Damit der Fan des Wörthersee, der sich bislang über R32, oder den GTI, vielleicht sogar von einem Konkurrenzmodell bis hin zum Golf R gehangelt hat, jetzt auch mit seinen gesteigerten Platzansprüchen nicht unterrepräsentiert fühlt, legen die Wolfsburger nach und legen den Volkswagen Golf R Variant auf.
Was das Kompaktklasse-Modell mit Rucksack und 300PS kann, haben wir auf der Rennstrecke Ascari auf die Probe gestellt.
Design – Diesen Golf R-kennt man, oder?
Typisch Golf, typisch R, aber dennoch nicht unverwechselbar: Mit seiner dezenten Chromspange im Lenkrad hebt sich der R nur dezent von seinen weniger potenten Brüdern ab. Der Unterschied zu einem Golf Variant in der schon länger verfügbaren „R-Line“ gelingt indes nur dem geschulten Auge.
Aber Schwamm drüber, schließlich ist beiden ein sportlicher Look gemein. Und schließlich ist das noble Understatement dieses R auch viel wert. So gefällt die Front mit einer grimmigen Optik, die schnell klar macht, dass man durchaus könnte, wenn man denn wollte. Dies betont der ausladende, mittige Lufteinlass gekonnt, ohne jedoch zu dick aufzutragen. Die beiden äußeren Lufteinlässe, mit ihren dunkel eingefärbten Bereichen, erinnern im Endeffekt tatsächlich etwas an den Rennsport. Ansonsten gibt sich der Bug, wie man es gewohnt ist: typisch Golf. Das bedeuten im Detail, dass die Linienführung klar und zeitlos ist und die Familienzugehörigkeit schnell zu entschlüsseln ist – was kann man sich als Hersteller mehr wünschen?
Die Seitenlinie bleibt noch ein wenig unauffälliger: die Seitenschweller sind recht dezent gestalten und fügen sich harmonisch in die Linienführung ein. Betont werden soll der sportliche Charakter durch matt-silberne Außenspiegelkappen – einen schönen Gruß an die Quattro GmbH an dieser Stelle –, ein kleines R-Signet am vorderen Kotflügel und durch die R-typischen Alufelgen in 18 oder 19 Zoll.
Auch am Heck erwartet den Betrachter kein Aha-Moment: Hier wird das gewohnte Variant-Hinterteil mit den sportlichen Attributen des R gepaart. So hielt zwar kein größerer Dachspoiler Einzug, wohl aber eine geschwollene Heckschürze mit einer Vierrohr-Auspuffanlage und einem angedeuteten Diffusor. Das Beste aus beiden Welten also.
Interieur – Business as usual
„Wer einmal drin gesessen, der will es nie mehr missen“, oder wie lautete nochmal die alte Weisheit? So oder so ähnlich kommt man aber mit der Gestaltung des Interieurs in Berührung. Kennt man den Golf, kennt man auch den R. Kennt man den R, so kennt man auch den R Variant – durchaus sinnvoll.
Man muss sich also auch in diesem Modell nicht an eine neuartige Bedienung oder etwaige Schrulligkeiten gewöhnen, sondern darf sich von vorn herein wohl fühlen. Die Sportsitze packen – wie auch in der Steilheck-Variante – ordentlich zu, unterlassen es aber zu zwicken. Der Verstellbereich ist großzügig und lässt mit dem verstellbaren Lenkrad eine optimale Sitzposition zu. Das Volant liegt mit seinen leicht ausgeformten Daumenmulden gut zur Hand und zeigt sich unten abgeflacht – eine angebliche sportliche Eigenschaft, die im Alltag eher weniger Nutzen stiftet.
Ansonsten befindet sich aber alles am rechten Fleck: so, wie man es eben erwartet. Die, recht selbstbewusst, bis 320km/h reichenden Instrumente lassen sich tadellos ablesen, der DSG-Knauf rastet satt und die Bedienung gibt sich frei von Rätseln. Die zig-tausendste Lobhudelei über das Infotainment sparen wir uns an dieser Stelle einfach, schließlich überzeugt das System mit seiner Struktur in weiteren Modellen, die wir bereits testen durften. So kommt es, natürlich, auch im GTI, Steilheck-R, ähnlich im Passat und – Sie ahnen es – in weiteren Volkswagen-Modellen zum Einsatz. Letztendlich überzeugt es in jedem einzelnen: Klarheit, Strukturiertheit und Ausstattung gefallen einfach.
