Erst im letzten Jahr erhielt der Nissan Primastar seinen alten Namen wieder, hieß vorher NV300 und sollte damit besser zwischen NV200 und NV400 eingegliedert werden.
Doch Nissan hatte sicherlich seine Gründe, welche die Umbenennung in die vorherige Bezeichnung rechtfertigen. Für diesen Test spielt das eher keine Rolle, vielmehr geht es hier um das aktuelle Modell nach seinem letzten Facelift.
Dieses fuhren wir als 9-Sitzer in der höchsten Ausstattung „Tekna“ und mit dem stärksten Antrieb, dem 170 PS starken Turbodiesel.
- Außenansicht
- Innenraum und Laderaum
- Motor und Fahreigenschaften
- Assistent & Technik
- Varianten und Preise
- Fazit
- Pro & Contra
- Technische Daten
Exterieur – Mit Interlock-Gesicht
Der japanische VW-Bus zeigt sich in seiner aktuellen Generation optisch ansprechend designed und deutlich weniger Nutzfahrzeug-like als vorher. Die Front besticht durch ein markantes Äußeres mit großem Kühlergrill, der von Nissan als Interlock-Grill bezeichnet wird und ein wenig an den Crafter von VW erinnert. Flankiert wird dieser von scharf gezeichneten Scheinwerfern, die sich seitlich weit in die vorderen Kotflügel ziehen.
In der Seitenperspektive präsentiert sich der Primastar sehr kantig und die typische Bus-Silhouette zieht sich ohne Schnörkel bis zum Heck durch. Eine mehrere Wellen schlagende Designlinie bringt dazu etwas Pepp in das Gesamtbild und die Privacy-Verglasung suggeriert einen Hauch von komfortorientiertem Innenleben.
Am Heck angekommen, stellt der Blutsbruder des Renault Trafic und des Opel Vivaro eine fast plan ausgeführte Heckklappe zur Schau, während große Fenster ringsum für eine entsprechende Rundumsicht sorgen. Dass die Heckleuchten mit konventionellen Glühlampen bestückt wurden, ist nicht mehr zeitgemäß, doch beim Blick auf den Preis kann man dies bedenkenlos akzeptieren.
Interieur – Praktikabel und geschwisternah
Im Inneren des Primastar geht es für ein dem Nutzfahrzeugsektor entstammendes Fahrzeug recht ordentlich zu. Viele Bedienelemente gibt es hier nicht, was auf der anderen Seite auch der Benutzerfreundlichkeit zugutekommt. Zudem erinnern diese sehr stark an Renault, von wo diese auch stammen.
Das Lenkrad liegt gut in der Hand und kann mit einem guten Bezug aufwarten. Auch hier erkennt man die Verwandtschaft zu Renault, denn der typische Bedienstock für das Audiosystem rechts an der Lenksäule ist seit Jahrzehnten fester Bestandteil in den Modellen der französischen Marke.
Der Zentralbildschirm erinnert ebenfalls an diverse Renault-Modelle und wirft bei der Bedienung keinerlei Fragen auf. Sehr gut ist die darunter platzierte, manuelle Klimaeinheit, welche auch während der Fahrt problemlos bedient werden kann – auch hier bediente man sich im Renault-Regal.
Die analoge Tachoeinheit ist auch bei Sonneneinstrahlung bestens ablesbar und genügt vollkommen. Das kleine Multifunktionsdisplay zeigt derweil die wichtigsten Fahrzeugparameter an. Besonders stolz ist Nissan auf das 54 Liter große Staufach unter dem Beifahrersitz, mit dem das Gesamtstauvolumen an Ablagen auf beträchtliche 88 Liter kommt.
Die Vordersitze werden einstufig beheizt – Renault-konform, mit dem Schalter an der unpassenden Stelle unten am Sitz. Dafür sind die Sitzgelegenheiten ziemlich bequem, doch an einen VW Bulli reicht das Gestühl nicht heran. Doch insgesamt konnten wir auch nach mehreren hundert Kilometern Fahrstrecke am Stück keine signifikanten Schwachstellen ausmachen.
