Gut vier Monate sind seit unserer ersten Begegnung mit dem Rolls-Royce Cullinan vergangen – Zeit das Über-SUV auch zu fahren.
Und auch nach dieser Zeit, hat dieses Premiumfahrzeug nichts von seiner beeindruckenden Erscheinung verloren. Nach wie vor verlangt es jedem Betrachter den gebührenden Respekt ab, den es nicht allein mit seinen Dimensionen einfordert.
Einen Schritt weiter als bei einem Rohdiamanten – Cullinan ist der Name des größten jemals gefundenen Rohdiamanten – scheint man diesem besonderen Vehikel einen extraordinären Schliff gegeben zu haben und überschritt dabei Grenzen, die bislang bei Rolls-Royce unangetastet blieben.
Unsere Testfahrt fand mit einem Rolls-Royce Cullinan als Viersitzer statt. Erstkontakt.
Exterieur und Interieur
Wir möchten uns ungern wiederholen, da wir unsere Eindrücke zu diesem Prestige-Objekt bereits ausgiebig kommentierten. Dennoch gibt es bei diesem Modell einige wichtige Unterschiede. Denn als Viersitzer – im Fond gibt es zwei Einzelsitze – „Immersive Seating“ benannt – liegt der Fokus eindeutig auf dem für die Marke so typischen Komfort auch auf der zweiten Reihe.
Doch fangen wir mit den Äußerlichkeiten an. Die tiefschwarze Farbgebung namens Infiniti-Black macht ihrem Namen alle Ehre, denn man scheint sich in der Unendlichkeit dieses Metallic-Lacks förmlich zu verlieren. Extrem tiefgründig und satt wirkt daher das Außenkleid des Rolls-Royce Cullinan und lässt ihn dadurch noch kraftvoller, noch dominanter auftreten, als er es durch seine Dimensionen allein bereits vermag.
Elegant und prägnant setzt die Coachline an den Seiten des deutlich über fünf Meter an Länge messenden SUV einen extravaganten und erfrischenden Akzent in leuchtendem Mandarin – einem kräftigen Orange-Farbton.
Eine dreifarbige Komposition aus den Farben schwarz, Scivaro-Grey und kontrastierendem Mandarin erwartet den Betrachter im Innenraum. Allein der betörende Duft der erlesenen Materialien initiiert eine Ausschüttung an Dopaminen und Endorphinen, sodass man in einem Rolls-Royce Cullinan bereits durch die rein physische Anwesenheit im Innenraum eine gemütserwärmende Erfahrung macht.
Anschmiegsames Leder, sanfte, den Korpus regelrecht umschmeichelnde Sitze, butterweiches Lammfell als Teppichböden, offenporiges Blackwood-Edelholz und der wohlige Kontrast aus Akzentnähten und den Verkleidungen der Tür-Innentaschen in Mandarin: Hier steigt das Wohlbefinden innerhalb eines Wimpernschlags auf das erreichbare Maximum.
Viele Details erkennen wir aus dem Rolls-Royce Phantom wieder und erfreuen uns auch hier daran. Eine freundlich-helle Atmosphäre stellt zudem das große Panoramaglasdach sicher, welches man weit über die Hälfte der Glasfläche auch öffnen kann.
Hinten platziert, kommt man sich auf beiden der Einzelsitze vor, wie in einem Wellnestempel. Doch nicht nur der herausragende Sitzkomfort allein betört die Insassen hier, sondern eine facettenreiche Umgarnung mit Annehmlichkeiten, die keinerlei Wünsche mehr offen lässt.
Angefangen vom Rear-Theatre mit den großen, elektrisch ausfahrenden Bildschirmen, den vielfältigen Anschluss- und Abspielmöglichkeiten, die ebenso elektrisch ausfahrenden Tischlein mit Blackwood Holzfurnier veredelt, über die breite Mittelkonsole mit ihren strukturiert gegliederten Bedienelementen bis zu einem Fach unter der Armauflage mit einer Karaffe und zwei Gläsern aus Kristallglas – jedes Einzelne selbstverständlich mit dem RR-Logo verziert.
