Als der Jeep Gladiator in seiner Neuauflage vor drei Jahren auf dem Markt erschien, haben ihm manche sogleich einen Spitznamen verpasst: Rucksack-Wrangler.
Und so ganz falsch ist diese Bezeichnung nicht, denn unähnlich ist der Gladiator dem Wrangler nun wahrlich nicht.
Zumindest hat der „neue“ Gladiator nichts mehr mit seinem Vorgänger zu tun, der ebenfalls als Pick-Up bereits vor 60 Jahren die Nutzfahrzeugklasse der Marke aufstockte. Der Ur-Gladiator wurde bis 1988 gebaut und dann eingestellt.
Rund 16 Jahre später hat man bei Jeep über einen Nachfolger nachgedacht und tatsächlich 2004 einen Prototypen auf der Basis des Wrangler präsentiert. Dieser sollte aber nie gebaut werden, sondern lediglich die Zukunft der Marke aufzeigen. Noch einmal 15 Jahre gingen danach ins Land, in denen nicht selten die Rufe der Wrangler-Fans aufkamen, eine Version mit Ladefläche zu bauen. Und siehe da: der neue Gladiator basiert als Pick-Up auf dem Wrangler.
Unser Testprotagonist mit der verheißungsvollen Außenfarbe „Firecracker Red“ besaß einen V6-Turbodiesel und die Ausstattung Overland. Gut eineinhalb Jahre nach der Einführung des Jeep Gladiator folgt nun der ausführliche Fahrbericht.
- Die Außenansicht des Jeep Gladiator
- Die Ladefläche
- Der Innenraum
- Antrieb und Fahreigenschaften
- Ausstattung, Komfort, Sicherheit
- Varianten und Preise
- Fazit
- Pro & Contra
- Technische Daten
Die Außenansicht des Jeep Gladiator
Wir haben es bereits angemerkt, dass der Jeep Gladiator seiner Vorlage sehr ähnlich sieht. Vor allem die Fahrzeugfront zeigt viele Analogien und nur einem Kenner fallen die Unterschiede ins Auge.
Dazu gehört in erster Linie die geänderte Motorhaube, die anstelle der seitlichen Lüftungsschlitze hier eine Lufthutze quer auf dem mittigen Powerdome aufzeigt. Der Rest wie der Frontgrill mit seinen sieben vertikalen Lüftungsschlitzen und die kugelrunden Scheinwerfer könnten genau so auch von jedem Wrangler stammen.
Ganz anders offenbart sich allerdings die Seitenperspektive. Zuallererst fällt hier die hinzugewonnene Länge auf – rund 70 Zentimeter mehr sind da wahrlich keine Kleinigkeit. Und nicht nur das fällt an dem nun fast 5,60 Meter langen Gefährt auf, denn auch der Radstand wurde um fast einen halben Meter (!) verlängert. Das ist auch notwendig, denn neben der großen Fahrerkabine braucht es auch Platz für die dazugekommene Ladefläche zu der wir später noch kommen.
Am Heck gibt es das unübersehbare Jeep-Logo mittig auf der Heckklappe, welche geöffnet eine Ladekantenhöhe von 89 Zentimetern offeriert – da muss man sich zum Beladen schon ordentlich lang machen. Die Heckleuchten mit LED-Technik entsprechen mit ihrer aufgesetzten kantigen Art dem gesamten Retro-Look des Jeep Gladiator.
Wie auch beim Wrangler lassen sich Türen, Motorhaube, Frontscheibe und das Dach komplett ausbauen. Ein Schlüsselsatz zur Montage liegt auch im Gladiator bereit. Das Dach kann man als Hardtop mit einzeln herausnehmbaren Teilen oder als Stoffverdeck wählen. Unser Testwagen hatte erstgenannte Variante.
In Summe bietet der Gladiator optisch eine Mischung aus Nostalgie, Lifestyle und Offroad-Ambitionen. Dass das ausgesprochen gut zusammenpasst, muss man im Grunde nicht mehr erwähnen, oder?
Die Ladefläche des Jeep Gladiator
Die eigentliche Nutzfläche ist mit einer Länge von 1,53 Metern (bei geschlossener Bordwandklappe) und 1,44 Meter an Breite etwas kleiner als die eines Nissan Navara und zum Platzhirschen Amarok in puncto Ladeflächenbreite fehlen da sogar noch rund 18 Zentimeter – das sind in dieser Disziplin Welten.