Fahrgast- und Laderaum
Im Rest des Fahrzeugs herrscht ebenfalls kein Platzmangel. Der Zustieg zur dritten Sitzreihe ist durch umgeklappte Rückenlehnen recht einfach absolviert. Die zweite Sitzreihe ist mit Schnellspann-Arretierungen verankert und entsprechend schnell ausgebaut. Der Einbau ist dagegen recht fummelig und sollte definitiv von zwei Personen erfolgen.
Die dritte Sitzreihe kann entweder nur per Rückenlehnen oder komplett nach vorn geklappt werden. Auch ein Ausbau ist möglich. So kann man das Gepäckabteil je nach Wunsch größentechnisch variieren und bei Bedarf über 5.000 Liter Volumen nutzen.
Die zweite Sitzreihe besitzt eine separate Klimatisierungseinheit, die über das Dach bedient wird und auch für die dritte Sitzreihe verantwortlich ist. Die Seitenfenster der Schiebetüren besitzen zwei Schiebefenster, die nur eine recht kleine Öffnung ermöglichen.
Insgesamt erwies sich der Primastar als valides Reisemobil mit jeder Menge Platz. Der Fakt, dass die skelettartige Sitzkonstruktion der beiden hinteren Reihen nicht verkleidet wurde wie im Pendant aus Wolfsburg, lässt der deutlich günstigere Preis schnell verschmerzen.
Im Übrigen gibt es auch hinten sehr viele Ablagen, was besonders bei Fahrten mit der Familie schnell geliebt werden dürfte.
Motor und Fahreigenschaften – Keine Spur von Langeweile
Angetrieben wurde unser Primastar von einem 2.0-Liter-Turbodiesel mit 170 PS und einem maximalen Drehmoment von 380 Newtonmetern. Dieser kommt – Achtung, Überraschung – auch von Renault. Die Kraftverwaltung übernimmt ein 6-Gang Doppelkupplungsgetriebe DCT und leitet die Kraft ausnahmslos an die Vorderachse.
Der Antrieb harmoniert sehr gut mit dem großen Transporter, die Leistungsentfaltung geschieht weitgehend linear und auch die Beschleunigung ist für ein Fahrzeug dieser Art und Größe klar mit einem Daumen nach oben zu kommentieren. Beim Durchzug spürt man das früh anliegende Drehmomentmaximum – bereits ab 1.500 Touren packt dieses ordentlich zu. Da kommt nie Langeweile auf.
An der leichtgängigen, in Neutralstellung etwas diffus anmutenden Lenkung merkt man dann schon ab und an, dass es sich um ein Modell mit Nutzfahrzeug-Genen handelt. In der Stadt geht diese noch in Ordnung, bei höheren Geschwindigkeiten wünscht man sich in manchen Situationen einfach etwas mehr Feedback. Die Bremsen haben während unserer Testfahrten keine Auffälligkeiten gezeigt und konnten den Primastar jederzeit sicher und fein dosierbar verzögern.
Das Fahrwerk wurde sehr neutral abgestimmt und tendiert federungstechnisch ein wenig in Richtung Komfort, sofern man den Kleinbus mit Leuten und/oder Fracht bestückt hat. Denn im leeren Zustand poltert der Nissan gerne über Fahrbahnverwerfungen, besonders über kurze Absätze und Querfugen. Im direkten Vergleich zum Platzhirschen, dem VW Bulli, klaffen hier doch noch Welten.
Positiv aufgefallen ist zudem, dass der Nissan Primastar bis Tempo 140 relativ leise im Innenraum bleibt. Erst darüber wird es mit zunehmender Geschwindigkeit nahezu exponentiell lauter und erreicht bei der Höchstgeschwindigkeit von 186 km/h – der Tacho zeigt 195 km/h – einen Geräuschpegel, der Unterhaltungen im Innenraum schwermacht. Bleibt man in Nähe der Richtgeschwindigkeit, ist es dagegen angenehm leise.
