Seit Anfang 2010 gleitet er über die Straßen dieser Welt – der Jaguar XJ. Zum neuen Modelljahr erhielt die britische Luxuslimousine ein dezentes Facelift.
Wir fuhren den neuen Jaguar XJ als 3.0 V6 Diesel in der Ausstattungslinie Portfolio. Ob sich der in British Racing Green lackierte Luxusliner mit der deutschen Konkurrenz gleichstellen kann? Der Fahrbericht gibt Aufschluss.
Exterieur – Anderssein war niemals ansprechender
Zugegeben, der Jaguar XJ ist seit Einführung im Jahr 2010 optisch markant. Vor allem das Heck sorgte anfangs für Furore und musste auch im Kreise der Berichterstattung viel Kritik einstecken. `Verspielt´ sei das Design, einer Oberklassen-Limousine `nicht angemessen´. Wir sehen das anders. Der große XJ polarisiert, keine Frage. Aber britische Noblesse war schon immer etwas abseits des Mainstream und das ist auch gut so. Staatstragend ist die wuchtige Erscheinung der großen Limousine in jedem Fall.
Dezent geliftet zeigt sich das neue Modelljahr, welches vor allem durch neue, scharf geschnittene Scheinwerfer in Voll-LED-Technik glänzt. Das sogenannte `J-Blade´-Design wurde hier pro Scheinwerfer gleich zweimal untergebracht, sodass dem XJ eine exponierte Stellung schon aus der Distanz bescheinigt wird. Stilecht gelöst: Beim Blinken übernehmen die beiden `J ´ die Aufgabe des Richtungsanzeigers und wechseln nahtlos von Blau in Orange.
Zudem steht der minimal gewachsene Kühlergrill nun aufrechter, die äußeren Lufteinlässe tragen Chromspangen, während die Seitenpartie ihrer leicht coupéhaften Silhouette treu bleibt.
Am Heck erstrahlen neue – ebenfalls J-förmige – LED-Rückleuchten. Der Stoßfänger wurde ebenfalls überarbeitet und wartet nun mit einem glänzend schwarzen Einsatz auf, welcher durch eine schmale Chromleiste vom oberen Bereich abgetrennt wird.
Darüber hinaus hat der Jaguar XJ ein weiteres Alleinstellungsmerkmal, welches ihn von der Konkurrenz abhebt. Durch sein unverkennbares Frontdesign und die markante Lichtsignatur am Heck besteht nie eine Verwechslungsgefahr mit anderen Jaguar-Modellen.
Interieur – Verarbeitung auf höchstem Niveau
Die Einrichtung im XJ ist durchweg britisch. Bei so viel Leder und Holz kommt unweigerlich der Eindruck auf, man säße im Curtain Club des Ritz-Carlton und nicht in einem PKW. Eine analoge Uhr auf der Mittelkonsole komplettiert diesen Eindruck. Die bequemen Sessel in `London Tan´ – einem wunderschönen Cognac-Ton – bieten ebenfalls ein hohes Maß an Seitenhalt.
Das Leder – mit dem sogar die runden Lüftungsausströmer bezogen sind – ist hervorragend vernäht, Schwachstellen sind nirgendwo auszumachen. Ein Tipp der Redaktion: Wird braunes oder schwarzes Leder für die Bestuhlung gewählt, so sollten Sie auf die Dachverkleidung in der Farbe `Jet ´ zurückgreifen. Das helle `Ivory´ bildet zwar einen schönen Kontrast, jedoch wirkt der dunkle Dachhimmel harmonischer.
Als sehr angenehm erwies sich das zweigeteilte Panorama-Glasdach, welches den Innenraum mit Licht durchflutet, wovon auch die Fondpassagiere profitieren. Letztere kommen im XJ übrigens auch in den Genuss einer jeweils eigenen Klimaanlage. Die äußeren Sitze sind zudem in drei Stufen beheizt und belüftet.
Über Platzmangel können sich die Passagiere auf den hinteren Plätzen ebenfalls nicht beschweren. Selbst groß gewachsene Mitfahrer über 1,85 Meter hatten während unserer Testfahrten stets ausreichen Kopf- und Beinfreiheit. Reisen oftmals größere Menschen auf den hinteren Plätzen, so sollte die Langversion in Betracht gezogen werden.
