Mittlerweile sind es fast wieder fünf Jahre her, als wir den Renault Grand Scenic das letzte Mal auf dem Prüfstand hatten – und bis dato ist er immer noch da.
Totgesagte leben am längsten – dieses Sprichwort trifft auf den Van in diesem Fall vollumfänglich zu. Nun zumindest was den Grand Scenic betrifft, denn sein kleiner Bruder, der Renault Scenic wurde im vergangenen Jahr eingestampft.
Damit bleibt dem Grand Scenic das Schicksal seines kleinen Bruders oder das seiner einstigen Konkurrenten wie VW Sharan oder Seat Alhambra erspart – vorerst. Sein Ende naht dennoch und daher nein, es wird keine unendliche Geschichte daraus.
Wie lange der familienfreundliche Van noch verfügbar sein wird, hängt nicht allein von dem Kaufinteresse der Kunden ab. Wir fuhren den Renault Grand Scenic diesmal als Benziner, und zwar die schwächere der zwei angebotenen Versionen mit 140 PS und in der Ausstattung „Techno“. Fahrbericht.
- Optische Veränderungen in Zusammenfassung
- Antrieb und Fahreigenschaften
- Ausstattung, Komfort, Sicherheit
- Varianten und Preise
- Fazit
- Pro & Contra
- Technische Daten
Innen wie außen – Unendliche Weiten
Geändert hat sich durch das dezente Facelift des Modelljahres 2021 wenig, was auf den ersten Blick auffallen würde. Der Van bleibt seinen Tugenden als Raumwunder absolut treu. Das ist es ja auch, was ihn ausmacht. Lediglich die Nebelleuchten in der leicht modifizierten Frontschürze sind nun eckig statt rund und werden oval eingefasst.
Die äußere Optik ist nach wie vor von avantgardistischen Geschmacksnoten beflügelt und allein die Abmessungen können den jeweiligen Betrachter gut beeindrucken. Die serienmäßigen 20-Zoll-Räder fügen sich in der Seitenperspektive absolut passend ins Gesamtdesign ein. Von vorne oder noch mehr von hinten betrachtet, sehen die nur 195 Millimeter breiten Reifen darauf etwas irritierend schmal aus.
Doch wirklich Abbruch tut dies dem positiven Gesamtbild nicht. Das Kosmos-Blau ist zudem eine Farbe, die dem Franzosen ein gewisses Understatement verschafft.
Der Innenraum bietet derweil Platz ohne Ende, ist im Höchstmaß praktisch und variabel. Ablagen und Verstaufächer findet man überall. Da kann kein SUV mithalten, in puncto Platzangebot und Variabilität ist ein Van nun mal der Platzhirsch. Unser Testwagen wurde mit fünf Sitzplätzen ausgestattet und offeriert dadurch noch mehr Platz bei maximiertem Kofferraum: 1.901 Liter anstatt 1.737 Liter beim 7-Sitzer sind es letztendlich.
Der vertikale Zentralbildschirm gehörte größen- und auflösungstechnisch vor sieben Jahren zum „State of the Art“. Heutzutage wirkt er dann doch bereits etwas angestaubt, was auch für das digitale Cockpit gilt, welches sich in den Jahren fast nicht verändert hat.
Motor und Fahreigenschaften – Souverän auch als Benziner
Der hier getestete Renault Grand Scenic hatte unter der Haube einen 1.3-Liter-Turbobenziner mit 140 PS. Der Reihenvierzylinder – TCe 140 GPF genannt – wurde im Modelljahr 2021 noch einmal überarbeitet, erhielt unter anderem einen Otto-Partikelfilter und erfüllt seither die strengen Emissionsvorschriften.
Als netten Nebeneffekt hat sich das maximale Drehmoment sogar um 20 Newtonmeter auf nun 260 Newtonmeter verbessert. Da dieses bereits ab 1.750 Umdrehungen pro Minute zur Verfügung steht, setzt der Vortrieb sehr frühzeitig ein, wodurch man den Van problemlos auch untertourig fahren kann.
Die Unterschiede in puncto Fahrleistungen zum verflossenen Diesel sind in der Praxis so gut wie vernachlässigbar. Das unterstreicht auch ein Blick auf die Leistungswerte: Als Benziner benötigt der Grand Scenic glatte zehn Sekunden von null auf Tempo 100; eine Zehntelsekunde langsamer als der Diesel dies konnte. Die Endgeschwindigkeit liegt bei 193 km/h – hier war der Diesel 15 Stundenkilometer schneller. Doch das ist kein Kriterium, auf welches es in dieser Fahrzeugklasse ankommt.