Nach einigen hundert Kilometern Stadt- und Autobahnbetrieb hat man sich definitiv an das Fahrzeug und auch dessen Abmessungen gewöhnt. Dann gelingt das Rangieren prima, was nicht zuletzt der guten Übersichtlichkeit und der Rückfahrkamera zu verdanken ist. Beides ist auch wichtig, denn der Primastar hat einen großen Wendekreis und benötigt viel Lenkarbeit in engem Terrain.
Beim Verbrauchsverhalten fiel uns auf, dass der Kleinbus überwiegend moderat im Umgang mit dem Leichtöl war. Im Drittelmix liefen 7,7 Liter auf 100 Kilometer durch die Brennräume. Das ist ein guter halber Liter mehr als die Werksangabe verspricht.
Vollgasfahrten quittiert der Commonrail mit einem Maximalverbrauch von 11,2 Litern und die Sparrunde absolvierte der Japaner mit Franzosenherz mit einem Durchschnitt von 5,1 Litern auf 100 Kilometer.
Ausstattung, Komfort, Technik
Die „Tekna“ als Top-Ausstattungsvariante besitzt so einiges an Annehmlichkeiten, zu denen sehr gute LED-Scheinwerfer gehören, die zwar nicht adaptiv arbeiten, in Sachen Helligkeit und Reichweite aber überzeugende Ergebnisse liefern können. Lediglich die Homogenität könnte insbesondere in den seitlichen Bereichen ein wenig besser sein, doch auch dies ist wieder einmal Jammern auf hohem Niveau; insgesamt erhalten die Scheinwerfer die Schulnote 2+.
Im Primastar ist als „Tekna“ auch das Nissan Connect Infotainment samt acht Zoll großem Bildschirm dabei, das zwar nicht das schnellste in puncto Rechenleistung ist, sich dafür aber recht intuitiv bedienen lässt. Darüber hinaus ist es permanent online und kann den Fahrer so mit entsprechenden Informationen versorgen..
Ebenfalls an Bord ist ein DAB-Radio sowie Apple CarPlay und Android Auto – durch beide letztgenannten lassen sich Mobilgeräte blitzschnell und problemlos mit dem System verbinden. Auch das Navigationssystem gab keinen Anlass für Kritik und wer nicht gerade von Touareg und Co. und deren riesigen Bildschirmlandschaften verwöhnt ist, der dürfte mit dem Primastar diesbezüglich mehr als zufrieden sein.
Ebenfalls zuverlässig arbeitet das im Tekna serienmäßige Keyless-System, welches beim Verriegeln auch die Spiegel anklappt.
Auch in Sachen Assistenz muss sich der Nissan nicht verstecken und wartet mit einer ganzen Armada an Systemen auf, die allesamt ihren Job zu unserer Zufriedenheit verrichteten.
Die manuelle Klimaanlage benötigte eine kurze Zeit, um den vorderen Innenraum zu temperieren, punktete dann aber mit akustischer Zurückhaltung. Die separate Klimatisierung der zweiten und dritten Reihe arbeitet deutlich geräuschintensiver. Die Sitzheizung hat leider nur eine Stufe und erwärmt auch nicht wirklich homogen, sondern eher intervallartig. Eine Lenkradheizung gibt es leider nicht im Primastar. Dafür wird der gesamte Innenraum mit LEDs beleuchtet.
Varianten und Preise des Nissan Primastar
Den Nissan Primastar gibt es in zwei Versionen und in jeweils zwei Fahrzeuglängen. Bei der hier getesteten Länge handelt es sich um die L1H1, die L2H1 ist um 40 Zentimeter länger und besitzt auch einen um 40 Zentimeter längeren Radstand.
Nissan Primastar Kombi – Als Personenkraftwagen gibt es den Kleinbus ab 39.020 Euro in der Ausstattung „Acenta“ als 6-Sitzer. Als 9-Sitzer werden rund 350 Euro mehr verlangt – ein sehr überschaubarer Aufpreis.
Zu „Acenta“ gesellen sich die beiden Ausstattungslinien „N-Connecta“ ab 44.280 Euro und „Tekna“ ab 46.886 Euro.
