Gran Turismo – man kennt diese meist zweitürigen Vertreter von diversen Herstellern und in verschiedenen Leistungsklassen, doch wirklich niemand bietet das, was der McLaren GT in petto hat.
Motor vorne, Kofferraum hinten und viel Luxus für die lange Strecke. Dies sind erst einmal die Grundgedanken, die einem in den Sinn kommen, wenn man die beiden Buchstaben „G“ und „T“ hintereinander hört.
Doch McLaren hat mal eben gebrainstormt und all den konventionellen Kram über Bord geworfen, um das Thema Gran Turismo neu zu interpretieren. Bühne frei für den Über-GT aus Woking, der zu unserem Test in einem fast schüchtern wirkenden Cirrus Grey vorfuhr. Fahrbericht.
Exterieur – Südenglisches Understatement
Zugegeben, auch wir mussten bei dieser Überschrift ein wenig schmunzeln. Aber ganz so aus der Luft gegriffen ist sie nicht. Immerhin zeigt sich unser silbergrauer Protagonist relativ dezent – jedenfalls für einen McLaren. Vergleicht man ihn mit seinen martialischen Brüdern 570S und 720S, so fördert er eine Prise Understatement zutage, bleibt dabei aber immer noch außerordentlich auffällig.

Mit dem 720S teilt er sich übrigens das Carbon-Monocoque, sodass am Ende des Tages nur 1.530 Kilogramm auf der Waage stehen. Die meisten GT´s sind deutlich schwerer, weil deutlich pompöser. Ein vergleichbarer BMW M850i xDrive wiegt knapp 450, ein Bentley Continental GT V8 S fast 800 Kilogramm mehr.

Die Front ist markentypisch geduckt und wirkt aus jedem Winkel betrachtet, einschüchternd. Ultraschmale Scheinwerfer scheinen stets ein Auge auf alles und jeden zu werfen, während die großen (aber nicht überdimensionierten) Lufteinlässe wie Kiemen auf den jeweiligen Betrachter erscheinen.

Ansonsten hält sich die optische Brachialität in Grenzen, bei genauerer Inaugenscheinnahme gibt sich der Brite filigran gestaltet und strahlt eine ungebrochene Noblesse aus. Das ändert sich auch beim Blick auf die Seitenpartie nicht, hier wird eine makellose und vor allem schnörkellose Silhouette dargeboten, welche durch den gedeckten Farbton signifikant subtiler als bei anderen Modellen der Marke pointiert wird.

Und zwar so subtil, dass selbst die 20-Zoll-Räder mit den darunter befindlichen, mächtigen Bremsscheiben sofort ins Auge fallen. Beibehalten wurde indes die kuppelartige Fahrgastzelle, die wie ein abgeschirmter Bereich wahrgenommen wird.

Am Heck gibt es dann ebenfalls eine Überraschung. Anstelle von großen Spoilern oder starker Zerklüftung gibt es hier vor allem eines: Symmetrie. Eine schicke Heckpartie mit großer Glasscheibe und straight-horizontal gestalteten Rückleuchten, die sich fast unsichtbar in die Lüftungsgitter einfügen – so, nur martialischer wurde dies auch beim 720S realisiert – dominiert diese Ansicht. Hinzu kommen große, aber wohl proportionierte Endrohre – eins pro Seite, man möchte ja nicht protzen.

Wie wir schon beim McLaren 720S Spider feststellen mussten, bleibt auch GT-Fahrern der Blick auf das Herzstück verwehrt. Nur Hinterherfahrende können durch die unteren Lüftungsgitter einen Teil des V8-Motors erspähen.
Interieur – Express-Lounge für Zwei
Im Innenraum des zweisitzigen McLaren GT gibt es überaus bequemes Gestühl und schon beim Entern wird schnell klar, dass man hier keine großen akrobatischen Fähigkeiten benötigt. Einmal Platz genommen, offerieren die Sitze einen Heizung sowie elektrische Verstellmöglichkeiten, deren Unterbringung – gelinde gesagt – suboptimal ist. Aber das kennen wir ja von McLaren bereits und irgendwie würde diese bestimmte Portion britischer Humor dann doch irgendwie fehlen.

