Nach dem erfolgreichen Debüt des Hybridmodells vor drei Jahren, legten die Koreaner ein Jahr später eine Version mit Nachlademöglichkeit nach: den Kia Niro PHEV.
Höchste Zeit also, den erweiterten Doppelherz-Kia einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Wir fuhren die PHEV-Variante als Spirit-Version mit 141 PS Systemleistung des Modelljahres 2019.
Exterieur – Der eigenständige Crossover
Der Kia Niro PHEV bleibt erwartungsgemäß seinem Äußeren treu und vermittelt als typischer Crossover eine gut abgestimmte Mischung aus SUV-DNA mit leichten Ambitionen zu einem Van, was vor allem in der Seitenansicht deutlich wird. Der Größeneindruck bleibt dabei insgesamt auf dem Kompaktklasseniveau.
Der als Tigernase designte Frontgrill mit den wohlproportionierten Scheinwerfern flankiert, vermittelt in Summe ein freundliches Antlitz, welches ohne Designspielereien auskommt und allein durch diese angenehme Schlichtheit Sympathiepunkte einheimst.
Das Heck mit den markanten, im Relation zum Rest des Fahrzeugs großen Heckleuchten und deren auffallenden Lichtsignaturen stellen da schon fast einen Gegensatz dar und bescheren dem Kia Niro sogar ein klares Eigenständigkeitsmerkmal.
Dass es sich bei unserem Testwagen um einen Kia Niro PHEV handelt, verraten diverse Plaketten ringsum, mit entsprechendem Schriftzug.
Interieur – Solides KIA-Areal
Der Innenraum empfängt uns mit der bekannten Kia-Architektur, welche eine gesunde Mischung aus aufgeräumter Anordnung aller Instrumente und Bedienelemente sowie dem Einsatz sehr gut verarbeiteter und solider Materialien darstellt. Einzig der großzügige Einsatz von Hartplastik vor allem im Bereich der Mittelkonsole fällt hier etwas auf.
Bequeme Sitze und ein haptisch sehr gutes Lenkrad sichern eine ergonomische Schnittstelle zwischen Fahrer und Fahrzeug. Die Platzverhältnisse sind überdurchschnittlich gut, vor allem auf den hinteren Plätzen kann man sich nahezu uneingeschränkt breitmachen. Selbst großgewachsene Personen erleben hier ein erstaunliches Maß an Kopf- und Beinfreiheit.
Im Kofferraum geht es dann etwas weniger üppig zu, denn die Lithium-Ionen-Zellen unter der Laderaumabdeckungen fordern hier ihren Tribut in Form von Platz. Doch wer genügsam ist und seinen Platzbedarf gut plant, kommt mit dem durchschnittlichen Raum aus. Erfreulich ist an dieser Stelle die unverändert große Ladeklappe und die niedrige Ladekante zu erwähnen.
Motor und Fahreigenschaften – Mixed Emotion
Dass der Kia Niro PHEV in diesem Kapitel keine Enttäuschung werden würde, war unsere feste Überzeugung, die wir aus unserem Erstkontakt mit dem „normalen“ Hybrid nährten. So war es dann auch – zumindest im Großen und Ganzen. Einige Überraschungen gab es dennoch.
Doch von vorne. Zuallererst bleibt auch hier der Mix aus 1.6-Liter Benziner mit Atkinsonprinzip und Elektromotor erhalten. Doch als PHEV erstarkt der Elektroantrieb signifikant und zeigt sich als Duo mit dem Verbrenner im Test als recht agil, was munter auf jeden Gasbefehl reagiert und dabei für genügend Vortrieb sorgt. Neben einem Hybrid-Modus gibt es noch einen Sport-Modus und einen E-Modus, der auch rein elektrisches Fahren ermöglicht – vorausgesetzt der Akku wurden vorher entsprechend geladen.
Was wir länger gesucht und schlussendlich da gefunden haben, wo man es am wenigsten vermutet, ist die Möglichkeit, die Batterie auch während der Fahrt wieder aufzuladen. Anders als bei anderen Modellen gibt es keine entsprechend bezeichnete Funktion im Kia Niro PHEV. Stattdessen funktioniert dies im Sportmodus, was wir als sehr ungewöhnlich empfanden.