Doch damit nicht genug. Dahinter sitzt noch ein Kühlfach, das eine standesgemäße Flasche Champagner aufnimmt, die entsprechenden Champagner-Flûtes befinden sich bereits gut gekühlt an Bord. Vor neugierigen Blicken schützen Vorhänge aus Stoff, die elektrisch betätigt werden.
Am Heck gibt es eine separate Trennglasscheibe, die den Kofferraum komplett vom Fahrgastraum separiert. Sehr vorteilhaft, wenn dieser an kalten Tagen geöffnet wird und die Insassen vom Einströmen kühler Zugluft vom Ladeabteil bewahrt. Auch an dieser Trennscheibe befindet sich ein elektrisch bedienbarer Stoffvorhang.
Haben wir bereits erwähnt, dass alle vier Sitze im Rolls-Royce Cullinan beheizt und belüftet werden können und obendrein mit einer umfangreichen Massagefunktion ausgestattet wurden? Gut, haben wir.
Der Laderaum wird durch die zweiteilige Heckklappe zugänglich und kann auf Wunsch in vielerlei Hinsicht individualisiert werden. Beispielsweise kann man die bereits jetzt als Sitzgelegenheit nutzbare, untere Klappe mit zwei vollwertigen Sitzen versehen – ideal für Outdoor Aktivitäten.
Motor und Fahreigenschaften – Eleganz und Würde mit Allrad
Vorsicht, Spoiler vorweg: Mit einem Rolls-Royce Cullinan fährt man nicht, man gleitet über den Dingen. Allein das Starten und Losfahren mit diesem High End SUV lässt einen ehrfürchtig staunen. Eine allumfassende, alles wie eine sanfte Decke verhüllende Ruhe herrscht im Innenraum des Cullinan. Lässt man sowohl Multimedia als auch die Klimatisierung einfach mal aus, kann man die dann vorherrschende Stille kaum fassen.
Diese omnipräsente Entkopplung von der Außenwelt bleibt auch bei höheren Geschwindigkeiten bestehen. Doch wer glaubt, dass diese Entkopplung auch das Fahrverhalten betrifft, irrt sich gewaltig. Trotz dieser phänomenalen Hochkultur in Bezug auf Fahrkomfort, vermittelt die Lenkung jederzeit ihr klar definiertes Feedback und die bereits im Phantom grandios arbeitende Vierradlenkung lässt die gigantischen Außenmaße des Edel-Briten subjektiv auf Mittelklasseniveau schmelzen. Anders formuliert: Der große Rolls-Royce Cullinan fühlt sich für seine Größe überraschend handlich an.
So werden auch enge Kurven und dicht bebaute Gefilde nahezu zum Kinderspiel. Zu allem Überfluss blendet die Luftfederung alles aus, was die Fahrbahn einem Fahrwerk so antun könnte. Man fühlt sich wie auf Daunen gebettet. So wird das Fahrerlebnis für jeden weiteren Insassen auf alles andere fokussiert, als das Fahren selbst. Man vergisst sehr schnell, dass man momentan unterwegs ist und fröhnt lieber den Dingen, die der Cullinan zur Unterhaltung anbietet. Doch dazu kommen wir später.
Der 6.75-Liter-V12 säuselt fast unhörbar, lässt sich erst beim Abruf der 571 Pferde zumindest erahnen, ohne jemals geräuschtechnisch um Aufmerksamkeit zu bitten. Kraftvolle 850 Newtonmeter stehen bereits ab 1.600 Touren zur Verfügung und garantieren jederzeit einen kraftvollen und standesgemäßen Vortrieb. Wer es allerdings liebt, der sportiven Fahrweise zu frönen, wird deren Grenzen bei allzu ambitionierten Kurvenfahrten und hektischen Lastwechseln erkennen, für die dieses SUV nicht gemacht wurde.
Der eher sportlich ambitionierte Fahrer sollte hier einen Blick auf den Bentley Bentayga werfen, der zwar nicht den Luxus des Cullinan erreicht, aber allein durch seinen dank 48-Volt-Bordnetz gespeisten Wankausgleich deutlich agiler um jedes Eck stürmen kann.