An den Radkästen ist eine Mindestbreite von 1,13 Metern gegeben und das Zuladungsgewicht beträgt maximal 565 Kilogramm – auch hier muss er sich der Konkurrenz geschlagen geben, die teilweise über eine Tonne draufpackt. Die Bordwand hat eine Höhe von knapp 45 Zentimeter.
Interieur – Komfortabel und geräumig
Auch der Innenraum zeigt viele Gemeinsamkeiten zu einem Wrangler und die Instrumententafel im Retro-Style hat neben dem modernen Zentralbildschirm noch jede Menge an echten Bedienelementen in Form von Drehreglern & Co. bewahrt – toll!
Die eingesetzten Materialien wirken robust und wurden allesamt solide verarbeitet. Der Gesamteindruck ist hier von einer potenziellen Langlebigkeit gezeichnet, die auch eine etwas rauere Beanspruchung aushalten dürfte. Das Lederpaket kostet gut 2.000 Euro extra und wertet den Innenraum nochmals auf.
Die Sitze bieten eine sehr bequeme Polsterung und vorne sitzt man bei einem sehr ausgeprägten Raumgefühl. Hinten ist aufgrund der direkt hinter der Rückbank endenden Passagierkabine ein Nachteil entstanden: Die Rückenlehnen lassen sich nur sehr begrenzt neigen, wodurch eine sehr aufrechte Sitzposition vorgeschrieben wird. Der Sitzkomfort ist dadurch im Fondbereich vor allem bei größeren Passagieren entsprechend geringer als in einem Wrangler.
Dafür lassen sich die Fondsitze vielfältig hoch- und nach vorn umklappen, wodurch der dadurch jeweils entstehende Platz hier zusätzlich praktikabel genutzt werden kann. Unter den Sitzen entstehen so zusätzliche 50 Liter Stauvolumen und hinter den Sitzen bis zu 60 Liter.
Motor und Fahreigenschaften – Power und Effizienz im Einklang
Der Jeep Gladiator bekommt einen Antrieb, von dem ein Wrangler hierzulande nur träumen kann: einen Sechszylinder-Turbodiesel. Während die Wrangler innerhalb der EU nur noch mit hybridisierten Vierzylindern verkauft werden, darf sich der Gladiator – der Einstufung als Nutzfahrzeug und dem damit einhergehenden Rausfall aus der Emissionsberechnung des Flottenverbrauchs sei Dank – einen V6 mit drei Litern Hubraum gönnen.
Der Motor wirft 264 PS sowie 600 Newtonmeter maximales Drehmoment in die Waagschale. Die Kraftverteilung für diese Dieselpower übernimmt eine 8-Stufen-Automatik, die sanft und fast immer passend die Schaltvorgänge übernimmt. Allradantrieb ist inklusive einer Geländeuntersetzung immer an Bord dieses Pick-Ups.
Der Motor liefert bereits ab 1.400 Umdrehungen pro Minute sein Maximum an Drehmoment und sorgt allein dadurch sehr frühzeitig für druckvollen Vortrieb. Der Gladiator ist trotz seines Gewichtes von knapp 2,4 Tonnen mit diesem Selbstzünder fast schon als leichtfüßig beschreibbar.
In allen Lebenslagen sorgt der V6 für souveränen Vortrieb, beschleunigt die Nutztierfuhre in 8,6 Sekunden auf Tempo 100 und wird bei 177 km/h – der Tacho meint, es wären 185 – elektronisch eingefangen. Das ist auch gut so, denn schneller muss dieser Pick-Up wahrlich nicht sein.
Gegen noch mehr Speed spricht einmal die in Neutralstellung etwas teigig wirkende Lenkung und zum anderen der Kastenrahmen mit offroad-affiner Abstimmung des Fahrwerks, welches sich auf befestigter Straße etwas burschikos anfühlt.
Das heißt nicht, der Jeep Gladiator wäre unkultiviert, das sicherlich nicht. Man fährt mit ihm völlig unaufgeregt auch mehrere hundert Kilometer am Stück um die Richtgeschwindigkeit. Wird man schneller als 150 km/h, gesellen sich eine deutlich zunehmende Geräuschentwicklung durch den Fahrtwind an der fast senkrecht stehenden Fronscheibe und ein etwas nervös anmutendes Lenkverhalten dazu. Vom Motor hört man dank guter Dämmung dagegen fast nichts.