Hier gelang es uns tatsächlich auf 100 gefahrenen Kilometern über Landstraßen und ein wenig Ortschaften, die Reichweite des Akkus von null auf 40 Kilometer nachzuladen. Dabei stieg der Verbrach zwar an, jedoch nicht so stark, wie erwartet. Mit 7,6 Liter auf 100 Kilometer resultierte dieses Unterfangen und das bei nicht einmal zurückhaltender Fahrweise.
Das Fahrwerk des Plug-In Hybrid erwies sich als ähnlich straff, wie das des Mild-Hybrid-Geschwistermodells. Dadurch macht der Koreaner durchaus auch so einiges an forcierter Gangart mit, was nicht zwangsläufig bei der anvisierten Zielgruppe im Vordergrund stehen sein dürfte. Im Grenzbereich neigt der Kia Niro PHEV zum Untersteuern, wird aber sehr früh durch den ESP-Eingriff daran gehindert.
Im E-Modus geht es bis zu 120 km/h rein elektrisch voran. Dazu muss man allerdings viel Gefühl beim Umgang mit dem Gaspedal beweisen. Einmal zu viel Druck darauf und der Verbrenner schaltet sich sofort hinzu. Maximal 52 Kilometer sollen rein elektrisch zu schaffen sein. Wir haben maximal 41 Kilometer geschafft – über Land und mit extrem zurückhaltender Fahrweise.
Maximal erreicht der Kia Niro PHEV 172 km/h, laut Tacho waren es sogar 180 km/h. Im Sprint nimmt er dem einfachen Hybrid sieben Zehntel ab und erreicht aus dem Stand nach 10,8 Sekunden Tempo 100. Dies ist aber im Alltag eher unerheblich.
Erheblich ist dagegen die Ladezeit an einer öffentlichen Wallbox mit Wechselstrom. Die von Kia angegebene Ladedauer von 2:12 Stunden erreichten wir nie, sondern benötigten im besten Fall 2:35 Stunden bei einer Batteriefreundlichen Außentemperatur von 16 Grad Celsius. An der haushaltüblichen Steckdose dauert der Ladevorgang laut Kia knapp vier Stunden. Im Test zeigte hier das System grundsätzlich über vier Stunden „Leinenzwang“ an. Ein Laden per Gleichstrom ist beim Niro PHEV nicht möglich.
Diese Ladezeiten zwingen den Fahrer zu einem überwiegenden „Nachtanken“ entweder über Nacht oder während einem Arbeitstag, sofern man auf eine Lademöglichkeit als Pendler am Arbeitsplatz zurückgreifen kann. Ein Nachladen per Zwischenstopp auf einer Reise erwies sich aufgrund der recht langen Ladezeiten als nicht sinnvoll.
Im Gesamtresümee verbrauchte der Kia Niro PHEV im Drittelmix 5,5 Liter auf 100 Kilometer. Dabei ließen wir den Akkustand bewusst nur zu 50 Prozent zu, um einen realistischen Wert zu erreichen. Bei vollem Akku und idealen Bedingungen sind 3,1 bis 3,5 Liter möglich. Ist der Akku leer und man lässt das Gaspedal dauerhaft auf dem Bodenblech, genehmigte sich der Koreaner sogar zehn Liter.
Das getestete Vorfaceliftmodell verfügt noch nicht über eine elektrische Heizung. Das bedeutet, dass in den kalten Jahreszeiten hierfür immer der Verbrennungsmotor hinzugezogen werden muss.
Ausstattung, Komfort und Sicherheit
Die meisten Assistenzsysteme des Kia Niro PHEV können links vom Lenkrad mit einem Tastendruck an oder abgeschaltet werden. Ein Spurhalte- und Spurwechselassistent war im Testwagen ebenfalls vorhanden und verrichtete im Rahmen unserer Fahrten eine solide Unterstützung – ohne dabei bevormundend zu wirken.
Das Soundsystem kann einfachen Anforderungen genügen, ein Upgrade auf eine Premiumanlage sei allen Soundliebhabern allerdings ans Herz gelegt. Vorteilhaft: Musik kann über Bluetooth, USB und AUX-In gespeist werden, was im Test auch anstandslos funktionierte. Im Testwagen stand leider kein DAB+ zur Verfügung.
