Volkswagen XL1 Test – Speerspitze des Konzerns

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Da stehe ich also in Wolfsburg. Kalt und windig ist es – Sturm „Xaver“ sei Dank, jedoch hält mich nichts davon ab, das nächste Level der Elektromobilität zu erfahren. In den letzten Wochen und Monaten habe ich nämlich festgestellt, dass E-Autos zu einem zentralen Thema in der Gesellschaft geworden sind. Nicht zuletzt die Einführungen des BMW i3 und Tesla Model S machten die Stromer salonfähig. Werden sie nur eine temporäre Erscheinung bleiben oder wird diese Entwicklung zum Umdenken anregen? Die Oberklasse der Elektromobilität soll es zeigen.

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Von außen ähnelt er einem Sportwagen, doch in ihm steckt viel mehr.

Technologieträger in Kleinserie

Zugegeben, ich fahre keinen reinen Stromer. Ein Plug-In Hybrid bestehend aus Diesel- und Elektromotor sorgt für den Vortrieb. Dabei leistet der Zweizylinder-Selbstzünder 48 PS (35 kW) und kommt mit elektrischer Unterstützung auf eine Systemleistung von 75 PS (55 kW). Den Spurt von 0-100 km/h absolviert der Wolfsburger in 12,7 Sekunden und beendet ihn erst bei abgeriegelten 160 km/h. Mit dieser Leistung ist er – wie auch sein Vorgänger, der L1 – kein Sportwagen. Obwohl die äußere Form und das Gewicht von lediglich 795 Kilogramm klar nach Rennstrecke schreien, wird nach wenigen Minuten klar, dass dieses Auto bedingungslos auf Sparsamkeit ausgelegt ist. Und diese Sparsamkeit spiegelt sich nicht im Kaufpreis von 111.000 Euro wieder, sondern im Durchschnittsverbrauch von 0,9 Litern.

Glücklicherweise muss der XL1 gar nicht erschwinglich sein, denn er dient vor allem als Technologieträger für die kommenden Modelle wie dem VW twin-up!, der ebenfalls mit einem sehr geringen Verbrauch punkten soll. Wer den Wolfsburger nun schon anhand der technischen Daten unwiderstehlich findet, kann zu einem von 250 Modellen greifen, die in den ehemaligen Karmann-Werken in Osnabrück produziert werden. Mit der Kleinserie geht Volkswagen einen anderen Weg als die Konzerntochter Audi mit dem R8 e-tron und betrachtet das Auto nicht als reinen Leuchtturm, sondern als ein fertiges Produkt, das den Weg weisen soll.

Die Kameras übertragen das Bild in Echtzeit und hochaufgelöst. Das erfordert Umgewöhnung. Und auch die Felgen aus Magnesium sind ein echtes Schmuckstück.
Die Kameras übertragen das Bild in Echtzeit und hochaufgelöst. Das erfordert Umgewöhnung. Und auch die Felgen aus Magnesium sind ein echtes Schmuckstück.

Gebaut um zu polarisieren

Vor jeder Testfahrt mache ich mich mit den Maßen des Fahrzeugs und dem Infotainment vertraut, stelle Sitz und Spiegel ein und drehe den Zündschlüsse um. Nun, irgendwie läuft heute alles anders. Das Infotainment war mir schon aus dem up! bekannt und hatte nichts Aufregendes zu bieten, aber mit den Sitzen und Spiegeln war ich noch nicht so richtig vertraut. Nachdem ich den Winkel der Sitze einigermaßen an meine Statur angepasst hatte, wollte ich die Spiegel einstellen. Brauchte ich nicht machen, denn es gibt keine. Die Außenspiegel werden mithilfe von zwei sehr hochauflösenden Kameras digital in den Innenraum übertragen. Auf Nachfrage bestätigte man mir, dass diese Methode keine Sicherheitsrisiken wie beispielsweise Input-Lags berge. Und auf einen Innenspiegel muss ich gänzlich verzichten. Bedingt durch die Bauweise ist der Blick nach hinten sehr eingeschränkt, weshalb die Fahrt nur anhand der „Außenkameras“ erfolgen sollte.

Die ersten Kilometer rund um Wolfsburg sehe ich immer wieder Blitzlichter von Fotohandys aufblinken. Eigentlich verwunderlich, dass dieses Auto in seiner Geburtsstadt häufiger fotografiert wird, als ein Model auf dem Catwalk in Paris. Gerade auf der Landstraße ist aber die Wahrnehmung nicht immer positiv, weshalb ich auf der Testfahrt häufiger überholt werde, obwohl die Geschwindigkeitsangabe selten von mir unterschritten wurde. Ich war schon kurz davor, die Fensterheber runterzulassen und zu fragen, was denn los sei, als ich bemerkte, dass die Fensterheber gar nicht elektrisch sind. Möglicherweise muss ich meine eingangs gewählte Formulierung vom „Technologieträger“ überdenken?

NewCarz-Redakteur Mikhail Bievetskiy ist zwiegespalten. Ist der Volkswagen XL1 die Zukunft? Wird sich klären. Chic findet er die Leichtlaufreifen der Dimension 115/80/R18 vorne und 145/55/R16 trotzdem, die der Radkasten für eine bessere Aerodynamik verdeckt.
NewCarz-Redakteur Mikhail Bievetskiy ist zwiegespalten. Ist der Volkswagen XL1 die Zukunft? Wird sich zeigen. Chic findet er die Leichtlaufreifen der Dimension 115/80/R18 vorne und 145/55/R16 hinten dennoch. Die hinteren Reifen werden durch den Radkasten für eine bessere Aerodynamik verdeckt.