Die per klassischem Druckknopf öffnende Heckklappe offeriert ein Ladevolumen von 520 Litern. Das ist für die Reise allemal ausreichend und stellt mit einem minimalen Vorsprung sogar einen Bestwert in dieser Klasse dar.
Technik & Assistenz – Facelift mit Technik-Update
In puncto Technik hinkte der XJ bis dato der Konkurrenz etwas hinterher. Mit dem Facelift ist das nun Geschichte. Jaguar hat für seinen größten Schützling ganz tief ins Technikregal gegriffen und die große Katze mit allem bestückt, was das Portfolio hergab.
Beginnen wir mit dem ausgesprochen schön integrierten, 12,3 Zoll großen Display im Cockpit. Volldigital kann der Kunde zwischen drei verschiedenen Themen wählen, von sportlich bis klassisch oder komplett individuell konfiguriert. Spielen Eckdaten keine große Rolle, mutiert das gesamte Display auf Knopfdruck zu einer großen 3D-Navigationskarte. In der Praxis überzeugt die überarbeitete Software mit einer sehr schnellen Rechenleistung und einer intuitiveren Bedienung.
Das im Testwagen verbaute, 825 Watt starke Surround Sound System aus dem Hause Meridian besticht derweil durch glasklaren, vollmundigen Klang. Sanft wummern die Bässe durch den Innenraum, gefühlt übernehmen sie sogar die Feinabstimmung der Massagesitze und unterstreichen abermals den Premiumanspruch der Luxus-Katze.
Ebenfalls ist gegen einen Aufpreis von 1.600 Euro die adaptive Geschwindigkeitsregelung ACC verfügbar. Neben dem Abstand zum Vordermann lotst dieses System den großen Wagen auch durch zäh fließenden Verkehr – Stauassistent sei Dank.
Bestandteil des Fahrassistenz-Paketes ist die neue Verkehrszeichenerkennung. Stets zuverlässig zeigte sie die aktuelle Höchstgeschwindigkeit an. Angenehm: Auch in der Kartendarstellung im Cockpit kann diese unten links angezeigt werden.
Neu sind zudem die serienmäßigen Voll-LED-Scheinwerfer. Im Vergleich zu den Xenon-Pendants im Jaguar XE warten sie mit einer deutlich besseren Ausleuchtung auf. Das weiße Licht sorgt mit seinem weitläufigen Lichtteppich auch bei hohen Geschwindigkeiten dafür, dass eventuelle Hindernisse vom Fahrer stets frühzeitig bemerkt werden. Gezieltes Streulicht erleichtert das Lesen von Verkehrsschildern und -tafeln.
Darüber hinaus warten die Dioden-Scheinwerfer optional mit aktivem und statischem Kurvenlicht auf. Während unseres Testes erwies sich vor allem die aktive Variante als durchaus nützlich, besonders Kurvenausgänge wurden schon vor Befahren ausgeleuchtet.
Der Fernlichtassistent blendete herrlich früh ab, sodass niemand gezwungen war, uns zum manuellen Abblenden zu bewegen.
Motor & Fahreindrücke – Wenn die Langstrecke zum Katzensprung wird
Insgesamt stehen für den Jaguar XJ drei Motorisierungen zur Wahl. Den Einstieg macht der drei Liter große und 300 PS starke V6 Twinturbo-Diesel, welcher unglaubliche 700 Newtonmeter an die Hinterachse schickt.
Darüber rangiert der aus dem Jaguar F-Type bekannte, 340 PS starke V6 Kompressor-Benziner, welcher sich mit 450 Newtonmetern zufrieden geben muss. Die Speerspitze ist der bekannte und gefürchtete 5-Liter-Kompressor-V8 mit 550 PS, der die große Katze in 4,6 Sekunden auf 100 km/h katapultiert. Im Vergleich zum Diesel muss auch er sich mit 20 Newtonmetern weniger begnügen, dafür darf er maximal 280 km/h rennen.
In allen XJ-Modellen kommt serienmäßig eine Achtgang-Automatik aus dem Hause ZF zum Einsatz, die zum einen mit sanften Schaltvorgängen aufwartet und zum anderen für ein stets niedriges Drehzahlniveau sorgt.