Das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe hat auch heute noch die Angewohnheit, sich bei Lastwechsel eine Gedenksekunde als Entscheidungshilfe zu gönnen, welcher Gang denn als Nächstes passen könnte. Auch geblieben ist der zu geringe Abstand zwischen Gas- und Bremspedal. Ab Schuhgröße 43 bleibt man immer wieder beim Gas geben am Bremspedal hängen oder umgekehrt, was deutlich unvorteilhafter, ja auch gefährlich sein kann.
Das Fahrverhalten ist unverändert komfortorientiert, wenn auch die großen 20-Zöller mit Winterbereifung relativ raubeinig abrollen. Insgesamt gesehen geht das aber noch in Ordnung. Die Fahrmodi ändern zwar die Gasannahme und die Gänge werden weiter ausgedreht, doch breit ist die Leistungsspreizung nicht wirklich. Dafür beherrscht der Van im Fahrmodus ECO das Segeln, was sich im Verbrauch bemerkbar macht.
Beim Verbrauchsverhalten konnte der Grand Scenic daher auch mit dem Benzinmotor überzeugen. Im Durchschnitt benötigte unser Testwagen lediglich 6,9 Liter auf 100 Kilometern. Das sind 0,3 Liter mehr als Renault verspricht, aber dennoch im absolut grünen Bereich und sogar weniger als der Test mit dem Diesel ergab.
Auf der Sparrunde kitzelten wir dann den Schotten aus dem Franzosen und verringerten auch durch besagten Segelmodus den Durchschnitt auf 4,9 Liter pro 100 Kilometer.
Ausstattung, Komfort, Technik
Unser Test-Renault besaß die Ausstattung „Techno“, was der goldenen Mitte von drei verfügbaren Varianten entspricht. Nachfolgend möchten wir die wichtigsten Ausstattungsmerkmale beschreiben.
Allen voran erhalten die LED-Scheinwerfer Pure Vision auch nach so vielen Jahren noch sehr gute Noten. Ob bei der Helligkeit, der Homogenität oder der Reichweite – in diesen Belangen können sie auch heute noch mit aktuellen Systemen mithalten.
Das R-Link-2-Infotainment ist hingegen spürbar in die Jahre gekommen. Auch wenn es Funktionen wie Android Auto oder Apple CarPlay sowie ein gutes und seit Längerem nicht mehr stotterndes Navigationssystem bietet, hinkt die Rechenleistung, die Bedienungsfreundlichkeit und auch die Auflösung des Screens aktuellen Lösungen etwas nach. Per Sprachbefehl eine Route planen ist hier deutlich umständlicher und zeitaufwändiger als bei aktuellen Navigationslösungen.
Der DAB-Radioempfang war in empfangsschwachen Gebieten sehr dünn und zu oft gab es teilweise minutenlang kein Empfangssignal. Auch das ist mittlerweile selten bei DAB+-Lösungen zu beobachten.
600 Euro extra kostet der adaptive Tempomat mit zufriedenstellender Funktion in der Praxis und das farbige Head-up Display im sogenannten „Cruiser Paket“. Wer viel fährt, sollte für 600 Euro auch das „Lounge-Paket“ bestellen, welches die elektrische Sitzverstellung und eine Massagefunktion für den Fahrersitz sowie Sitzheizungen in den Vordersitzen beinhaltet.
Für Parkmuffel unabdingbar: Der Parkassistent machte im Test als Parkplatzfinder und beim Einparken das Lenken übernehmend einen guten Job und kostet akzeptable 550 Euro extra.
Varianten und Preise des Renault Grand Scenic
Der Familienvan wird mittlerweile nur noch durch zwei Benzinmotoren angetrieben. Der hier getestete 1.4-Liter TCe 140 mit 140 PS sowie der 1.6-Liter TCe 165 mit 163 PS, welcher nur in der Topausstattung angeboten wird. Beide Motoren sind Turbo-Vierzylinder mit Ottopartikelfilter.
