Er ist der Nachfolger des legendären Gallardo, trägt noch immer einen frei atmenden V10 im Heck und kann ohne Dach die Verbindung zwischen Mensch und Maschine enorm intensivieren – die Rede ist vom Lamborghini Huracán Evo Spyder.
Gallardo – das steht für spanisch und bedeutet soviel wie „der Anmutige“. Was Huracán bedeutet? Spielt eigentlich keine Rolle, vielmehr sind die Werte, die dieser Kampfstier schon auf dem Papier offeriert eher der Rede wert.
In seiner jüngsten Ausbaustufe – genannt „Evo“ – leistet der Italiener 640 Pferdestärken, sprintet in 3,1 Sekunden auf 100 km/h und erst jenseits der 325 Sachen wird dem Vortrieb so langsam Einhalt geboten.
Für einen Test stand uns der offene Spyder in der wunderschönen und tiefgründigen Lackierung Blu Uranus Matt zur Verfügung. Fahrbericht.
- Die Außenansicht
- Der Lamborghini von Innen
- Motor und Fahreigenschaften
- Assistent & Technik
- Varianten und Preise
- Fazit
- Pro & Contra
- Technische Daten
Exterieur
Ein Lamborghini ist grundsätzlich eine martialische Erscheinung – in der Regel flach, böse dreinblickend und aufmerksamkeitsstark. So verhält es sich auch mit dem Huracán, der in seiner jüngsten Ausbaustufe markante Änderungen zeigt, die insbesondere am Heck deutlich werden. Doch der Reihe nach.

Steht man das erste mal vor dem Zehnzylinder, fällt zunächst auf, dass das Fahrzeug wirklich sehr klein ist. Die Front kauert nur wenige Zentimeter über dem Boden und selbst an der höchsten Stelle misst der Italiener gerade einmal 1,18 Meter. Die Front schaut extrem böse drein. Dieses aggressive Design ist typisch für vergangene, aber insbesondere aktuelle Lamborghini-Modelle, bei denen der Designer Filippo Perini federführend war. Nicht umsonst werden die Fahrzeuge der italienischen Nobelschmiede gern auch mal mit Kampfjets verglichen.

Ultraschmale LED-Scheinwerfer schauen uns nun also an, wie ein Kampfhund, in dessen Revier wir widerrechtlich eingedrungen sind. Je länger man hinschaut, desto filigraner und sehniger wirkt dieses Geschöpf. Viele Ecken, Kanten und Sicken zieren den Italiener und hier ist sie wieder, die Y-Signatur. Sie findet sich an vielen Stellen, so unter anderem in der Lichtsignatur und auch in Form von Frontblades, die man in Wagenfarbe lackiert hat.

Ein Blick auf die Seite offeriert ebendiese keilartige Silhouette, die wir schon vom großen Bruder, dem Aventador Roadster kennen. Im Vergleich zu diesem wirkt der Huracán etwas drahtiger und austrainierter, nicht ganz so grobschlächtig, sondern etwas jünger und gewissermaßen feiner in seiner Erscheinung – sofern man das bei einem Lamborghini überhaupt so sagen kann. Mattgoldene Felgen unterstreichen diesen Eindruck und während ein kleiner Schriftzug oberhalb der Schweller das Modell verrät, werden die Türen konventionell geöffnet. Die Scherentüren sind ausschließlich den V12-Modellen vorbehalten.

Am Heck wird es nicht minder spektakulär. Hier unterscheidet sich der Evo hauptsächlich von seinen Modellgeschwistern. Weit oben im Stoßfänger sind die Endrohre angeordnet – je eins rechts und links – und zeugen unverhohlen von Potenz – made in Italy, versteht sich. Dass die Heckleuchten ebenfalls die Y-Signatur tragen war bereits zu erwarten, doch insbesondere die Breite des Fahrzeugs wird hier abermals deutlich.
Interieur
Im Inneren des Lamborghini Huracán Evo Spyder werden Fahrer und Beifahrer empfangen und sogleich ins Geschehen eingebunden. Die Menschenfracht sitzt tief, sogar sehr tief. Allerdings möchten wir anmerken, dass das Gestühl nicht mal ansatzweise so unbequem ist, wie es auf manchen Fotos aussieht.