Als hervorragend erwiesen sich die Sitz- und Lenkradheizung, welche gleichmäßig und ausgesprochen kraftvoll arbeiteten. Eine Rückfahrkamera lieferte ein gutes Bild und erleichterte entsprechend jeden Parkvorgang. Vorteilhaft im urbanen Bereich: Das Fahrzeug klappt bei Verriegeln die Außenspiegel an.
Die LED-Scheinwerfer des Niro erwiesen sich als gut, die Ausleuchtung ist breit und relativ homogen, die Reichweite könnte indes beim Abblendlicht etwas größer sein, beim Fernlicht gibt es dagegen nichts zu beanstanden. Die Nebelscheinwerfer waren im Testfahrzeug mit konventionellen Halogenlampen bestückt.
Varianten und Preise für den Kia Niro PHEV
Da es bei unserem Testwagen um ein Vorfacelift handelte, können wir hierzu keine preislichen Angaben mehr machen. Sicherlich wird dieses Modell aber noch immer als Vorführwagen, Tageszulassung oder Jahreswagen angeboten.
Ein Nachhaken beim Kia-Händler in der Nähe bringt dabei entsprechend Aufschluss. Das aktuelle Facelift ist seit September dieses Jahres auf dem Markt und bringt diverse Neuerungen, vor allem in puncto Assistenzsysteme sowie bei der Hybridtechnik, mit sich. In einem Test dieses neuen Modells werden wir zur gegebenen Zeit entsprechende Vergleiche ziehen.
Fazit – Hybrid oder Plug-In Hybrid, das ist hier die Frage
Im Grunde hinterließ der Kia Niro PHEV einen recht stimmigen Eindruck in der Redaktion, warf jedoch gleichzeitig die Frage auf, ob es denn nun wirklich der Plug-In-Hybrid sein muss. Immerhin bietet Kia den Niro auch als Mildhybrid an, der in den wesentlichen Disziplinen mindestens genauso gut abschnitt.
Einzig das dauerhaft elektrische Fahren sowie die zusätzliche Lademöglichkeit machen den PHEV aus, jedoch muss hier Geduld beim Ladevorgang mitgebracht werden. Für eine Zielgruppe, die sowohl daheim als auch auf der Arbeit die Möglichkeit hat, das Fahrzeug in absentia zu laden, ist der PHEV die klügere Wahl. Allen anderen Interessenten sei auch ein Blick auf den Niro mit Mildhybridsystem angeraten.
Text / Fotos: NewCarz
Kamera: Canon EOS 6D
Farbe: Snow White Pearl Metallic
Länge x Breite x Höhe (m): 4,36 x 1,81 (2,04 mit Außenspiegel) x 1,54
Radstand in mm: 2.700
Antrieb: Vierzylinder Ottomotor plus Elektromotor
Systemleistung: 104 kW (141 PS) bei 5.700 rpm
Hubraum: 1.580 ccm
Max. Drehmoment: 265 Nm bei 1.000 rpm
Getriebe: 6-Gang-Doppelkuppungsgetriebe
Antrieb: Front
Verbrauch kombiniert (NEFZ- Norm): 1,3 Liter/100 km
Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 5,5 Liter/100 km
CO2-Emissionen (Herstellerangabe): 31,3 g/km
Abgasnorm: Euro 6d Temp EVAP ISC
Höchstgeschwindigkeit: 172 km/h (elektronisch begrenzt)
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 10,8 sec
Kofferraum: 324 bis 1.322 Liter
Zuladung: 406 kg
Leergewicht: 1.594 kg
Wendekreis: 10,6 m
Anhängelast ungebremst/gebremst bis 12 %: 600/1.300 kg
Stützlast: 100 kg
Dachlast: 100 kg
Tankinhalt: 43 Liter
Hybrid-Akku: Lithium-Ionen-Polymer 8,9 kWh
Ladedauer AC-Ladestation: 2:12 Stunden (gemessen 2:35 Stunden)
Kraftstoffart: Benzin mind. 95 Oktan
Neupreis des Testwagens: ca. 41.000 Euro
Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.