Den vollelektrischen Honda e gibt es erst seit 2019, doch rein optisch täuscht der Kleinwagen beim allerersten Blick fast einen Oldtimer vor, so oldschool erscheint dieser.
Kenner werden hier sogar ein längst vergangenes Modell zum Vergleich heranziehen – der Honda e ähnelt nämlich entfernt einem Honda Civic der ersten Generation.
Das ist rund 50 Jahre her und selbstverständlich ist dieser designtechnische Exkurs eher als Nice Try zu bezeichnen, denn ringsum und vor allem im technologischen Bereich ist dieser elektrische Honda so modern, wie kein zweiter in dieser Fahrzeugklasse. Aber der Reihe nach.
Wir fuhren den Honda e als Advanced mit 154 PS in einem Grauton namens Modern Steel Metallic.
- Außenansichten – Optische Eindrücke
- Der Innenraum
- Antrieb und Fahreigenschaften
- Verbrauch, Reichweite, Aufladen
- Ausstattung, Komfort, Sicherheit
- Varianten und Preise
- Fazit
- Pro & Contra
- Technische Daten
Die äußere Optik des Honda e
An dieser Stelle ist es wohl offensichtlich, dass das Design des Kleinwagens gehörig zu polarisieren weiß. Entweder man hasst, oder man liebt diesen Retro-Look. Honda durfte sich im vergangenen Jahr sogar über den Red Dot Award als Designpreis für seinen Elektroflitzer freuen, doch wie so oft, gehen bei extrovertierten Äußerlichkeiten die Meinungen schnell auseinander.
Einen gewissen Sympathiebonus kann man der Fahrzeugfront allerdings kaum absprechen, denn die Kulleraugen mit ihren kreisrunden LED-Tagfahrlichtern haben was, rücken das Auto ein klein wenig in die Cartoon-artige Schiene wie die Protagonisten aus dem Animationsfilm „Cars“.
Ein beleuchtetes Fach auf der Motorhaube – die ja so gesehen keine ist – verbirgt den Ladeanschluss, den man dank dieser Beleuchtung auch nachts bestens findet.
Seitlich betrachtet, fallen die stummelartigen Fortsätze als Ersatz für die Außenspiegel als erstes auf. Dann folgen die eingelassenen Türgriffe, die beim Annähern an das Auto automatisch herausschwingen. Die Silhouette des Kleinwagens wirkt äußerst kompakt und irgendwie erscheint der Japaner kleiner als er es tatsächlich ist.
Das Fahrzeugheck „beschlusslichtet“ der Honda mit runden Rückleuchten und nährt auch diese Perspektive mit jeder Menge Retro-Nuancen, was das Gesamtbild rund macht – im wahrsten Sinne des Wortes.
Der Innenraum – Eine völlig andere Welt
Und dabei übertreiben wir definitiv nicht, denn wir haben noch nie einen so reichhaltig und zugleich modern ausgestatteten Kleinwagen unter unseren Testfittichen gehabt. Das beginnt beim Blick auf die Instrumententafel, die eher einem Cockpit eines modernen Passagierflugzeugs ähnelt als das eines Kleinwagens. Ein fast die gesamte Horizontale einnehmendes Bildschirm-Panel sticht dabei zuerst ins Auge.
Dieses wird noch flankiert von zwei formvollendet integrierten Bildschirmen für die Rückspiegelkameras. Kein Vergleich zu den zum Teil lieblosen Versuchen dieser Digitallösung wie etwa beim Lexus ES 300h. Dazu kommt Holzdekor und diverse weitere, allesamt solide und fein wirkende Materialien.
Das Raumgefühl ist vor allem vorne überraschend für diese Fahrzeugklasse – man hat irgendwie das Gefühl, dass das hier kein Kleinwagen sei. Gut, sobald man den Fondbereich unter die Lupe nimmt, wird man wieder auf das Parkett der Tatsachen zurückgeholt und weiß, worin man sich aufhält.
Noch kleiner ist am Ende nur noch der 171-Liter-Kofferraum, der aber zumindest per Umklappen der Rückenlehnen auch erweitert werden kann. Schade ist, dass man keinen zweiten Kofferraum vorne, einen sogenannten Trunk, eingerichtet hat. Stattdessen gibt es besagtes Ladefenster mit Beleuchtung.
Die Sitzpolster und deren Ergonomie sind wiederum positiv überraschend, denn man sitzt absolut bequem und blickt vorne Platz nehmend auf diese riesige Digitallandschaft. Sehr praktisch sind die vielen Ablagen und Verstaumöglichkeiten, allesamt gut verteilt und am jeweils richtigen Platz.
Antrieb und Fahreigenschaften – Auf Kurzstrecke der King
Das nächste Highlight, da in der Fahrzeugklasse absolut selten: Der Honda e fährt mit Heckantrieb. Der Elektromotor sitzt entsprechend im Heck und leistet hier 154 PS sowie kräftige 315 Newtonmeter Drehmoment, die wie üblich bei E-Antrieben sofort zur Verfügung stehen.