Nicht zuletzt überzeugt der Sportliche Kombi – bei VW klassisch Variant genannt – natürlich mit praktischen Tugenden. Auf der Rückbank fühlen sich auch große Persönlichkeiten wohl – selbst auf langer Fahrt. Hinzu gesellt sich der Ausladende Kofferraum, der es selbst mit seinen 605 Litern Basisvolumen gut und gern mit der Mittelklasse aufnehmen kann. Zur Erinnerung, der Golf gehört zur Kompaktklasse!
Fahreindrücke – Sportlichkeit, die man beherrschen kann
Er sieht aus wie ein Kombi, doch unter seinem Blech versteckt sich ein Sportwagen. Doch er ist keiner von der bösen Sorte, die einem die Schweißperlen auf die Stirn treiben, sondern gibt sich handzahm und jederzeit beherrschbar – Allrad sei Dank, Golf sei Dank. So gibt er sich im Alltag, wie seine zahmen Brüder und lässt sich ohne Zicken vom Kindergarten zum Supermarkt bewegen. Sind die Kinder sicher in der Kita abgesetzt, kann man es aber auch etwas schneller angehen lassen und den Weg zum Großeinkauf im schwedischen Einrichtungshaus schnell abspulen.
Dabei ist es ganz gleich welchen Weg man nimmt: ob über winklige Landstraßen oder die leere Autobahn, beides ist dem Golf R Variant recht. Bei Bedarf schießt der mit 300 PS durchaus potente Kombi mit 250km/h über die linke Spur und gibt sich dabei stets sicher. Der Geradeauslauf ist nahezu unbeirrbar und der Geräuschpegel bei dieser Geschwindigkeit durchaus angenehm. Erstaunlich ist aber die Gelassenheit, die der Golf an den Tag legt, schließlich waren solche Tempi bis vor wenigen Jahren noch Sportwagen vorbehalten.
Wechselt man auf die Landstraße, zeigt sich ein ähnliches Bild: Kurven werden stets sicher und unbeirrbar genommen, als wäre der Golf dafür bebaut worden. Der Allrad gibt dabei immer optimale Traktion; egal, welcher Kurvenradius auch anliegen mag. Wirft man den R Variant aber zu vehement in die Biegungen, untersteuert er leicht, bevor ihn die elektronischen Helferlein wieder auf den rechten Pfad bringen – ganz behutsam versteht sich. Doch soweit muss es gar nicht erst kommen: Die zielgenaue Lenkung und das adaptive Fahrwerk geben immer ein angenehmes Feedback und ermöglichen es so, den R gar nicht erst in den Regelbereich von ESP und Konsorten kommen zu lassen. Ein echtes Sportstalent also. Bei Bedarf sind auch Trackdays auf heimischen Rennstrecken kein Problem, wie unser Test auf der Rennstrecke Ascari zeigte.
Fazit – Es ist alles Golf, was glänzt
Die rund-um-glücklich-Golf? Vielleicht! Platz in Hülle und Fülle, Leistung satt und eine dezente Optik? Dazu ein Fahrwerk, dass die Wahl zwischen hart und angenehm sportlich bietet, ein hohes Maß an Sicherheit und bei etwas Zurückhaltung auch noch angenehme Verbräuche? Ja, das geht: mit dem Volkswagen Golf R Variant. Doch wo liegen die Abstriche?
Nun, ein günstiges Vergnügen ist dieses Auto mit knapp 43.000€ wahrlich nicht. Auch mögen dem ein oder andern die Ecken und Kanten fehlen, wie sie etwa der Seat Leon ST Cupra bietet. Zwar ist dieser etwas schwächer und kann keinen Allradantrieb aufweisen, doch geht dieses Konzerngeschwisterchen auch etwas behutsamer mit dem Haushaltsbudget um. Doch nur bei VW bekommt man letztendlich das gewisse Etwas, das sich dieser Tage „Premium“ nennt.
Technische Daten: Volkswagen Golf R Variant
Länge x Breite x Höhe (m): 4,562 x 1,799 x 1,467
Motor: Reihen-Vierzylinder Turbo-Motor
Leistung: 221 KW (300PS)
Hubraum: 1.984 ccm
Max. Drehmoment: 380 Nm bei 1.800 – 5.500U/min
Getriebe: 6-Gang DSG
Antrieb: Allrad
Durchschnittsverbrauch (NEFZ-Norm): 7,0 L/100 km
CO2-Emissionen: 162 g/km
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 5,1
Kofferraumvolumen: 605 – 1.620 Liter
Leergewicht: 1.574 KG
Preis: ab 42.925€