Berlin, an einem sonnigen Herbsttag treffen wir erstmals auf das neue Kompakt-SUV der amerikanischen Premiummarke, die seit 110 Jahren zu General Motors gehört: den Cadillac XT4.
Vor einem Jahr berichteten wir über den geplanten Einzug in Europa – nun ist es endlich soweit.
Hintergrund und Prämisse
Das SUV ist bereits seit 2018 im chinesischen und amerikanischen Markt präsent. Brandneu in Deutschland und unterhalb des Cadillac XT5 angesiedelt, ist der Neue ab Oktober dieses Jahres in einem der am härtesten umkämpften Fahrzeugklassen unterwegs und muss sich mit Konkurrenten, wie dem Volvo XC40, dem BMX X1, Audi Q3 oder auch einem Jaguar E-Pace sowie dem Range Rover Evoque auseinandersetzen.
Eine hehre Aufgabe, zu deren Erfüllung weitaus mehr erforderlich ist, als eine ansprechende Optik. Doch Cadillac war stets ein Garant für Innovationen. Von vielen dieser wissen hierzulande wahrscheinlich nicht viele Menschen, kennen Cadillac eher als mondäne Straßenkreuzer der 1950er und 1960er. Dabei war es diese Marke, die beispielsweise 1953 als erster Automobilhersteller automatisch abblendende Scheinwerfer einsetzte oder 1974 als erste Automobilmarke den Einsatz von Airbags in fast allen Cadillac-Modellen realisierte.
Wir wollen im Zuge dieses Erstkontakts schauen, ob das Rüstzeug auch im neuesten Modell der Marke vorhanden ist, um der Konkurrenz die Stirn bieten zu können.
Exterieur – Unverkennbar, und doch unique
Am Design des neuen Cadillac XT4 arbeitete das jüngste Designteam aller Zeiten in der Markengeschichte. Anders, als bei anderen Herstellern, begannen sie das SUV von hinten beginnend zu entwerfen. Insgesamt ist der XT4 sogleich als Cadillac erkannt, grenzt sich aber mit einer sorgfältigen Eigenständigkeit ab.
Gegenüber dem XT5 wirkt er straffer, dynamischer und kompakter. Die L-Form der Heckleuchten erinnern entfernt an die nordischen Exemplare von Volvo, bleiben hier jedoch filigraner und in den Sport-Ausführungen komplett transparent.
Die Lichtsignatur der Front flankiert markentypisch einen dominanten Kühlergrill und die konturierte Haube erinnert ein klein wenig an gute Bekannte, wie den Cadillac ATS-V. Die Radhäuser gelangen den Designern muskulös, ohne um jeden Preis auffallend hervorzustechen. Bis zu 20 Zoll große Räder sind für den XT4 erhältlich. Dadurch bleibt die Seitenlinie kraftvoll, aber angenehm ruhig und zugleich elegant mit einer leicht ansteigenden Gürtellinie.
Interieur – Wohlfühlen serienmäßig
Der Innenraum des SUV zeigt sich strukturiert und übersichtlich. Die Materialauswahl ist gut, die Verarbeitung hervorragend. Der Armaturenbereich bleibt angenehm niedrig und der Fahrerblick fällt durch ein dickes, angenehm griffiges Lenkrad auf analoge Cockpitinstrumente, die ein farbiges, über vier Zoll großes Multiinfo-Display eskortieren.
Die Sitze wurden mit angenehm weichen Lederbezügen ausgestattet und besitzen vorne neben automatischen Heiz- und Belüftungsmöglichkeiten auch eine Massagefunktion. Die Beinauflage fällt etwas knapp aus und der Seitenhalt ist überschaubar, doch die Polsterung selbst ist überaus komfortabel.
Das Platzangebot ist zudem reichlich. Mit einem angenehmen Raumgefühl sitzt man vorne wie hinten, im Fond erfreut man sich über genügend Bein- und Kopffreiheit und bleibt hier dem Wettbewerb nichts schuldig.