Der Antritt ist entsprechend beherzt, das Leistungsangebot hat mit dem Kleinwagen ein leicht erscheinendes Spiel. Dank besagtem Heckantrieb ist der Kleine überaus flott auf kurvigen Gefilden unterwegs, zieht sauber aus Kurven heraus und bringt dabei richtig Fahrspaß mit.
Mit einem Null-auf-Hundert-Wert von 8,3 Sekunden gehört er jedenfalls nicht zu den Langweilern und kann sogar deutlich größeren Fahrzeugen Paroli bieten. Von Null auf 50 km/h vergehen sogar nur gut vier Sekunden. Ampelstart gewinnen ist also durchaus drin, wer auf sowas steht.
Das Fahrwerk ist als ausgewogen zu beschreiben, der Honda e federt komfortabel, behält aber eine gesunde Straffung, durch die etwaige Wank- und Nickbewegungen gut in Schach gehalten werden können. Dazu passend, liefert eine leichtgängige und feedbacktüchtige Lenkung die entsprechende Schnittstelle zwischen Fahrer und E-Auto.
Das Bremsverhalten ist souverän und gut dosierbar, der Übergang zwischen Rekuperation und echter Bremse ist fließend und im Allgemeinen nicht spürbar. Das ändert sich, wenn man die One-Pedal-Funktion auf der Mittelkonsole auswählt, denn dann rekuperiert der Kleine sofort, wenn man vom Gaspedal geht und das so stark, dass man nach kurzer Eingewöhnung fast kein Bremspedal mehr benötigt.
Auffallend war zudem der kleine Wendekreis des Honda e – hier zeigt sich der prädestinierte Einsatzort für den Kleinwagen: der innerstädtische Bereich. Hier fühlt sich der Honda e am wohlsten, wenngleich er bis zu 145 km/h schafft – der Tacho zeigt sogar 151 km/h – ist er im urbanen Bereich definitiv besser aufgehoben. Das empfiehlt auch ein anderer Aspekt, zu dem wir im folgenden Kapitel kommen.
Verbrauch, Reichweite, Aufladen
Beim Verbrauch erlebten wir nämlich eine Überraschung, welche allerdings nicht so positiv ausfiel, wie erwartet. Im gemischten Drittel von Stadt, Landstraße und Autobahn, kamen wir auf einen Durchschnitt von 21,5 kWh pro 100 Kilometer. Dabei bleibt anzumerken, dass insbesondere auf der Autobahn der Verbrauch exorbitant anstieg.
Bleibt man über Land und in der Stadt, haben wir auf unserer Sparrunde – die ja genau dieses Metier bedient – einen Durchschnitt von 14,3 kWh pro 100 Kilometer herausfahren können. Auch das ist keine Glanzleistung, aber um ein Vielfaches besser als das Testergebnis auf der Autobahn, bei dem der Kleine über 30 kWh verbrauchte und die Reichweite bei rund 100 Kilometern aufgebraucht war.
All das zeigt eindrucksvoll, dass der Kleinwagen idealerweise nur innerstädtisch bewegt wird und hier in allen Belangen auch überzeugen konnte. Die Reichweite betrug hier reichlich 200 Kilometer, kommen Überlandfahrten hinzu, reduziert sich die Reichweite auf rund 170 Kilometer. Wir stellten fest, dass ab ziemlich genau 100 km/h die Reichweite mit zunehmender Geschwindigkeit nahezu exponentiell sinkt.
Formidabel bezeichnen möchten wir hingegen die Lademöglichkeiten für den Honda e. Dank seines CCS-Anschlusses kann er an einer Schnellladesäule mit bis zu 100 kW Ladestrom befüllt werden. 80 Prozent des Akku-Füllstandes sind da in nicht einmal 30 Minuten erreicht.
Der Akku besitzt 35,5 kWh Kapazität und kann auch über den vorhandenen Typ-2-Anschluss mit 6,6 kW an einem beliebigen AC-Anschluss in vier Stunden komplett aufgeladen werden. Sogar über das 230-Volt-Hausstromnetz funktioniert das Laden mit dem Adapterkabel. Wenngleich das Aufladen bis zum komplett gefüllten Akku mit 19 Stunden extrem lange dauert und daher eher als Notlösung gesehen werden sollte.
Ausstattung, Komfort, Technik im Honda e
Im Kapitel über das Interieur bereits angesprochen, gleicht der Innenraum des Kleinwagens einer digitalen Spielwiese, wobei die Bedienung der beiden Bildschirme plus dem digitalen Cockpit einfach und selbsterklärend gelang. Ein Benutzerhandbuch hat man zu keiner Zeit benötigt. Überaus begrüßenswert ist dabei, dass man an analogen Drehreglern und echten Schaltern festgehalten hat und trotz aller Bildschirmflächen eine wunderschön intuitive Bedienung erhalten konnte.
