera erkennt, falls ein Verkehrsteilnehmer in falscher Richtung unterwegs ist und in einem solchen Fall entsprechend Alarm schlägt.
Sehr gefallen hat uns der intelligente Tempopilot, der neben der automatischen Abstandshaltung zum Vordermann auf Wunsch auch die aktuell geltende Höchstgeschwindigkeit mit einbeziehen kann. Dabei greift er auf die Verkehrszeichenerkennung zurück und passt die gefahrene Geschwindigkeit entsprechend an.
Dabei hat der Fahrer sogar die Möglichkeit eine Toleranz vorzugeben. Das heißt, gelten 50 km/h, kann man dem System mitteilen, das man anstelle der 50 eben 51, 55 oder 60 oder gar 70 fahren möchte. Die Verantwortung liegt eh beim Fahrer und einen Fünferschritt finden wir auch noch gut, da die Tachos in fast allen Fällen vorgehen.
Das Infotainmentsystem gefiel mit einer einfachen und klar gegliederten Bedienung, wobei große Buttons auch eine sichere Handhabung während der Fahrt ermöglichten. Vernetzung ist dank Wifi, Apple CarPlay und Android Auto kein Thema im Ford Focus ST-Line. Einziger kleiner Grund für Kritik bleibt da an der relativ langen Zeitspanne hängen, die das System benötigt, bis das Bluetooth-Freisprechsystem soweit ist und neben dem Laden von Anruf- und Kontaktlisten auch die grundsätzliche Einsatzbereitschaft mitteilt – Dauer dieses Unterfangens beträgt gut eine Minute.
Ebenso positiv fiel das Headup-Display auf, das mit farbiger Darstellung auf einer Scheibe aus Plexiglas die wichtigsten Funktionen direkt in das Blickfeld des Fahrers bringt. Nur die Justiereinstellungen des HUDs warf Fragen auf, da dies nicht wie erwartet, über den Bordcomputer direkt stattfindet, sondern unsinnigerweise ein extra Button in der Mittelkonsole diese Einstellungsmenüs aufruft.
Die LED-Scheinwerfer, die vom Design ein kleines bisschen an die eines Volvo erinnern, sorgten nachts für eine sehr helle und fleckenfreie Ausleuchtung. Einzig die Reichweite des Fernlichts könnte eine Idee großzügiger ausfallen. Insgesamt gehört das Licht im Ford Focus ST-Line aber definitiv mit zu den Besten seiner Klasse. Die Nebelscheinwerfer – ebenfalls mit LED-Technik ausgestattet – übernehmen zusätzlich die Funktion des Abbiegelichts.
Einen sehr positiven Eindruck hat die Bang & Olufsen-Soundanlage hinterlassen. Kein Vergleich zum Pendant im Ford EcoSport, wo wir nach dem Soundcheck eher enttäuscht waren. Hier scheint die Abstimmung akribisch durchgeführt worden zu sein und man wird mit einem sehr lebendigen Klang belohnt, der mit druckvollem Bass und natürlichen Mitten serviert wird. Die Höhen bleiben lange Zeit klar, neigen nur bei höchsten Pegeln zum Klirren. Insgesamt eine sehr empfehlenswerte Option.
Neben der Sitzheizung liefert auch die Lenkradheizung extrem schnell wohlige Wärme auf Knopfdruck. Hier gibt’s einen Daumen nach oben.
Die induktive Ladestation in der Mittelkonsole hatte während des gesamten Testzeitraumes nie Aussetzer beim Laden von Mobilgeräten. Ebenso keine Aussetzer gibt’s beim schlüssellosen Zugang, welches hier am Focus – und jetzt kommt’s – sogar an den Türgriffen der Hintertüren Sensoren besitzt. So etwas bleibt normalerweise eher den höherwertigen Fahrzeugklassen vorbehalten.
Gut gemeint sind sicherlich die Türkantenschoner, die analog wie bei einem Kodiaq beim Öffnen der Türen ausfahren und sich um die Türkante legen. Allerdings ist der Vorgang hier von wenig Vertrauen erweckenden Klappergeräuschen begleitet und bei näherer Betrachtung ist die gesamte Konstruktion etwas windig erscheinend. Da bleibt die Frage offen, wie lang es wohl dauert, bis diese Türschoner den Lack der Türkanten durch ihren extrem wackeligen Aufsitz heruntergeschliffen haben.