Auch mehrere hundert Kilometer am Stück haben wir hier problemlos abgerissen. Dennoch sollte an dieser Stelle erwähnt werden, dass Passagiere jenseits der 1,85 Meter vorab einmal probesitzen sollten, nur um sicherzugehen. Auf Wunsch werden die Sportsitze auch mit einer Heizung bestückt, die im Test ebenfalls zu überzeugen wusste.

Im Lamborghini Huracán Evo Spyder spielt die Musik beim Fahrer, das wird schnell deutlich. Der Zentralbildschirm wurde hochkant eingebaut und misst 8,4 Zoll in der Diagonale. Die Bedienung ist nach kurzer Zeit verinnerlicht – man hat hier großartigen Spielereien, wie man sie von anderen Fahrzeugen kennt, schlicht keine Beachtung geschenkt. Gut so. Dafür gibt es einen schicken Rahmen für den Zentralbildschirm und eine schlanke Mittelkonsole.

Die Tachoeinheit ist ebenfalls volldigital ausgeführt und wartet mit markentypisch scharfer Grafik auf. Die Ablesbarkeit ist auch bei direkter Sonneinstrahlung gewährleistet. Sehr angenehm ist zudem das dick gepolsterte Lenkrad, das gleich zwei Besonderheiten mitbringt. Einmal befindet sich in der unteren Speiche der Fahrmodus-Schalter in Form einer kleinen roten Wippe, zum anderen werden über das Lenkrad auch relevante Funktionen, wie Blinker, Fernlicht und Scheibenwischer gesteuert. Klassische Hebel gibt es hier nicht.

Dafür aber üppig dimensionierte Schaltwippen in Forged Carbon, einer Köperstruktur, die sich designtechnisch als anspruchsvoll und haptisch als angenehm erweist. Dieses Forged Carbon findet sich übrigens unter anderem auch an den Lüftungsdüsen, der Mittelkonsole und der Türverkleidungen wieder. Wir hatten hiermit erstmals im Aston Martin Vanquish S Volante Kontakt und haben dieses überaus hochwertige Material schon dort für sehr gut befunden.

Der Kofferraum befindet sich im Bug und fasst 100 Liter. Wer hier über Nutzwert philosophiert, gehört definitiv nicht zur Zielgruppe des Huracán. Zwei Moncler-Jacken und der LV-Weekender passen jedoch prima rein, genau wie zwei Kaschmir-Schals für den offenen Ritt mit offenem Verdeck und ein paar Flaschen Wasser.
Motor & Fahreigenschaften
Den Antrieb im Lamborghini Huracán Evo Spyder übernimmt ein 5,2 Liter großer V10, der ohne jede Form der Aufladung sein Werk vollbringt. Will heißen, Turbos und Kompressoren überlässt er gern den anderen, hier herrschen blanke Saugmotor-Vibes.

Schon nach dem ersten Druck auf den unter einer Klappe verborgenen Startknopf erwacht der kräftige Zehnzylinder mit heiserem, potenten Brüllen und meldet sich zum Dienst. Die ersten Meter bewegen wir den Stier im Strada-Modus. Insgesamt stehen drei Fahrmodi zur Wahl. Strada ist der wohl beste Kompromiss, um das heißblütige Vehikel im Straßenverkehr möglichst unauffällig und komfortabel zu bewegen.

Der Huracán bleibt derweil relativ entspannt und federt harmonischer, als man es je gedacht hätte. Das adaptive Fahrwerk verrichtet hier hervorragende Arbeit, sodass sich auch Novizen schnell mit dem 640-PS-Roadster anfreunden.

Ein Wechsel in den Sportmodus ändern den Charakter des Fahrzeugs so blitzartig, dass man bei einem Lebewesen schon fast von einer Manie sprechen würde. Wo eben noch ein dezentes Grollen im Hintergrund blieb, rotzt und faucht der Lambo nun vor sich hin und scheint bereit zu sein, Dinge zu tun, die weit über die geltende Straßenverkehrsordnung hinausgehen.