Das Lenkrad liegt übrigens sehr gut in den Fahrerhänden, während die dahinter befindlichen Schaltwippen aus einem Stück gefräst wurden. Der Blick fällt auf ein digitales Cockpit, welches den Fahrer mit allen notwendigen Informationen versorgt.
Ansonsten zeigt sich der McLaren GT absolut markentypisch. Ein freischwebender Zentralbildschirm im Hochformat, runde Lüftungsdüsen und jede Menge Sicheln, die sich in Form von diversen kleinen Designs wiederfinden lassen. In jedem Fall hatten die Designer hier viel Spaß.

Die darunter befindliche Einheit für die Gangwahl und die Fahrprogramme ist ebenfalls aus anderen Modellen der Marke bekannt. Besonders charmant ist die neu eingezogene Ambientebeleuchtung, welche unter anderem eine Metallleiste beinhaltet, deren McLaren-Schriftzug dezent illuminiert wird. Gewählt werden kann zwischen sechs Farben.
Der McLaren GT verfügt zudem über mehrere clevere Ablagemöglichkeiten, die wir während des Testzeitraums gerne genutzt haben. Neben den beiden (!) Getränkehaltern, gibt es überdies praktische Ablagen in den Türen sowie ein beleuchtetes Handschuhfach und ein weiteres Fach in der Mittelkonsole.

Besonders spannend sind die beiden Kofferräume des McLaren GT. Sowohl vorne als auch hinten bietet der Supersport-GT Stauraum, was nicht selbstverständlich, aber umso schöner für seine Interessenten sein dürfte.
Vorn offeriert der Brite 150 Liter Ladevolumen. Ideal für beispielsweise einen Handgepäckkoffer, Kleidersäcke oder die beiden Weekender. Nachdem die hintere Heckklappe elektrisch aufgeschwenkt ist, werden weitere 420 Liter freigegeben. Hier passen unter anderem mehrere Koffer, ein Skisack oder andere Dinge hinein.

Von einer starken Zerklüftung mag man hier nicht sprechen, doch einen ebenen Ladeboden darf man nun auch nicht erwarten. Aus Sicht der Redaktion eignet sich der GT daher als idealer Wochenend-Ausflügler, der das Gepäck von zwei Reisenden locker unterbekommt. Ein Packesel ist er hingegen nicht, aber das hat auch niemand erwartet, geschweige denn verlangt.
Wir kennen dieses Prinzip übrigens schon von einem anderen Fahrzeug. Vor einiger Zeit hatten wir den McLaren 570GT für einen Test in der Redaktion und schon dieser griff das Thema Gran Turismo gekonnt auf.
Allerdings fehlte diesem noch der gewisse Feinschliff und manche Lösungen waren nicht ideal umgesetzt. Wir erinnern uns immer noch an die sich stark erwärmende Luxus-Handtasche einer Kollegin, welche diese im hinteren Kofferraum platzierte und die von dem Achtender ordentlich aufgeheizt wurde.
Motor & Fahreigenschaften – Ist das noch Gran Turismo?
Dass ein McLaren auch mit dem GT-Zusatz nicht als softer Altherren-Cruiser daherkommt, war abzusehen. Dass er den Vierliter-V8 aus dem 720S bekommt, aber ebenso wenig. Mit 620 PS und 650 Newtonmeter leistet er hier zwar weniger, doch dies reicht noch immer für wahnsinnig gute Fahrleistungen.

Aus dem Stand geht es in 3,1 Sekunden auf Tempo 100, die 200-km/h-Marke ist bereits nach 8,8 Sekunden passé. Schluss mit Vortrieb ist erst bei 326 Stundenkilometern. Werte, die als erstes an einen Supersportwagen erinnern und nicht an einen Gran Turismo. Aber genau das meinten wir eingangs mit der „eigenen Interpretation“.
Wir beginnen unsere Testfahrt im urbanen Gefilde und erfreuen uns zunächst über die gute Rundumsicht. Das gefällt ungemein, der McLaren lässt sich viel einfacher manövrieren, als man vermutet.

Dazu gehört auch die Leichtigkeit seines Wesens, weder ist die Lenkung zu schwergängig, noch die Gasannahme zu übermotiviert. Lediglich die Bremse benötigt ordentlich Pedaldruck, aber das erlernt der Fahrer nach kurzer Zeit Stadtverkehr ganz automatisch.
Dass der McLaren GT eine weitere Besonderheit mitbringt, stellen wir ebenfalls nach kurzer Zeit fest: Das Fahrwerk des Briten ist überaus ausgewogen, teilt dem Fahrer zwar stets den Zustand der Straße mit, doch schüttelt seine Insassen nicht bei jedem Gullydeckel durch. Sehr gut.