Der von uns getestete V6 Diesel passt entgegen unserer Erwartungen hervorragend zu Jaguars Topmodell. Seidenweich dieselt der Sechszylinder vor sich hin, einer guten Dämmung sei Dank ist er wenigstens von innen kaum noch als Selbstzünder zu erkennen.
Einmal den Modus `D´ mit dem schicken Dreh-Wählhebel eingelegt und schon geht die Fahrt los. Und hier zeigt sich bereits die erste Besonderheit des großen Raubtiers. Wer häufiger große Autos fährt und infolgedessen auch rangiert, der weiß, dass die Übersicht oftmals unter dem ein oder anderem Exterieur-Design leiden muss. Beim Jaguar XJ hingegen ist die Frontpartie recht kompakt gehalten, was dafür sorgt, dass das Herausrangieren aus unserer Tiefgarage wesentlich schneller vonstatten ging als erwartet.
Die ersten Kilometer führen uns durch die Stadt. Das ist nun wahrlich nicht das bevorzugte Milieu für eine 5,13 Meter lange Limousine. Dennoch erweist sich der entspannte Gleiter auch innerorts als derart ausgeglichen und neutral, dass man denken könnte, Jaguar hätte hier einen extra Yoga-Modus vorprogrammiert.
Das Wetter spielt uns in die Karten und so nehmen wir Kurs in Richtung Ortsausgang. Gerne wollen wir die heckgetriebene Luxuslimousine mal um´s Eck scheuchen, auch wenn die wenigsten Kunden dies jemals ausgiebig tun werden.
Wie dem auch sei, unterschätzen sollte man die Allüren einer Raubkatze nie – so auch beim großen XJ. Gutmütig bis zu einer bestimmten Grenze zeigt sich das Fahrwerk – leichte Heckschwänzler inbegriffen. Fahraktiven Kunden sei an dieser Stelle jedoch angeraten, die Grenzen der Physik und das Gewicht des Fahrzeugs nicht außer Acht zu lassen. Etwaiges Missachten könnte hier mit plötzlichem Traktionsabriss geahndet werden. Alles in allem – und hier ein Lob an die Ingenieure des bravourösen Fahrwerks – kann man mit dem Jaguar XJ auch auf der Landstraße Spaß `erfahren´.
Ebenfalls neu: Das sogenannte All Surface Progress Control. Bekannt aus den Brüdern der Land Rover Riege, ist der XJ der jüngste Jaguar-Spross, in dem das adaptierte System Einzug hält. Der Vorteil hieran ist, dass vor allem auf unbefestigtem beziehungsweise rutschigem Untergrund stets die Traktion aufrechterhalten wird. Vor allem bei unserem heckgetriebenen XJ erweist sich diese Technologie als durchaus sinnvoll – gerade im Winter.
Wir setzen unsere Fahrt auf der Autobahn fort, dem – und das können wir schon einmal vorweg nehmen – bevorzugten Revier der großen Katze.
Hier kommen gleich mehrere Faktoren zusammen, die das Reisen im Jaguar XJ zu einer der schönsten Dinge im (Berufs-) Leben werden lassen. Beginnen wir mit dem sämigen Diesel. Der V6 ist wirklich ausgesprochen kultiviert, die 25 Zusatz-PS machen sich in der Praxis insbesondere im Durchzug in höheren Geschwindigkeitsbereichen bemerkbar und die Achtgang-Automatik passt sich dem britischen Stil nahtlos an.
Nur beim Blick auf den Drehzahlmesser sind im Normalmodus Schaltvorgänge zu vernehmen. Apropos Drehzahl: die drei Liter Hubraum sorgen in Verbindung mit dem hervorragend abgestimmten Achtgang-Automaten dafür, dass bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h gerade einmal 2.450 Umdrehungen pro Minute anliegen. Maximal sind übrigens 250 km/h möglich, welche – sofern es der Verkehrsfluss zulässt – auch über längere Zeit hinweg gefahren werden können.
Die Soundkulisse im Innenraum ist dabei ähnlich dezent, wie man es sich von einer Luxuskarosse wünscht. Abroll- und Windgeräusche wiegen sich in dezenter Zurückhaltung und der Motor verrichtet seine Arbeit MI-6 gerecht undercover.