Weiterhin gibt es drei Ausstattungen:
- Equilibre – Als Basismodell verfügt der Van ab Werk über den TCe 140 mit Handschaltung – die EDC-Automatik kostet 2.000 Euro Aufpreis – eine 2-Zonen-Klimaautomatik, Parksensoren vorn und hinten mit Rückfahrkamera, LED-Scheinwerfer und Keyless und kostet mindestens 33.250 Euro.
- Techno – Etwas mehr Ausstattung in Form von 20-Zoll-Rädern, Totwinkelwarner, 360-Grad-Sensorik und Sitzheizungen kostet hiermit ab 34.950 Euro. Auch hier kostet das EDC zwei Riesen extra.
- Executive – Die Topausstattung startet bei 41.450 Euro und beinhaltet immer den TCe 165 in Kombination mit dem EDC und ausstattungstechnisch gibt‘s on top Sitzbezüge aus Alcantara und Leder, einen Abstandstempomaten sowie ein Head-up Display – um nur einige Dinge zu benennen.
Fazit – Einzelkämpfer mit Niveau
Als Resümee möchten wir festhalten, dass der Renault Grand Scenic wie eh und je sein Nischendasein bravourös ausfüllt. Und es wird für ihn auf der Zielgeraden seiner Modelllaufbahn sogar noch einfacher: Denn der kleine Bruder ist wie das Gros der Konkurrenz bereits weg. Damit darf er sich den Van-Kuchen fast allein mit einem Ford S-Max oder vielleicht dem Touran aufteilen. Noch.
Denn es wird auch dem Grand Scenic in nicht mehr ferner Zukunft an den Kragen gehen. Die Nachfragen für solche Modelle sind zwar noch da, sinken aber stetig. Entsprechend wird auch der Espace in Kürze eine Reinkarnation als SUV erleben.
Wer ein echtes Raumwunder wie diesen Franzosen sucht, sollte sich also bald entscheiden. Mit dem Grand Scenic erhält man in jedem Fall ein ausgereiftes Raumwunder auf Rädern, welches mit Variabilität und Praktikabilität massiv punkten kann. Auch mit dem getesteten Benziner ist der Franzose adäquat motorisiert und zudem überzeugend sparsam.
Dass die Technik nicht mehr als hypermodern erscheint, schreckt wahrscheinlich nur First Adopter ab, alle andere freuen sich über die Zuverlässigkeit ohne Kinderkrankheiten. Die sucht man auch beim Rest des Vans vergebens. Er ist ausgereift und allein das ist ein nicht unwichtiges Kaufkriterium.
Kamera: Canon EOS 5D Mark III
Pro und Contra
Pro:
- riesiges Platzangebot
- viele Ablagen und Fächer
- vielseitige Variabilität
- sparsamer Benziner mit adäquater Leistung
- zuverlässig arbeitende Assistenzsysteme
Contra:
Technische Daten: Renault Grand Scenic TCe 140 EDC Techno
- Farbe: Kosmos-Blau Metallic
- Fahrzeugklasse: Kompaktklasse / Van
- Länge x Breite x Höhe (m): 4,64 x 1,87 (2,13 mit Außenspiegel) x 1,66
- Radstand (mm): 2.804
- Antrieb: Reihenvierzylinder Ottomotor mit OPF
- Hybridart: –
- max. Leistung: 103 kW (140 PS) bei 5.000 rpm
- max. Drehmoment (Nm): 260 bei 1.750 rpm
- Hubraum: 1.333
- Getriebe: 7-Gang-Doppelkupplungs-Automatik EDC
- Antriebsart: Vorderachse
- Durchschnittsverbrauch (WLTP): 6,6 l/100 km
- Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 6,9 l/100 km
- CO2-Emissionen (Werksangabe): 149 g/km
- Schadstoffklasse: Euro 6d-ISC-FCM
- Höchstgeschwindigkeit: 193 km/h
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h (sec): 10
- Wendekreis (m): 11,4
- Bodenfreiheit (mm): 159
- Kofferraumvolumen (l): 718 bis 1.901
- Leergewicht (kg): 1.565
- Zuladung (kg): 599
- Anhängelast ungebremst/gebremst 12 % (kg): 750/1.500
- Stützlast (kg): 75
- Dachlast (kg): 80
- Tankinhalt (l): 53
- Kraftstoffart: Benzin E5/E10 mind. 95 Oktan
- Neupreis des Testwagens: 39.000 Euro (Basispreis: 33.250 Euro)
Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.