Abseits der Stadt folgt dann ein weiteres Lob, was auf einer Annahme beruht, die wir schon vor Beginn des Tests hatten. Auch dieser McLaren wartet – wieder einmal – mit einer extrem präzisen Lenkung auf. Egal, wie man den Briten traktiert, skalpellartig schneidet man sich förmlich an der Ideallinie entlang, was den versierten Fahrer zu höchsten Lobeshymnen inspiriert und den weniger kundigen Fahrer ungeahnte Fertigkeiten erlernen lässt. Doch bitte vorsichtig, auch dieser Hecktriebler hat seine (Traktions-) Grenzen.

Auf der Autobahn angekommen, schalten wir den Briten auf scharf. Generell gilt bei McLaren: Powertrain und Handling können voneinander getrennt in drei verschiedene Modi bewegt werden. Nur wer weiß, was er tut, sollte bei beiden die Einstellung „Track“ wählen. Dann sind die adaptiven Dämpfer im Beast Mode und das einst so sanfte und kaffeebecherverträgliche Fahrwerk zeigt, dass es hin und wieder auch Rennstrecke sein darf. Besonders bei trockener Straße baut der Über-GT ein ungeahntes Maß an Traktion auf, das ebenfalls von jedweder Gran-Turismo-Idee weit entfernt liegt – und doch enorm viel Spaß generiert.

Nun noch ein Wort zur Leistungsabgabe. Der McLaren GT sprintet in jeder Lebenslage nahezu allem vondannen, was so auf deutschen Autobahnen unterwegs ist. Dabei spielt die Ausgangsgeschwindigkeit keine Rolle. Selbst bei 220 Sachen setzt ein beherzter Tritt aufs Gaspedal enorme physikalische Kräfte frei – bis zum Topspeed von knapp 330 km/h.
Im Hochgeschwindigkeitsbereich verhält sich das Fahrzeug dabei sehr stabil und spurtreu. Dass dennoch höchste Aufmerksamkeit geboten ist, halten wir für selbstverständlich und erwähnen dies nicht weiter. Besonders auffällig ist die Ruhe im Innenraum, die dann wieder ebendem GT-Anspruch gerecht wird, den der Hersteller auch kommuniziert.

Widmen wir uns nun noch den Bremsen. Serienmäßig rollt der GT mit Stahlbremsen vor, die vermutlich für das Gros an täglichem Bedarf vollkommen ausreichen. Unser Testwagen verfügte über die optionalen Carbon-Keramik-Scheiben, die wir bereits von anderen Modellen kennen und die auch hier extrem brutal zupacken. Wer gern schnell fährt, braucht diese nicht unbedingt. Wer hingegen gerne sehr schnell – und gelegentlich auch mal auf die Nordschleife – fährt, sollte über die Investition nachdenken.

Als letztes möchten wir uns dem Thema Verbrauch widmen. Ein oftmals schwieriges Thema und nachdem Sie dieses Kapitel aufmerksam gelesen haben, ahnen Sie vermutlich Schreckliches. Beruhigen Sie sich, es gibt keinen Grund zur Sorge.

Wir fuhren den britischen GT mit durchschnittlich 12,5 Litern pro 100 Kilometer und waren dabei nicht zimperlich. Entspannte Zeitgenossen erreichen hier problemlos einstellige Werte. Auf unserer Sparrunde konnte sich der Achtender derweil mit 7,6 Litern zufrieden geben und wer ständig jenseits der 270 Sachen unterwegs ist, muss mit Werten zwischen 16 und 19 Litern rechnen. Allesamt akzeptable Werte, wie wir finden.
Technik & Assistenz im McLaren GT
Bereits ab Werk ist der McLaren GT alles andere als mager ausgestattet. So gibt es stets ein Navigationssystem mit guter Routenführung, digitales Radio DAB+ sowie die Smartphone-Koppelung per Bluetooth.

Ebenfalls an Bord ist eine Klimaautomatik sowie – je nach gewähltem Gestühl – eine Sitzheizung. Als besonders praktisch und hilfreich empfanden wir die Rückfahrkamera, die im Paket mit Parksensoren vorne und hinten kommt. Sie erleichtert das Rangieren enorm und auch wenn der GT recht übersichtlich ist – spätestens im Parkhaus rentiert sich diese Investition.

