Nach dem ersten Test des japanischen E-SUVs haben wir hier mit dem Nissan Ariya Evolve+ Pack das stärkste Derivat der Modellreihe gefahren.
Dazu muss angemerkt werden, dass mittlerweile der Ariya Nismo den Platz der Topmotorisierung einnimmt. Dennoch wollten wir es nicht versäumen, dieser außer Dienst gestellten Variante einmal genau auf die Batteriezellen zu schauen.
Unser Testwagen fuhr wiederholt in der Farbe „Akatsuki Copper Metallic“ vor, einer kupferfarbenen Lackierung, deren Namensgebung weiterhin viel Interpretationsspielraum bietet.
Das Wichtigste im Überblick
- Sehr gut motorisiertes E-SUV in unkonventionellem Design.
- Dank Allradantrieb und ausgewogenem Fahrwerk sehr gute und sichere Fahreigenschaften.
- Während es bei Ausstattung und Platzangebot Pluspunkte gibt, bieten Reichweite und Ladezeiten weniger Raum für Lob.
- Das recht teure Modell musste mittlerweile dem stärkeren und etwas günstigeren Ariya Nismo weichen.
- Exterieur & Interieur
- Antrieb und Fahreigenschaften
- Verbrauch, Reichweite, Aufladen
- Ausstattung, Komfort, Technik
- Varianten und Preise
- Fazit
- Pro & Contra
- Technische Daten
Exterieur & Interieur – Ein Plus ohne optische Folgen
Im direkten Vergleich zum getesteten Ariya Evolve Pack sind optisch im Grunde keine Unterschiede auszumachen. Selbst die Farbgebung mittels Kupfer mit dem kontrastierenden Schwarz namens „Black Pearl“ ist hier identisch.
Daher ist dieses Kapitel recht schnell abgeschlossen, denn die unkonventionelle Crossover-Karosserie mit ihren gekonnten Akzenten gefällt weiterhin. Das gilt auch für den geräumigen Innenraum, dessen komfortbetonte Gestaltung zweifellos den Premiumansprüchen gerecht wird – mit Ausnahme der Kunststoffabdeckungen der Lautsprecher. Zugegeben: Jammern auf hohem Niveau.
Praktisch: die elektrisch längs verstellbare Mittelkonsole; Spielerei: das elektrisch öffnende Fach vor der Mittelkonsole. Die Sensortasten funktionieren derweil sehr gut, was nicht zuletzt an dem physischen Feedback mittels Vibration liegen mag.
Ansonsten erweist sich das Bedienkonzept als schnell verinnerlicht und erschließt sich Novizen auch ohne Benutzerhandbuch relativ zügig. Mit 415 Litern Kofferraum ist das Ladeabteil sicher nicht das Größte in dieser Fahrzeugklasse, aber bei vorausschauender Planung steht auch der Urlaubsfahrt mit vier Personen nichts im Wege. Schade finden wir, dass der Ariya keinen Frunk besitzt, wie es im Kia EV6 oder im Mustang Mach-E der Fall ist.
Antrieb und Fahreigenschaften – Power vs. Ausdauer
Als Nissan Ariya Evolve+ Pack besitzt der Crossover wie sein Modellbruder ohne dem Plus die große Batterie mit 87 kWh sowie zwei Elektromotoren – pro Achse einer. Allerdings steigt hier die Leistung um 88 PS auf nunmehr 394 PS, während das Drehmoment von 600 Newtonmetern unverändert bleibt.
Das Plus an Leistung ist insbesondere bei Zwischenspurts oder beim direkten Beschleunigen deutlich spürbar. Immerhin ist der Ariya als Evolve+ eine gute halbe Sekunde schneller von null auf Tempo 100. Die Höchstgeschwindigkeit bleibt unverändert bei für E-Autos sehr schnellen 200 km/h, die das SUV mit etwas mehr Leichtigkeit erreicht als das Derivat ohne dem Plus.
Fahrtechnisch ist der Ariya als Evolve+ durchaus ein dynamisch fahrbares Auto. Das ESP wurde hier offensichtlich etwas feiner abgestimmt, denn die Eingriffe im Grenzbereich fielen deutlich dezenter aus. Ist dieser erreicht, möchte der Japaner wie auch sein Bruder gern über die Vorderräder schieben. Dieses Untersteuern kann hier aber im Sportmodus erstaunlich gut kaschiert werden, was offenbar durch eine stärkere Heckbetonung des Antriebs hervorgeht.
Auch die Lenkung wirkt hier eine Spur straffer und vor allem in Neutralstellung etwas präziser. Selbst das Bremsen scheint – zumindest im Sportmodus – exakter dosierbar zu gelingen. Das sind alles nur Nuancen, doch solche sind manchmal das Zünglein an der Waage. Unterm Strich verspricht der Ariya Evolve+ eine Portion mehr Fahrspaß, der nicht allein durch die Leistungssteigerung generiert wird.