Ein Cullinan bleibt stets gentlemen-like und absolut unaufgeregt in seinem Fahrverhalten. Und dies ist auch die allumfassende Bestimmung dieses SUV. Das fürstliche, unaufgeregte und dennoch kraftvolle Dahingleiten. Doch Moment, wir sprechen von einem SUV, da bleibt es nicht aus, die obligatorischen Features hierfür zu suchen. Fündig wird man auf der vorderen Mittelkonsole, wo sich die für einen Rolls-Royce so untypische, ja fremdartige Taste für den Offroad-Einsatz befindet.
Im Gelände kann das fast drei Tonnen schwere Gefährt noch einige Joker ins Spiel bringen und man hat unter anderem die Wahl zwischen reinem Vortrieb – ohne jedwede Assistenz, oder eben mit entsprechendem elektronischen Griff unter die Arme.
Im zeitlich begrenzten Erstkontakt haben wir den Abstecher ins Off bei einigen wenigen leichten Wegen über Gras und Schotter belassen. Hierbei sei angemerkt, dass dies erwartungsgemäß keine Hürde für den Allradler darstellt. Dabei fiel es selbst schwer, den akustischen Unterschied zu asphaltierten Wegen zu spüren, so zuverlässig halten die über einen halben Zentimeter dicke Akustikverglasung und über 100 Kilogramm Dämmmaterial alle äußeren Einflüsse im Zaum.
Das Verbrauchsverhalten des Rolls-Royce-Cullinan konnte in unserem Erstkontakt nicht validiert werden. Dazu haben wir das High-End-SUV zu wenig und zu einseitig bewegt. Ohne Autobahn, dafür viele Strecken innerorts, einige leichte Offroadpisten sowie ein durchweg laufender Motor – auch bei der Fotosession – ließ einen Durchschnittsverbrauch von etwas über 21 Liter zurück. Ob die Werksangabe mit 15 Litern auf 100 Kilometer passt, wird später in einem ausführlichen Test eruiert.
Ausstattung und Komfort
Vieles haben wir bereits in den vorherigen Kapiteln erwähnt, doch bleiben hier noch weitere Dinge, die unbedingt einer Erwähnung wert sind. Beispielsweise diese unfassbar vielen kleinen Details, die den Anspruch auf das Beste der Besten eindrucksvoll unterstreichen. Ein Streichen über die Lamellen der Lüftungsdüsen beispielsweise zeigt, dass diese aus massiven Metall gefertigt wurden.
Oder die für einen Rolls-Royce typischen, gegenläufig öffnenden Türen, die auf Knopfdruck selbstständig elektrisch zufahren und so sanft ins Schloss fallen, dass man meint, der Haupttresor in Fort Knox wäre soeben verriegelt worden. Die obligatorischen Regenschirme in den Türen tragen selbstverständlich die drei Farben des Interieurs und die über dem chromglänzenden Kühlergrill thronende Spirit of Ecstasy lässt sich elektrisch versenken.
Das digitale Cockpit und der große Touchscreen mit seinem Entertainmentsystem lässt die Moderne vollends in das SUV einziehen und dabei keine Wünsche offen. Der Eindruck der Liaison aus aktueller Digitaltechnik und traditionellem Design ist aus unserer Sicht überaus gelungen und die eher klassische Anmutung passt zu einem Rolls-Royce besser, als futuristisch anmutende Cockpits. Dadurch bleibt der Cullinan auch Innen durch und durch ein echter Rolls-Royce.
Ein absolutes Highlight stellt das Bespoke High-End-Soundsystem dar, dass auch hier in jeder Hinsicht zum Benchmark aufspielen kann. Ein kristallklarer, absolut natürlicher Klang mit auf Wunsch euphorischer Dynamik, lässt selbst Virtuosen fassungslos den Klängen ihres bevorzugten Genres lauschen. Selbst sündhaft teure High-End-Wohnzimmersysteme, die im deutlich sechsstelligen Bereich gehandelt werden, können hier nur handverlesen Paroli bieten. Mehr kann man eigentlich nicht erwarten.
Last, but not least: Der Cullinan ist der erste Rolls-Royce mit einer Anhängerkupplung. Diese fährt per Knopfdruck in schnellen drei Sekunden aus und das SUV nimmt bis zu 2,7 Tonnen an den Haken. Warum keine 3,5 Tonnen? Der Cullinan hat einen Aluminium-Frame Rahmen und nutzt nicht – wie oftmals falsch angenommen – dieselbe Grundplatte wie der BMW X7. Daher die kleine, aber eher vernachlässigbare Einschränkung. Im Fall der Fälle sollte dann das zweite Rennpferd von einem weiteren Cullinan oder eben beide von einem Bentayga gezogen werden, während der Besitzer den höchstmöglichen Komfort im Rolls-Royce genießt.