Das Navigationssystem ist von der Kartendarstellung bis zur Routenführung sehr gut, konnte hier auf diversen Testfahrten gänzlich überzeugen. Auch die vielen Untermenüs des Infotainments wirken nicht überladen, lassen den Benutzer sich schnell zurechtfinden, wodurch man auch schnell die Übersicht über den Energiehaushalt des Kleinwagens gefunden hat.
Wenn man mal keinen Informationshunger verspürt, kann man den Inhalt der Bildschirme zu einem Aquarium umfunktionieren und den digitalen und hochaufgelösten Fischbestand bestaunen. Das funktioniert aber nur bei stillstehendem Fahrzeug.
Viele Assistenten, darunter ein Abstandstempomat, eine Verkehrszeichenerkennung, ein Kollisionswarnsystem inklusive Fußgängererkennung, machten im Praxistest allesamt eine gute Figur. Der Parkassistent des Testwagens war so akribisch genau, indem er in der City derart kleine Parklücken heraussuchte und uns perfekt hineinmanövrierte, dass man aus dem Staunen nicht herauskam. Viele dieser Lücken hätten wir selbst aufgrund ihrer Größe nicht angesteuert.
Bemerkenswert ist auch die Vielfalt der Anschlussmöglichkeiten im Honda e. Neben USB-Ports gibt es auch einen HDMI-Anschluss und eine Schuko-Steckdose ermöglicht sogar den Betrieb von 230-Volt-Gerätschaften.
Die elektrisch ausklappenden Türgriffe besitzen eine Schwachstelle: Schließt man die Tür, kann durch den Schwung der Türgriff bereits einklappen und ein erneutes Öffnen ist so nicht möglich, sondern muss erst per Fernbedienung erneut entriegelt werden.
Preise und Varianten des Honda e
Der vollelektrische Stadtflitzer startet als Advanced wie hier getestet bei 38.000 Euro. Die kleinere Variante mit 136 PS und weniger Grundausstattung beginnt bei 33.850 Euro.
Neben einer speziellen Außenfarbe und weiteren Paketen wie ein Illuminationspaket sowie speziellen Zierleisten für den Armaturenbereich, gibt es nicht mehr viel, was man der Advanced-Variante zusätzlich verleihen kann. Am Ende steigt der Preis dadurch auf rund 42.000 Euro – viel Geld für einen solchen Kleinwagen.
Fazit – Komfortabel, topmodern, teuer
Der Honda e ist ein polarisierender Eyecatcher, der mit facettenreichen Technologien und einem gänzlich unkonventionellen Aussehen zu beeindrucken versucht. In vielerlei Hinsicht gelingt ihm das auch und wer einen Kleinwagen als Technologieträger für den Einsatz im urbanen Bereich sucht, ist hiermit bestens bedient.
Dafür sollte aber auch ausreichend Kleingeld vorhanden sein, denn der Anschaffungspreis ist ebenso konkurrenzlos hoch, wie sein Technik- und Ausstattungslevel. Auch wer das weitläufige Pendeln über Autobahn und Schnellstraßen präferiert, sollte lieber weitersuchen. Es sei denn, er hat mehrere Lademöglichkeiten auf seiner Strecke und genügend Zeit für die Ladepausen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Honda e ein Kleinwagen für den Einsatz im urbanen und suburbanen Bereich und zudem für eine gut situierte Klientel gedacht ist.
Kamera: Canon EOS 5D Mark III
Pro und Contra
Pro:
- umfangreiche Ausstattung
- quirlig-agiler Antrieb
- kleiner Wenderadius
- schnelle Ladezeiten dank CCS-Anschluss
Contra:
Technische Daten: Honda e Advanced
- Farbe: Modern Steel Metallic
- Länge x Breite x Höhe ohne Aufbauten (m): 3,89 x 1,75 x 1,51
- Radstand (mm): 2.538
- Antrieb: Permanentmagnet-Synchronmaschine (PSM)
- Hybridart: –
- Leistung: 113 kW (154 PS)
- max. Drehmoment (Nm): 315
- Hubraum: –
- Getriebe: 1-Gang-Automatik
- Antriebsart: Heck
- Durchschnittsverbrauch (WLTP): 17,8/100 km
- Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 21,5 l/100 km
- max. Reichweite Werksangabe/NewCarz (km): 210/173
- CO2-Effizienzklasse: A+
- Höchstgeschwindigkeit: 145 km/h
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 8,3 Sekunden
- Wendekreis (m): 9,2
- Kofferraum (l)): 171 bis 861
- Bodenfreiheit (mm): 145
- Leergewicht (kg): 1.595
- Zuladung (kg): 275
- Akku Kapazität brutto/netto (kWh): 35,5/32,0
- Ladeanschluss: AC Typ 2 + CCS
- Ladezeiten 100% 230 Volt 2kW /AC 6 kW/80% CCS 85 kW (min): 1.130/240/28
- Kraftstoffart: Strom
- Neupreis des Testwagens: ca. 39.700 Euro (Basispreis Advanced: 38.000 Euro)
Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.