Antrieb und Fahrwerk des Cadillac XT4
Zum Start des Cadillac XT4 werden zwei Editionen angeboten, die beide mit dem neuen Dieselmotor, einem 2.0-Liter Commonrail-Vierzylinder ausgestattet werden. Der Turbodiesel leistet 174 PS und ein maximales Drehmoment von 381 Newtonmetern ab 1.500 Umdrehungen pro Minute.
Im ersten Quartal 2021 folgen dann die weiteren Ausstattungsmodelle und der komplett neuentwickelte Benziner, ein 230 PS starker 2.0-Liter Vierzylinder mit TwinTurbo-Aufladung und einer Weltneuheit in serienmäßigen Antrieben: Die Nockenwellen sind in der Längsachse verstellbar und realisieren dadurch einen sogenannten Tripower Ventiltrieb, mit dem der Ventilhub der jeweiligen Fahrsituation angepasst wird.
Dabei stehen je nach Anforderung sehr niedriger oder niedriger Lastbereich, maximales Drehmoment oder Zylinderabschaltung zur Verfügung. Das maximale Drehmoment des Benziners beträgt 350 Newtonmeter, welches bereits ab 1.500 Touren anliegt und bis zu 4.000 Touren anhält.
Als Getriebe kommt für alle Antriebe und Modelle eine 9-Gang-Automatik zum Einsatz. Neben Frontantrieb wird optional ein Allradantrieb angeboten, der im nächsten Jahr folgende Benziner wird ausschließlich mit Allrad verkauft.
Das Fahrwerk besitzt ringsum Einzelradaufhängungen und optional ein Magnetic-Ride-Fahrwerk, welches bis zu 500 Mal pro Sekunde die Dämpfungskontrolle durchführen und anpassen kann. Diese Anpassung erfolgt auch durch die Fahrmodi, mit denen je nach gewünschter Gangart die Fahrwerkscharakteristik beeinflusst werden kann.
Wie fährt sich der Cadillac XT4?
Auf unserer Testfahrt fiel uns zuallererst auf, dass der Diesel eine etwas rauhbeinige Art an den Tag legt, die insbesondere beim Anfahren im Teillastbereich durch emsiges Nageln die Arbeitsweise des Selbstzünders verrät. Dafür schiebt der frühzeitig bereitstehende Drehmoment des Diesels das SUV kraftvoll an und das softig schaltende Automatikgetriebe garantiert durch neun Stufen eine immerfort andauernde Nutzung des maximalen Drehmoments beim Beschleunigungsvorgang.
Ist man einmal in Fahrt, hält sich der Diesel akustisch zurück, werkelt oftmals unterhalb von 1.500 Touren und bleibt dann angenehm im Hintergrund. Fordert man den Selbstzünder, erwacht er akustisch aber auch leistungstechnisch, schiebt den XT4 adäquat in den avisierten Geschwindigkeitsbereich.
Ab 4.000 Touren wird der Diesel deutlich lauter und fühlt sich bei noch höheren Drehzahlen etwas drangsaliert an. Glücklicherweise muss man ihn selten bis in diese Drehzahlregionen bringen, denn dank der guten Getriebeabstufung und des Drehmoments spielt die Musik meistens im untertourigen Bereich.
Die Fahrmodi spreizen das Kennfeld und die Dämpferhärte spürbar, machen den Cruiser zum Gleiter oder erwecken sportive Ambitionen und umgekehrt. Erfreulich: Der Modus „Tour“ macht den Allradler zum reinen Fronttriebler, was Verbrauch und Verschleiß minimiert.
Was auffiel, ist das zu große Delay beim manuellen Schalten per Schaltwippen. Selbst im Sportmodus vergeht einfach zu viel Zeit – im Test waren es zwischen zwei und vier Zehntelsekunden – zwischen Schaltbefehl und Schaltvorgang. Hier besteht definitiv Luft nach oben.