Als Motorisierung kommen drei Dieselmotoren zum Einsatz, die mit 110, 150 und 170 PS je nach Ausstattungslevel erhältlich sind. Die Kraftübertragung übernimmt ein 6-Gang-Schaltgetriebe oder optional die 6-Gang-DCT. Beim größten Diesel ist letzteres als einzige Kraftübertragung erhältlich.
Die andere Version ist als Kastenwagen der Nissan Primastar – ohne Kombi im Namen. Diese startet bei 33.927 Euro in der Ausstattung „Visia“ und ist auch als „Acenta“ (ab 37.211 Euro), „N-Connecta“ (ab 40.532 Euro) und „Tekna“ (ab 44.250 Euro) erhältlich. Ab der „Acenta“ ist der Primastar auch als Doppelkabinenversion erhältlich – Aufpreis jeweils 3.000 Euro.
Als Kastenwagen gesellt sich zu den drei Dieselmotoren ein vierter mit 130 PS hinzu, der nur mit Handschaltung kombinierbar ist.
Fazit – Preiswertes Raumwunder
Der Nissan Primastar Kombi erwies sich im Test als eine gelungene Alternative zu den etablierten Bussen im Segment. Wer über die im Vergleich zum Platzhirschen etwas einfach gehaltene Kunststofflandschaft hinwegsehen kann, dürfte sich mit dem Japaner schnell anfreunden.
Echtes Premium darf man hier natürlich nicht erwarten, doch billig anmutend ist hier ebenfalls nichts. Und ist ein vergleichbar ausgestatteter VW T7 auch bis zu 20.000 Euro teurer, was sehr, sehr viel relativieren dürfte – insbesondere bei preissensitiven Familien.
Der Primastar konzentriert sich derweil auf seine Kernkompetenzen. Und die wären Platz, Raumgefühl, Nutzwert und ein günstiger Unterhalt. Das kann er aus Sicht der Redaktion auch bestens und so sind wir uns sicher, dass er mit seinem neuen alten Namen eine nicht geringe Fangemeinde für sich gewinnen kann.
Kamera: Canon EOS 5D Mark III
Pro und Contra
Pro:
- zeitgemäße Optik
- riesiges Platzangebot
- souveräner Antrieb
- gutes Preis-Leistungsverhältnis
Contra:
VW Bulli , Opel Vivaro, Renault Trafic
Technische Daten: Nissan Primastar Kombi L1H1
- Farbe: Comete Grey Metallic
- Fahrzeugklasse: Kleinbus/Kleintransporter
- Länge x Breite x Höhe (m): 5,08 x 1,96 (2,31 mit Außenspiegel) x 1,94
- Radstand (mm): 3.098
- Antrieb: Vierzylinder Commonrail Turbodiesel mit DPF und SCR-Kat
- Hybridart: –
- max. Leistung: 125 kW (170 PS) bei 3.500 rpm
- max. Drehmoment (Nm): 380 bei 1.500 rpm
- Hubraum: 1.997 ccm
- Getriebe: 6-Gang-Doppelschaltgetriebe DCT
- Antriebsart: Front
- Durchschnittsverbrauch (WLTP): 7,1 l/100 km
- Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 7,7 l/100 km
- CO2-Emissionen (Werksangabe): 186 g/km
- Abgasnorm: Euro 6d-ISC-FCM
- Höchstgeschwindigkeit: 186 km/h
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h (sec): n.b.
- Wendekreis (m): 12,8
- max. Bodenfreiheit (mm): k.A.
- Laderaumvolumen 9-Sitzer/6-Sitzer/2-Sitzer (l): 1.000/3.200/5.200
- Leergewicht (kg): 2.080
- Zuladung (kg): 920
- Anhängelast ungebremst/gebremst (kg): 750/1.700
- max. Stützlast (kg): 100
- max. Dachlast (kg): 200
- Tankinhalt (l): 80
- AdBlue Tank (l): 24,7
- Kraftstoffart: Diesel
- Neupreis des Testwagens: 41.955 Euro (Basispreis: 39.020 Euro)
Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.