Dafür fordert das Leistungsplus an anderer Stelle einen kleinen Tribut: nämlich bei der Reichweite.
Verbrauch, Aufladen, Reichweite
Denn mehr Leistung bedeutet wie so oft auch einen höheren Verbrauch. Doch dieser ist weitaus geringer als gedacht. Im Durchschnitt kamen wir auf 22,8 kWh pro 100 Kilometer. Das sind 1,6 kWh mehr als der Ariya als Evolve benötigt hatte.
Auf der Sparrunde verblüffte uns das Ergebnis umso mehr, denn mit 11,3 kWh auf hochgerechnet 100 Kilometer reduzierte sich der Stromkonsum sogar gegenüber dem Evolve um 0,6 kWh. Ob das an den unterschiedlichen Temperaturen lag, möchten wir bezweifeln, denn was beim Evolve bei 13 Grad Celsius die Heizung benötigte, forderte beim Evolve+ bei Außentemperaturen um die 26 Grad Celsius die Klimaanlage ein.
Wer dagegen den Ariya ordentlich rannimmt, muss beim Evolve+ mit Spitzenwerten von 30 kWh und mehr rechnen. Aber das ist bei Geschwindigkeiten um die 200 km/h und permanentem Bleifuß nicht anders zu erwarten gewesen.
Das Aufladen praktizierten wir ausschließlich an DC Hyperchargern, an denen wir die versprochenen 130 kW als Ladestrom gleich mehrfach erreichten. Mit 38 Minuten Ladezeit, um die Batterie von zehn wieder auf 80 Prozent zu bringen, waren wir mit dem Nissan Ariya Evolve+ Pack etwas schneller als beim Modell ohne Plus.
Das lag auch an der besseren Ladekurve, wodurch der Ladestrom auch bei mehr als 60 Prozent Füllstand der Batterie noch bei 100 kW und darüber lag. Dadurch betrug die Gesamtladezeit von zehn auf 100 Prozent nur 55 Minuten, was fast eine Stunde weniger Zeit in Anspruch nahm als in unserem Ariya-Test mit der Evolve Pack-Variante.
Die angegebene Reichweite von 498 Kilometern schafften wir im Test unter alltäglichen Bedingungen nicht. Stattdessen kamen wir auf rund 400 Kilometer, bei überwiegend Autobahn sind es auch nur 300. Dem gegenüber ist bei disziplinierter Zurückhaltung des Fahrers auch eine Fünf als erste Zahl durchaus realistisch. Wenngleich diese Fahrweise kaum der des alltäglichen Einsatzes entspräche.
Ausstattung, Komfort, Technik im Nissan Ariya Evolve+ Pack
Der Nissan Ariya Evolve+ Pack verfügte serienmäßig über neun Assistenzsysteme, zu denen auch der sogenannte ProPilot mit automatischer Anpassung der Geschwindigkeit und der Fahrspur nach den jeweiligen geografischen Gegebenheiten sowie unter Berücksichtigung von Verkehrszeichen gehört. Letzteres klappte stets erst einige Sekunden nach dem Passieren des jeweiligen Zeichens, wodurch die Geschwindigkeit oftmals zu spät korrigiert wurde. Ein zu diesem Konglomerat gehörender Stauassistent erleichterte derweil das Stop-&-Go-Prozedere für den Fahrer ungemein.
Wie bereits beim Ariya Evolve-Test überzeugten auch beim Evolve+ das Head-up Display und das Bose-Soundsystem genauso wie das LED-Scheinwerferlicht, welches dank Matrix-Funktion andere Verkehrsteilnehmer zuverlässig und schnell automatisiert ausblendete. Ab 40 km/h aktiviert sich diese adaptive Funktion automatisch.
Geblieben sind auch die unschönen Abkürzungen und Rechtschreibfehler in der Cockpitanzeige, beispielsweise bei der Anzeige der verbleibenden Ladezeit. Die Sitzheizungen arbeiteten dafür stets wirksam und schnell, ebenso die Lenkradheizung. Die Sitzbelüftung hat es bei sommerlichen Temperaturen allerdings ziemlich schwer und benötigt eine längere Zeit, um die gewünschte Abkühlung zu erreichen.
Dazu sind die Gebläse sehr geräuschintensiv, was bei längerem Einsatz umso mehr als störend empfunden wurde. Dennoch gilt hier: lieber laut und weniger kraftvoll als gar keine Sitzbelüftung.