Dafür zeigt sich das Fahrwerk sehr ausgeglichen, hatte auch mit Berlins maroden Nebenstraßen keinerlei Probleme und federte den Großteil an Unzulänglichkeiten souverän weg. Das SUV bleibt auch bei forscher Gangart überwiegend unaufgeregt und sehr neutral. Die Bremsen zeigten auf der Testfahrt eine gute Dosiermöglichkeit und das Bremspedal einen angenehmen Druckpunkt.
Da unsere Testfahrt ausschließlich durch Berlin erfolgte und neben einem Stück Stadtautobahn nahezu durchgängig urbaner Natur war, konnten wir keinen validen Verbrauchstest durchführen. Sechseinhalb Liter am Ende unserer Testfahrt lassen aber optimistische Erwartungen erwachen. Ein detaillierter Test wird hier zu gegebener Zeit mehr Aufschluss geben können.
Versionen und Ausstattungshighlights am XT4
Wie bereits beschrieben, startet der Cadillac XT4 ab Oktober in zwei speziellen Editionen zum Marktstart, welche eine umfangreiche Serienausstattung vorweisen werden:
- Launch Edition – Dieses Modell bildet den Einstieg mit unter anderem 18-Zoll-Rädern, Zweizonen-Klimatisierung, automatisch klimatisierte Sitze vorn und hinten sowie automatisch beheizbares Lenkrad, 8-fach verstellbare Vordersitze, Verkehrszeichenerkennung, 360-Grad-Kamera, Frontkollisionswarner mit Fußgängererkennug auch hinten, Rückspiegelkamera, Parkassistent, 3D-Navi, Bose-Surround-Sound und vieles mehr ab 42.900 Euro.
- Launch Edition Sport – Ab 47.100 Euro gibts on top noch 20-Zoll-Räder, schwarze Ausführungen von Frontgrill, seitlichen Fensterrahmen und anderen Details, eine Luftionisierung zur Innenluftreinigung, eine elektrisch verstellbare Lenksäule, einen adaptiven Tempomaten, das farbige Head-up-Display, eine induktive Ladestation im Ablagefach der Mittelkonsole und ein Active-Sport-Fahrwerk – um nur einige Details zu nennen.
Sieben Innenraumkombinationen werden für die beiden Editionen erhältlich sein, die neben Leder, Edelholz und Aluminium auch Carbonfaser in Hochglanz beinhalten. Ebenso sieben an der Zahl sind die wählbaren Lackfarben.
Ab dem ersten Quartal 2021 folgen dann die Ausstattungslinien „Luxury“ ab 35.800 Euro, „Premium Luxury“ ab 41.700 Euro und „Sport“ ab 42.700 Euro.
Unser erstes Resümee zum Cadillac XT4
Er gefällt auf Anhieb, besitzt eine erfrischende Optik, mit der er sich erfolgreich zu anderen Konkurrenten abgrenzt und stringent seine Markenzugehörigkeit zelebriert. Extrem gut ausgestattet, mit neuen Annehmlichkeiten sowie teilweise mit Optionen, die uns bereits in anderen Modellen, wie dem Escalade oder dem CTS-V überzeugten, zeigt der XT4 von Anbeginn, dass er auf den Bereich der Premium-SUVs abzielt.
Fahrtechnisch gefiel uns das Kompakt-SUV auf der ersten Ausfahrt ebenfalls. Wenn wir den mitunter etwas unkultivierten Lauf des Selbstzünders einmal ausblenden, stellt Cadillac einen kraftvollen und offensichtlich auch effizienten Antrieb bereit, der die Kraft dank komfortabler Automatik und einem souveränen Allradantrieb sicher auf die Straße bringt.
So stehen die Zeichen für den neuen XT4 alles andere als schlecht und offensichtlich ist das SUV gut gerüstet, um gegen die hiesigen Platzhirsche anzutreten. Einen Aspekt gibt es da allerdings, den man sich vor allem unter deutschen Automobilisti erst langwierig erarbeiten muss: Image. Wir finden es schade, dass dies ein aus unserer Sicht immer noch viel zu überbewertetes Kriterium ist.
Text: NewCarz / Fotos: Lena Willgalis für Cadillac
Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.