Auf der Landstraße beschleunigen wir den Stier und erfahren, was es heißt, wenn 640 PS über alle vier Rädern herfallen. Crescendoartig bricht adhoc ein Sturm über Fahrer und Beifahrer herein, der Huracán stürmt voran, wie von der Tarantel gestochen. Schlupf? Gibts nicht. Verschnaufpausen beim Schalten? Keine Chance, das Lamborghini Doppia Frizione, ein Doppelkupplungsgetriebe mit Temperament, prescht die Gänge nur so rein, dass es einem schwindelig wird. Schneller als geplant nehmen wir den Fuß vom Gas und es benötigt etwas Zeit, um die Geschehnisse Revue passieren zu lassen.

Der Lamborghini Huracán Evo Spyder ist wild, willig und rastlos, aber nicht so ungezähmt, wie sein großer Bruder, der Aventador S. Er fährt geschliffener, ja perfekter als dieser. Ist das ein Nachteil, ein Vorteil? Eher eine Frage der Philosophie. Brachiale Gewalt gibts bei beiden, der Huracán hat bessere Allroundeigenschaften. Der Verbrauch? Nicht, dass das wichtig wäre, aber wir haben 13,4 Liter pro 100 Kilometer während unseres gesamten Testes verbraucht. Entspannte Ausflüge werden mit rund zehn Litern belohnt, während Highspeed-Fahrten auch gern mal an der 20-Liter-Marke schaben. Auf der Sparrunde genehmigte sich der Zehnzylinder zurückhaltende 7,9 Liter.

Die Autobahn nutzen wir nun, um den Corsa-Modus zu strapazieren. Corsa – das steht hier nicht etwas für einen deutschen Kleinwagen, sondern italienisch für Rennstrecke. Und der Name ist Programm. Der Fahrer kann nun manuell die Gänge über die wunderschönen Carbon-Schaltwippen hereinpeitschen, die Klappen der Abgasanlage sind voll geöffnet und der Stier giert nur so nach der nächsten Kurve, Gerade – einfach eine weitere Herausforderung.
Etwas, das er immer und immer wieder mit Bravur abspult, gewaltig, schockierend und vor allem faszinierend. Bis 334 km/h schaffen wir es. Wie schnell er maximal ist? Keine Ahnung. Lamborghini selbst gibt hier „größer als 325 km/h“ an – das unterschreiben wir sofort.

Wir könnten jetzt viele Worte über die Lenkung verlieren, die jede Kurve perfekt filetiert. Oder die famosen Carbon-Keramik-Bremsen, welche die Fuhre immer und immer wieder im Zaum halten und – einmal auf Temperatur gebracht – noch bissiger zupacken. Auch könnten wir über die vielen weiteren Facetten des reinrassigen Supersportwagens sprechen.

Aber wir machen es kurz: Der Lamborghini Huracán Evo Spyder ist ein Berserker im besten Ferragamo-Dress – fein, sportlich, aber nicht distinguiert, sondern polarisierend. So liebt man diese Fahrzeuge und der V10-Roadster steht als Sinnbild einer Gattung, die auf einsamem Posten kämpft, aber dort so fest verwurzelt scheint, dass wir ihm noch viele Jahre und Jahrzehnte eine Daseinsberechtigung attestieren wollen.
Technik & Assistenz
Der Lamborghini Huracán Evo Spyder rollt bereits mit einer guten Ausstattung vom Band. Allerdings kam unser Testwagen zusätzlich auf Optionen im Wert von rund 70.000 Euro, die jedoch überwiegend das Design und die Individualisierung betreffen. So kostet allein die Mattlackierung rund 15.000 Euro. Nachfolgend widmen wir uns den relevantesten Ausstattungsumfängen des heißblütigen Italieners.

So konnten vor allem die Voll-LED-Scheinwerfer des Huracán auf ganzer Linie überzeugen – und das trotz extrem geringer Anbauhöhe. Sowohl Homogenität als auch Helligkeit gaben zu keiner Zeit Anlass für etwaige Kritik und auch die Reichweite ist verblüffend hoch. Das Fernlicht verwandelt dann jede dunkle Landstraße in einen photonengetränkten Lichttunnel.

Jeder Huracán-Kunde sollte zudem das Lift-System für die Vorderachse mit bestellen. Dies kostet zwar rund 3.600 Euro, doch schützt das Fahrzeug – bei entsprechender Nutzung – vor Berührungen mit dem Asphalt in Ein- und Ausfahrten und unterstützt auch bei sportwagenfeindlichen Bremsschwellen.