Dafür ist der Pick-Up im Gelände wieder der Meister seines Faches. Allrad mit Geländeuntersetzung sind hier Serie und das „Trail Rated“-Emblem an den Kotflügeln verspricht die vom Hersteller geprüfte Offroad-Tauglichkeit. In der Praxis ist es auch so, dass der Big Boy im Off kaum Konkurrenz fürchten muss und so ziemlich alles mitmacht – selbst Wasserdurchfahrten bis zu 76 Zentimetern Wassertiefe sind drin. Lediglich der durch den langen Radstand bedingte, etwas knappe Rampenwinkel setzt hier Grenzen.
Weniger geeignet ist dieser Pick-Up für die urbanen Gefilde. Knapp 5,60 Meter Fahrzeuglänge und ein Wendekreis wie ein Linienbus – 13,7 Meter, um genau zu sein – lassen die Hände bei Rangiermanövern in beengte Parklücken schnell schweißnass werden. Die hiesigen Parkhäuser mit ihren Bemaßungen auf Grundlage von Automobilen aus den 70ern sollte man lieber gänzlich meiden.
Sein maximales Zuggewicht von gut 2,7 Tonnen ist zwar ordentlich, doch die Konkurrenz kann mit bis zu 3,5 Tonnen eindeutig mehr. Auch bei der Zuladung schlägt die Konkurrenz mit bis zu 1,1 Tonnen den Gladiator um das Doppelte.
Beim Thema Verbrauch verblüffte uns der V6 allerdings. Wir haben mit deutlich im zweistelligen Bereich liegenden Werten gerechnet. Doch im Drittelmix kamen wir mit 10,5 Litern pro 100 Kilometer Fahrstrecke nur knapp in ebendiesen Bereich. Dabei haben wir weitaus mehr als nur vereinzelt die Leistung des Sechszylinders abgerufen. Wer das nicht so oft praktiziert und eher defensiv unterwegs ist, käme auch locker mit gut acht Litern zurecht.
Auf unserer Sparrunde konnten wir den Gladiator sogar mit nur 5,9 Litern auf 100 Kilometer bewegen – ein toller Wert für ein Auto dieser Größe und mit diesem Antrieb.
Ausstattung, Komfort, Technik
Als „Overland“ konnte der Retro-Pick-Up ausstattungstechnisch so einiges bieten. Dazu gehört unter anderem das Uconnect Infotainment, welches man auch im Wrangler der höheren Ausstattungsstufen kennt.
Neben einem trotz auffälliger Stabantenne am Kotflügel nur mittelprächtig empfangsbereitem DAB+ und einem Navigationssystem mit zuverlässiger Routenführung beherrscht dieses 8.4-Zoll-Multimediasystem darüber hinaus die Konnektivitätslösungen Android Auto und Apple CarPlay. Auch wenn man für beides ein USB-Kabel benutzen muss, ist die Verbindung in Sekunden hergestellt und die Nutzung ging im Test fehlerfrei vonstatten.
Ein echtes Highlight ist außerdem das Premium-Soundsystem – so wird es von Jeep benannt. Eine direkte Markenzugehörigkeit ist nicht erkennbar und wird auch nicht kommuniziert. Doch der Klang dieser Anlage ist fulminant, sehr warm und druckvoll. Gleichgültig, welches Genre man bevorzugt, spielt dieses System alle mit einer eindrucksvollen Souveränität.
Die Voll-LED-Scheinwerfer lassen auch am Gladiator keinerlei Raum für etwaige Kritik zu. Mit einem extrem hellen, homogenen und sehr weitereichenden Lichtkegel wird jede Nachtfahrt zum Kinderspiel.
Beim Thema Sicherheit hat Jeep auch sonst nicht gespart und stattet den Pick-Up mit bis zu 65 aktiven und passiven Sicherheitssystemen aus. Dazu gehören diverse Assistenzsysteme, wie ein sanft agierender Abstandstempomat, eine Anhängerstabilisierung und spezielle Off-Road-Pages assistieren den Geländeausflug mittels einer Anzeige diverser Parameter.
Gefallen hat uns außerdem der eher zurückhaltende Einsatz von Warnungen und die nicht bevormundend wirkende Art der Assistenzhilfen, wie beispielsweise beim Spurhalteassistenten. Die Lenkrad- und Sitzheizungen – vor allem letztgenannte – benötigten im Test etwas Zeit zur Erwärmung, konnten die Wärme dann aber konstant und flächendeckend halten.