Varianten und Preise des Ford Focus ST-Line
Die ST-Line als sportive Variante des Fünftürers beginnt bei 25.500 Euro und liegt damit 6.800 Euro über dem Einstiegsmodell, dem Focus Trend. Als Kombi Turnier kostet der ST-Line 1.200 Euro mehr.
Wichtig: Aktuell bietet Ford eine Aktion an, bei der die ST-Line als Fünftürer bereits ab 21.500 Euro und der Turnier ab 22.900 Euro erhältlich ist.
Serienmäßg besitzen alle ST-Line bereits das Navigationssystem mit 8-Zoll-Bildschirm inklusive Ford Sync 3, das ST-Line Body-Styling-Kit, Sportsitze, Alu-Pedalerie, 17-Zoll-Räder, Keyless, Parkpilot und vieles mehr.
Als Motorisierungen stehen drei Benziner und zwei Diesel bereit:
- Als Benziner stehen ein 1.0 EcoBoost mit 125 PS, ein 1.5 EcoBoost mit 150 PS und ein 1.5 EcoBoost mit 182 PS zur Verfügung, die wahlweise mit dem im Test tadellosen Sechsgang-Handschaltgetriebe, oder zu einem Aufpreis von 1.900 Euro mit der neuen 8-Stufen-Automatik kombiniert werden können.
- Als Diesel stehen der 1.6 EcoBlue mit 120 PS und der 2.0 EcoBlue mit 150 PS zur Verfügung. Auch die Selbstzünder können wahlweise als Handschalter oder mit Automatik geordert werden. Der große Diesel ist gleichzeitig die teuerste Motorisierungsvariante und beginnt bei 29.400 Euro.
Fazit – Großes Herz für Kompakten mit kleinem Herz
Das Resümee dieses Tests in Anknüpfung an bestehende Fahrberichte: Ford kann Dreizylinder! Mit dem Ford Focus ST-Line zeigt der Hersteller seine lange Erfahrung im Segment der Kompaktklasse und bietet einen stramm-dynamischen, zeitgemäßen Begleiter mit vernünftigem Motor und attraktivem Preis an.
Der 1.0 EcoBoost wird allen täglichen Anforderungen vollkommen gerecht und erwies sich im Test als gut zum Focus passender Motor. Durch das jede Lobhudelei verdienende Fahrwerk wirkt der Focus auch mit dem kleinen Motor agiler als ein Golf mit ähnlicher Motorisierung, reicht aber nicht an dessen Komfort heran. Aber dennoch:
Die Ausstattung des Testwagens konnte sich absolut sehen lassen und das Preis-Leistungs-Verhältnis lässt die Konkurrenz sicherlich neugierig aufschauen, wenn man bedenkt, dass die Platzhirsche im Segment bei entsprechender Ausstattung einige Tausender mehr kosten.
Besonders spannend für Vielfahrer dürften auch die Dieselversionen sein, während Sportfans definitiv einen Blick auf den kommenden ST werfen sollten. Denn das Zeug dazu hat bereits dieses ST-Line-Fahrwerk.
Kamera: Canon EOS 6D
Technische Daten: Ford Focus ST-Line 1.0 EcoBoost
Farbe: Polar-Silber-Metallic
Länge x Breite x Höhe (m): 4,39 x 1,83 x 1,45
Radstand in mm: 2.700
Antrieb: Dreizylinder Ottomotor mit Abgasturbolader
Leistung: 92 kW (125 PS) bei 6.000 rpm
Hubraum: 998 ccm
Max. Drehmoment: 170 Nm bei 1.400 rpm
Getriebe: 6-Gang-Handschaltung
Antrieb: Front
Verbrauch kombiniert (NEFZ- Norm): 4,8 L/100 km
Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 6,0 L/100 km
CO2-Emissionen (Herstellerangabe): 107 g/km
Abgasnorm: Euro 6d-TEMP
Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 10,0 sec
Kofferraum: 341 bis 1.320 Liter
Leergewicht: 1.322 kg
Wendekreis: 10,6 m
Anhängelast ungebremst/gebremst in kg: 660/1.100
Maximale Stützlast: 90 kg
Dachlast: 75 kg
Kraftstofftank: 52 Liter
Kraftstoffart: Benzin E5 oder E10 mit mind. 95 Oktan
Neupreis des Testwagens: ca. 31.470 Euro (Einstiegspreis ST-Line ab 25.500 Euro)
Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.