Zusätzlich möchte das 5,13 Meter lange Kätzchen aber auch auf anderen Ebenen den Fahrer verwöhnen. Die Vordersitze sind natürlich beheizt und belüftet, warten zudem auch mit einer Massagefunktion auf.
Und während bei anderen Fahrzeugen diese Bezeichnung eher irreführend ist, wird sie ihrem Namen im XJ auch wirklich gerecht. Der Fahrer beziehungsweise Beifahrer wählt den gewünschten Bereich und schon startet das Wellness-Programm. Zärtlich, aber konsequent sorgen die einem Nudelholz gleichen Massageballen für ein Höchstmaß an Entspannung.
Nach rund 600 Kilometern steigen wir aus dem Fahrzeug und kommen zu einem eindeutigen Schluss: viel besser als im XJ sind Langstrecken kaum zu bewältigen. Das kann auch die etablierte deutsche Konkurrenz nicht besser – und wenn doch, dann nur marginal.
Zuletzt möchten wir die Trinkgewohnheiten der gut 1,8 Tonnen schweren Luxuslimousine etwas genauer beleuchten. Die schlechte Nachricht zuerst: Den angegebenen Durchschnittsverbrauch von 5,7 Litern Diesel pro 100 Kilometer konnten wir nicht erreichen, am Ende standen 6,3 Liter auf der Uhr. Die gute Nachricht hingegen: Sie können den Jaguar fahren, wie sie wollen, die 10-Liter-Marke überschreiten Sie nicht. Selbst bei Fahren jenseits der 200 km/h kamen wir lediglich auf einen Konsum von 9,6 Litern.
Dieser manierliche Durst wird vor allem durch das Zusammenspiel aus hubraumstarken Sechszylinder und angepasster Achtgang-Automatik realisiert und lässt auch an der Tankstelle kein Grund zum Klagen zu.
Fazit – The British Way of traveling
Wir ziehen beinahe wehmütig ein Resümee, haben wir doch selten so ungern ein Testfahrzeug wieder abgegeben. Der Jaguar XJ zeigt sich von seiner besten Seite, die Vorteile als luxuriöse Reiselimousine werden erst auf längeren Streckenabschnitten deutlich.
Der polarisierende Brite ist alles andere als ein Massenprodukt, auf deutschen Straßen viel eher ein Exot. Dass er sich von der grauen Masse abhebt, sehen wir als klaren Vorteil an. Jaguar ist eben eine Marke für Individualisten und das ändert sich auch beim großen XJ nicht.
Bei der Anschaffung einer Limousine in diesem Segment sollte der Jaguar XJ definitiv in die Kaufüberlegung mit einbezogen werden. In der von uns getesteten Ausstattungslinie Portfolio ist für knapp 93.000 Euro eine üppige Serienausstattung inbegriffen, sodass sich die Aufpreisliste mit rund 10.000 Euro als sehr überschaubar gestaltet.
Text / Fotos: NewCarz
Kamera: Canon EOS 7D Mark II
Konkurrenz: BMW 7er, Mercedes-Benz S-Klasse, Audi A8
Technische Daten: Jaguar XJ 3.0L V6 Diesel Portfolio
Länge x Breite x Höhe (m): 5,13 x 1,90 x 1,46
Motor: Sechszylinder-V-Motor mit Turboaufladung
Leistung: 221 kW (300 PS)
Hubraum: 2.993 ccm
Max. Drehmoment: 700 Nm
Getriebe: 8-Stufen-Automatikgetriebe von ZF
Antrieb: Heckantrieb
Durchschnittsverbrauch (NEFZ-Norm): 5,7 L/100 km
CO2-Emissionen: 149 g/km
Abgasnorm: Euro 6
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 6,2 Sekunden
Leergewicht: 1.835 kg
Kofferraumvolumen: 520 l
Kraftstofftank: ca. 77 Liter
Sorgt seit 2015 stets für den „Nachschub“ an automobilen Neuigkeiten, ob als Modellpremieren, Modellpflege oder strategische Neuausrichtung von Herstellern – um nur einige zu nennen. Sein enger Draht zu den Herstellern ist ein Garant für brandneue Informationen und Autonews aus erster Hand. Seine automobile Vorliebe gehört vor allem den gut motorisierten Cabrios und Coupés dieser Welt.
Das beste Review über den XJ – mit Abstand!