Genauso hilfreich sind die elektrisch anklappbaren Außenspiegel, die sich im Falle des McLaren GT auch formschön anlegen. Somit wird auch hier das Risiko für eventuelle Parkschäden minimiert, was besonders im urbanen Bereich von Vorteil ist.

Wer oft Tiefgaragen und steile Aus- und Einfahrten meistern muss, sollte den sogenannten Vehicle Lift konfigurieren. Hierbei wird der Vorderwagen angehoben, was unschöne Berührungen vermeidet.

Das Soundsystem aus dem Hause Bowers & Wilkins verfügt über zwölf Lautsprecher und gilt als Empfehlung der Redaktion. Wie von B&W gewohnt, offeriert das System einen natürlichen, druckvollen Klang, welcher nicht nur auf langen Reisen eine wohltuende, akustische Bereicherung darstellt.

Zuletzt möchten wir den Voll-LED-Scheinwerfern ein Lob aussprechen. Die Anbauhöhe ist hier wirklich sehr tief und wir waren überaus erstaunt, wie weitläufig sich der Lichtteppich erstreckte. Hinzu kommt eine sehr gute Homogenität sowie der Umstand, dass die Leuchten nun auch über Kurvenlicht verfügen, was in unserem Praxistest ein deutliches Plus an Sicherheit bot.
Fazit zum McLaren GT
Der Neuzugang aus Woking konnte in unserem Test als prädestinierter Langstrecken-Supersportwagen überzeugen. Doch er kann noch so viel mehr. Seine Einsatzzwecke sind vielfältig, der heißblütige CEO kann dieses Gerät auch gern als täglichen Begleiter für den Weg zum Büro nutzen.
Dabei halten sich die Abstriche, die seitens des Fahrers gemacht werden müssen, in Grenzen. Wer nicht die Platzverhältnisse einer Limousine erwartet oder den Stauraum eines SUVs, wird von dem McLaren nicht enttäuscht.

Wirft man einen Blick auf die Fahrleistungen, so bleibt als einzig wahrer Konkurrent der Porsche 911 Turbo übrig. Im Vergleich zu diesem gibt es jedoch serienmäßig den Exotenbonus, der aus Sicht der Redaktion nicht zu verkennen ist.
Legt man zudem seinen loyalen und gutmütigen Charakter zugrunde, so darf sich der McLaren GT als einer der kompromissbereitesten und gleichzeitig spannendsten Modelle bezeichnen. Einreihen tut er sich dabei so oder so in eine Liga, die nur aus außergewöhnlichen Gentleman besteht.

Um auf unseren Titel zurückzukommen: Trotz aller Alltagstauglichkeit ist der McLaren GT ein waschechter Supersportwagen. Nur eben einer, der auch anders kann. Und das wird seine Kundschaft sehr zu schätzen wissen.
Kamera: Canon EOS 6D
Technische Daten: McLaren GT
- Farbe: Cirrus Grey
- Länge x Breite x Höhe (m): 4,68 x 2,05 x 1,21
- Radstand (mm): 2.675
- Motor: Achtzylinder-V-Motor
- Leistung: 456 kW (620 PS)
- Hubraum: 3.994 ccm
- Max. Drehmoment: 630 Nm
- Getriebe: 7-Gang Doppelkupplungs-Getriebe
- Antrieb: Heckantrieb
- Durchschnittsverbrauch (WLTP): 11,9 L/100 km
- Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 12,5 L/100 km
- CO2-Emissionen (Herstellerangabe): 270 g/km
- Abgasnorm: Euro 6d
- Höchstgeschwindigkeit: 326 km/h
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 3,2 Sekunden
- Leergewicht (kg): 1.530
- Kofferraumvolumen (l): 150 (vorne) + 420 (hinten)
- Wendekreis (m): 12,1
- Kraftstoffart: Super Plus E5
- Neupreis des Testwagens: ca. 235.000 Euro (Grundpreis GT: 198.000 Euro)

Sorgt seit 2015 stets für den „Nachschub“ an automobilen Neuigkeiten, ob als Modellpremieren, Modellpflege oder strategische Neuausrichtung von Herstellern – um nur einige zu nennen. Sein enger Draht zu den Herstellern ist ein Garant für brandneue Informationen und Autonews aus erster Hand. Seine automobile Vorliebe gehört vor allem den gut motorisierten Cabrios und Coupés dieser Welt.
Gutes Fahrzeug, guter Artikel – gerne mehr davon 👍