Ebenfalls sollte stets eine Rückfahrkamera konfiguriert werden. Diese ist nicht serienmäßig, kostet 1.920 Euro extra und projiziert ihr Bild ins Digitalcockpit. Aufgrund der schlechten Sicht nach hinten bei geschlossenem Verdeck eine dringende Empfehlung der Redaktion.

Sinnvoll sind zu dem die automatisch abblendenden Außenspiegel für 960 Euro zusätzlich. Da man aufgrund der flachen Bauweise schon vor einem nicht sonderlich hohen Kompakt-SUV mitten im Lichtkegel fährt, hilft es enorm, wenn die Blendung von hinten auf ein Minimum reduziert wird.
Varianten & Preise des Lamborghini Huracán Evo Spyder
Den heißblütigen Italiener mit Stoffverdeck gibt es aktuell in zwei Versionen:
- Huracán Evo Spyder – Der von uns getestete Spyder wartet mit 640 PS starkem Zehnzylinder und Allradantrieb auf. Der Preis beginnt bei 241.437 Euro inklusive Steuern.
- Huracán Evo RWD Spyder – Wer es puristischer mag, erhält den Huracán Evo Spyder auch mit reinem Heckantrieb. Den Antrieb übernimmt auch hier ein V10-Saugmotor, die Leistung beträgt immer noch üppige 610 PS. Der Preis für den Stier mit angetriebenen Hinterläufen beträgt mindestens 209.247 Euro inklusive Steuern.

Fazit zum Lamborghini Huracán Evo Spyder
Mit dem Lamborghini Huracán Evo Spyder haben die Italiener ein Fahrzeug auf die Räder gestellt, welches nicht nur begehrlich, sondern auch puristisch und gleichermaßen einfach zu fahren ist. Im Vergleich zum viel kompromissloseren Aventador, beherrscht der Huracán auch das entspannte Cruisen, sonnt sich im Glanze der vielen Blicke, die ihm zugeworfen werden und schert sich wenig um etwaige Normen.

Als Spyder schürt er die die ohnehin intensive Verbindung zwischen Mensch und Maschine, macht stetig Lust auf mehr Kilometer, was ein gewisses Suchtpotential aufflackern lässt, dem man nur allzu gerne verfallen möchte.

Natürlich bringen der hohe Preis und die nicht geringen Unterhaltskosten wieder die Realität ins Spiel. Ein Traumwagen ist der Huracán dennoch. Und in Sachen martialische Ästhetik kann ihm wohl kaum einer das Wasser reichen.
Kamera: Canon EOS 6D
Pro und Contra
Pro:
- für einen Supersportwagen gute Allroundeigenschaften
- frei atmender V10 mit enorm viel Leistung
- mannigfaltige Individualisierungsmöglichkeiten
Contra:
- teuer in Anschaffung und Unterhalt
- wenig Kofferraumvolumen
Technische Daten: Lamborghini Huracán Evo Spyder
- Farbe: Blu Uranus Matt
- Länge x Breite x Höhe (m): 4,52 x 1,93 x 1,18
- Radstand (mm): 2.620
- Motor: Zehnzylinder-V-Motor
- Leistung: 470 kW (640 PS)
- Hubraum: 5.204 ccm
- Max. Drehmoment: 600 Nm
- Getriebe: 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe (LDF)
- Antrieb: Allradantrieb
- Durchschnittsverbrauch (WLTP): 14,2 L/100 km
- Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 13,4 L/100 km
- CO2-Emissionen (Herstellerangabe): 338 g/km
- Abgasnorm: Euro 6
- Höchstgeschwindigkeit: >325 km/h
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 3,1 Sekunden
- Leergewicht (kg): 1.542
- Kofferraumvolumen (l): 100
- Kraftstoffart: Super E10
- Neupreis des Testwagens: ca. 313.788 Euro (Grundpreis Huracán Evo Spyder AWD: 241.437 Euro)

Sorgt seit 2015 stets für den „Nachschub“ an automobilen Neuigkeiten, ob als Modellpremieren, Modellpflege oder strategische Neuausrichtung von Herstellern – um nur einige zu nennen. Sein enger Draht zu den Herstellern ist ein Garant für brandneue Informationen und Autonews aus erster Hand. Seine automobile Vorliebe gehört vor allem den gut motorisierten Cabrios und Coupés dieser Welt.