Varianten und Preise des Jeep Gladiator
Den großen Pick-Up hat man für mindestens 74.500 Euro in seiner hoffentlich ausreichend großen Garage stehen. Es gibt ihn hierzulande mittlerweile nur noch in der Ausstattung „Overland“ und der V6-Turbodiesel ist die einzige Antriebsart, die angeboten wird.
Dazu kann man noch Dinge wie eine Lederausstattung, eine Metallic-Sonderfarbe, ein Dual-Dach bestehend aus Hard- und Softtop, Dual-Türen mit abnehmbarem Stoff statt Seitenscheiben (nur mit einigen Außenfarben kombinierbar), eine Offroad-Frontkamera und einiges mehr hinzubuchen, was den Preis sehr nahe an die 91.000-Euro-Marke bringt.
Fazit – XL-Pick-Up mit Retro-Note
Der Jeep Gladiator dürfte für alle Wrangler-Fans als eine liebenswerte Art von Pick-Up gelten, der mit seinem Retro-Look und seinen US-Car-Abmessungen genau diesen Charme verströmt, den seine Sympathisanten so mögen. Nicht wenige Fans des Wranglers haben sich zudem seit längerem eine Version mit Ladefläche gewünscht. Jeep hat diese Wünsche erhört und einen echten Brocken auf die Räder gestellt.
Er ist zweifelsohne kein Schnäppchen, dafür aber sehr gut ausgestattet und – das ist ein echter Joker – fährt mit einem bärenstarken V6 unter der Haube. Seine umfassende Geländetauglichkeit lassen ihn auch unter erschwerten Bedingungen zum Einsatz kommen und erheben ihn zugleich in den Olymp echter Allrounder. Doch auch damit ist die Chance, den Gladiator auf öffentlichen Straßen zu Gesicht zu bekommen eher gering.
Denn seine Ladefläche, seine Zuladung und das Anhängerzuggewicht sind nicht unbedingt konkurrenzfähig und der nicht so seltene Pragmatismus in der Pick-Up-Liga lässt Interessenten lieber einige 10.000 Euro einsparen, indem sie sich lieber einen Ford Ranger oder Mitsubishi L200 holen. Der Lifestyle-Junkie mit dem Hang zum Abenteuer wird sich allerdings in diesen Gladiator genauso verlieben wie die Fans der Marke und des Offroad-Metiers.
Kamera: Canon EOS 5D Mark III
Pro und Contra
Pro:
- kraftvoller Motor
- moderater Verbrauch
- sehr gute Geländetauglichkeit
- umfangreiche Ausstattung
- ausgeprägte Variabilität
- sympathisch wirkende Retro-Optik
Contra:
Technische Daten: Jeep Gladiator 3.0 V6 Multijet Overland
- Farbe: Firecracker Red Uni
- Fahrzeugklasse: Pick-Up / Mittelklasse
- Länge x Breite x Höhe (m): 5,59 x 1,89 x 1,91
- Radstand (mm): 3.488
- Antrieb: V6 Commonrail-Turbodiesel mit SCR-Kat und DPF
- Hybridart: –
- max. Leistung: 194 kW (264 PS) bei 3.600 rpm
- max. Drehmoment (Nm): 600 bei 1.400 bis 2.800 rpm
- Hubraum: 2.987
- Getriebe: 8-Gang-Automatik
- Antriebsart: Allrad mit Untersetzung und Sperre
- Durchschnittsverbrauch (WLTP): 9,6 l/100 km
- Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 10,5 l/100 km
- CO2-Emissionen (Werksangabe): 252 g/km
- Schadstoffklasse: Euro 6d-ISC-FCM
- Höchstgeschwindigkeit: 177 km/h
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h (sec): 8,6
- Wendekreis (m): 13,7
- Bodenfreiheit (mm): 253
- Böschungswinkel vorn/hinten: 41°/25°
- Rampenwinkel: 18,5°
- Wattiefe (mm): 760
- Ladefläche L x B x H (mm): 1531 x 1.442 x 445
- Kofferraumvolumen unter/hinter Rücksitzen (l): 50/60
- Leergewicht (kg): 2.360
- Zuladung (kg): 565
- Anhängelast ungebremst/gebremst (kg): 750/2.721
- max. Stützlast (kg): 136
- max. Dachlast (kg): 45
- Tankinhalt (l): 71
- AdBlue (l): 19,5
- Kraftstoffart: Diesel
- Neupreis des Testwagens: 81.030 Euro (Basispreis: 74.500 Euro)
Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.