Der Preis der Krönung
Als Einstiegspreis bleibt es nach wie vor bei 265.000 Euro brutto. Doch man verriet uns, dass es im Grunde keine Bestellung eines Cullinan gibt, der in seiner Grundausstattung ausgeliefert wird – trotz der bereits exorbitanten Anzahl an Annehmlichkeiten und Technologien, welche mit dem Einstiegspreis einhergehen. Unser Testexemplar brachte es auf 368.925 Euro. Rechnet man die Umsatzsteuer hinzu, sind das knapp 440.000 Euro.
Fazit – Das Unerreichbare erreicht
Man mag es kaum glauben, doch wir fuhren einen Rolls-Royce erstmals mit Offroadfähigkeiten, erstmals mit einer – oder besser zwei Heckklappen, erstmals mit einer Anhängezugvorrichtung und all das, ohne irgendeinen Verlust der für diese Luxusmarke so eklatanten Merkmale, wie Kraft, Wohlfühlambinente, Ruhe, Statement auszumachen, welche allesamt auch hier in distinguierter Herrschaftlichkeit mündend den Cullinan ausmachen.
Der Rolls-Royce Cullinan erweist sich im Erstkontakt als Husarenstreich der Briten, die durch das Bewahren und der Neudefinition bewährter Traditionen ein Sports Utility Vehicle erschaffen haben, welches im Segment der Luxusfahrzeuge neue Maßstäbe zu setzen vermag. Jeder langjähriger Rolls-Royce-Fahrer wird sich hier wiederfinden und nirgendwo im Detail mit diesem Auto fremdeln. Genauso werden neue Interessenten mit geweckter Neugier eine Agglomeration an Highlights entdecken, die als vollendete Quintessenz den Rolls-Royce Cullinan ausmachen.
Auch wenn man für diesen Deus ex Machina einen exorbitant erscheinenden Preis verlangt, ist dieser auf den zweiten Blick absolut gerechtfertigt und zudem in diesen Sphären doch eher von sekundärer Bedeutung. Gediegener und ästhetischer fährt man aktuell jedenfalls mit keinem anderen SUV vor.
Text / Bilder: NewCarz
Kamera: Canon EOS 6D
Der Rolls-Royce Cullinan wurde uns freundlicherweise von der Thomas Exclusive Cars GmbH aus Dresden/Radebeul zur Verfügung gestellt. Wie immer, geht auch hier unser herzliches Dankeschön für die freundliche und professionelle Betreuung an die stets freundlichen und kompetenten Ansprechpartner der Rolls-Royce Motor Cars Dresden.
Technische Daten: Rolls Royce Cullinan
Farbe: Infinity Black mit Single Coach Line in Mandarin
Länge x Breite x Höhe (m): 5,32 x 2,00 x 1,84
Radstand in mm: 3.295
Antrieb: V12-Biturbo-Ottomotor
Leistung: 420 kW (571 PS) bei 5.000 rpm
Hubraum: 6.749 ccm
Max. Drehmoment: 850 Nm bei 1.600 rpm
Getriebe: 8-Gang-Automatik von ZF
Antrieb: Allrad
Verbrauch kombiniert (NEFZ-Norm): 15,0 L/100 km
Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 21,6 L/100 km (keine valide Messung möglich)
CO2-Emissionen (Herstellerangabe): 341 g/km
Abgasnorm: Euro 6d Temp
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h (abgeregelt)
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 5,2 sec
Leergewicht: 2.660 kg
Anhängelast ungebremst/gebremst 12% in kg: 750/2.700
Laderaumvolumen: 555 Liter (als Version mit Exekutivsesseln kein Umklappen der Rückenlehnen möglich)
Kraftstofftank: 100 Liter
Kraftstoffart: Super Plus E5 oder E10 (98 Oktan)
Neupreis des Testwagens: ca. 440.000 Euro (Basispreis ab 265.000 Euro)
Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.