So viel kostet der Nissan Ariya Evolve+ Pack
Vorab noch einmal der Hinweis, dass der Ariya mittlerweile nicht mehr als Evolve+ Pack verkauft wird. Ziemlich sicher war die Lücke zwischen Evolve und dem zuletzt hinzugekommenen Nismo zu klein.
Als Evolve+ Pack kostete der allradgetriebene Ariya mindestens 65.490 Euro. Die Variante Evolve Pack (also ohne Plus) steht mit kleiner Batterie und Frontantrieb ab 50.490 Euro bereit. Mit großer Batterie und Allrad werden 60.490 Euro aufgerufen.
Der mittlerweile stärkste Nissan Ariya Nismo besitzt ebenfalls den Allradantrieb e-4orce, leistet 435 PS und startet bei 63.990 Euro. Das zeigt, dass der Ariya als Topmotorisierung stärker und zugleich etwas günstiger geworden ist.
Fazit – Mit Style und Power
Als Evolve+ Pack ausgestattet, zeigt sich der Ariya als potenter und dynamischer Vertreter seiner Modellreihe. Dank knapp 400 PS und Allradantrieb sind Fahrleistungen und Fahrspaß permanent an Bord des Crossovers auf Abruf dabei.
Seine fulminante Ausstattung lässt kaum Wünsche offen und wenn man von den im Vergleich zum Wettbewerb nur durchschnittlichen Ladezeiten und Reichweiten absieht, macht dieser Nissan eine erstklassige Figur.
Dass diese Topausstattung mittlerweile vom Ariya Nismo abgelöst wurde, sollte kaum auf Bedauern stoßen. Zumal der Startpreis geringer und die Leistung sogar noch höher ausfällt. Als Nismo wird der Japaner ganz dem Namen gerecht werdend auch mit Sicherheit eine ordentliche Portion mehr Sportlichkeit im Fahrwerk tragen. Grund genug, auch diesen Protagonisten alsbald einem Test zu unterziehen.
Wer einen unkonventionellen Crossover sucht, der vollelektrisch und bei Bedarf ausgesprochen dynamisch fährt, ein ordentliches Platzangebot sowie eine reichhaltige Ausstattung offeriert, wird am Nissan Ariya Evolve+ Pack seine helle Freude haben.
Text/Fotos: NewCarz
Pro & Contra
Pro:
- eigenständiges Design mit viel Abgrenzungspotenzial
- dynamische Fahrleistungen und zugleich sicheres Fahrverhalten
- umfassende Ausstattung ab Werk
- gute Platzverhältnisse für alle Insassen
- für E-Autos gute Anhängelast
Contra:
- Reichweite und Ladezeiten nur durchschnittlich
- Vorkonditionierung der Batterie nicht möglich
- überschaubare Zuladung
Konkurrenz: VW ID.5, Ford Mustang Mach-E, Skoda Enyaq, Kia EV6, Hyundai IONIQ5, Polestar 2, Nio ET5
Technische Daten: Nissan Ariya Evolve+ Pack e-4ORCE
- Farbe: Akatsuki Copper Metallic
- Fahrzeugklasse: Mittelklasse / SUV
- Länge x Breite x Höhe (m): 4,60 x 1,85 (2,17 mit Außenspiegeln) x 1,65
- Radstand (mm): 2.775
- Antrieb: 2x E-Motor (PSM)
- max. Leistung: 290 kW (394 PS)
- max. Drehmoment (Nm): 600
- Akku Kapazität brutto/netto (kWh): 90/87
- Ladeanschluss: CCS/Typ 2 kombiniert
- Ladezeit von 10 bis 80 % DC mit max. 130 kW Werksangabe/gemessen (min): 30/38
- Ladezeit von 10 bis 100 % DC mit max. 130 kW gemessen (min): 55
- Ladezeit von 10 bis 100 % AC mit max. 22 kW Werksangabe (min): 300
- Reichweite Werksangabe/NewCarz (km): 498/401
- Getriebe: stufenloses Reduktionsgetriebe
- Antriebsart: Allrad
- Durchschnittsverbrauch (WLTP): 20,4 kWh/100 km
- Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 22,8 kWh/100 km
- CO2-Emissionen (Werksangabe): 0 g/km
- Abgasnorm: Elektroauto
- Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h (elektronisch begrenzt)
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h (sec): 5,1
- Wendekreis (m): 10,8
- Kofferraumvolumen (l): 415 bis 1.280
- Leergewicht (kg): 2.259
- Zuladung (kg): 396
- max. Anhängelast ungebremst/gebremst (kg): 750/1.500
- max. Stützlast (kg): 75
- max. Dachlast (kg): 75
- Kraftstoffart: elektrische Energie
- Neupreis des Testwagens: 66.690 Euro (Basispreis Evolve+ Pack e-4orce: 65.490 Euro)
Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.