Unsportlicher Flügeltürer mit Mittelmotor

Neun verschiedene Fertigungsstufen vom Kastenrohbau über die Karosseriemontage bis hin zum Einbau der Flügeltüren braucht es, um den VW XL1 schlussendlich in Betrieb nehmen zu können. Schaut man sich die Entwicklungskosten, den riesigen Aufwand für die Produktion samt der verwendeten Materialen wie CFK (kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff) an, werden die Ausmaße des Fahrzeugs erst deutlich. Und doch muss man Fahrzeuge wie diese erst im Stadtverkehr, auf der Landstraße und der Autobahn erleben, bevor man sich darüber eine abschließende Meinung erlauben kann. Jede Disziplin hält Überraschungen bereit.
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[col width=“four“] Stadtverkehr

Im Stadtverkehr geht der routinierte Blick immer wieder Richtung Innenspiegel. Leider ist dieser nie zu erspähen und man wird dazu gezwungen, die Monitore zu benutzen. Das bedarf etwas Umgewöhnung, da man im Vergleich zu normalen Außenspiegeln deutlich weiter nach unten schaut. Gerade beim Einparken vergeht ein kurzer Moment, bevor man sich daran erinnert, dass die Spiegel nach Einlegen des Rückwärtsganges zur Rückfahrkamera werden. Ebenfalls ungewöhnlich ist die fehlende Servolenkung, die der Gewichtseinsparung geschuldet ist. Mit zunehmender Geschwindigkeit fällt das Kurbeln glücklicherweise leichter und so finde ich mich auf der Landstraße wieder. [/col]
[col width=“four“] Landstraße

Eine kurvige Landstraße mit einigen Schlaglöchern liegt vor mir. Die Lenkung ist mittlerweile kein Problem mehr und dank verbautem Bremskraftverstärker fallen auch die Kurven nicht schwer. Im ersten Viertel der Bremspedalstellung setzt sogar die Rekuperation (Energierückgewinnung) ein. Das 7-Gang-DSG (DQ2000) schaltet sehr sauber ohne spürbare Lastwechsel; ein großer Unterschied zwischen den Modi Sport und Normal ist kaum zu vernehmen. Auffällig ist aber das sehr hart abgestimmte Fahrwerk. Damit ist jedes Schlagloch sehr deutlich im Innenraum zu spüren. Doch nicht nur bei Schlaglöchern wird es laut, denn die Geräuschkulisse im Innenraum ist insgesamt recht hoch. Fährt man rein elektrisch, hört man im Gegensatz zum VW e-up! (Bericht folgt) in der Fahrgastzelle nicht nur die Abrollgeräusche. [/col]
[col width=“four“] Autobahn

Mittlerweile stehen 120 km/h auf dem Tacho und plötzlich ist ein lautes Poltern zu hören. Der Selbstzünder tritt seinen Dienst an, denn für die letzten 40 km/h greift der Volkswagen XL1 auf das nagelnde Diesel-Aggregat zurück. Zwar ist die Geräuschkulisse hoch, jedoch kann man sich bei Geschwindigkeiten bis zu 150 km/h noch problemlos unterhalten. Schade ist, dass der XL1 bei 160 km/h elektronisch abgeregelt ist, denn er könnte gewiss mehr. Höhere Geschwindigkeiten brauchen auch größere Bremsen, was ein höheres Gewicht zur Folge hätte und den Verbrauch nach oben treibt. Insgesamt lässt sich laut Werksangabe eine Reichweite von 500 Kilometern realisieren, wovon 50 Kilometer rein elektrisch gefahren werden könnten. Bei niedrigeren Geschwindigkeiten enttäuschte leider der Boost, da nur 51 kW Leistung und 140 Nm Drehmoment während des Kickdowns zur Verfügung stehen.[/col]
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Eine digitale Anzeige wie in dem Volkswagen e-up! gibt Auskunft über den Ladestand der Batterie und stellt den Antriebsfluss dar.
Eine digitale Anzeige wie in dem Volkswagen e-up! gibt Auskunft über den Ladestand der Batterie und stellt den Antriebsfluss dar.

Fazit: Seiner Zeit voraus?

Ja, der Volkswagen XL1 ist eine Innovation. Alleine die Form, die ihn kürzer als einen VW Polo und flacher als einen Porsche Boxster macht, sagt viel über das Design aus. Auch statuiert der cW-Wert von 0,189 ein Exempel in der Aerodynamik, aber zu welchem Preis? Volkswagen ist seit den 30er Jahren eine Marke, die Volksnähe suggeriert. Nun erfindet man das Rad gänzlich neu und verwendet CFK-Technologien, neumoderne Digitalspiegel und High-Tech, wohin das Auge blickt. Dem gegenüber stehen hohe Entwicklungs- und Teilekosten, die in einem hohen Anschaffungspreis münden. Sobald der Einstiegspreis in erschwingliche Sphären gefallen ist, könnte dieses Auto eine echte Bereicherung werden und eine neue Fahrzeugklasse prägen. Bis dahin bleibt der Volkswagen XL1 nichts anderes als ein Entwicklungsträger wie auch der Audi R8 e-tron.

[divider] Text/Foto: Mikhail Bievetskiy Kamera: Canon 1D-X / 50mm ƒ1.4 / Labels Hemd: Robert Graham Jeans: Robert Graham

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