Sie haben keine Lust auf den Durchschnitt? Sie haben keine Lust auf einen spießigen Golf? Dann empfehlen wir: Einen Golf!
Der Widerspruch, der sich hier anscheinend gleich im ersten Satz eingeschlichen hat, löst sich schnell auf, wenn die drei magischen Buchstaben fallen. GTI – das steht für Grand Turismo Injection und damit nicht nur für die Verspaßung des Alltäglichen, sondern auch für das Fahrgefühl eines ganz besonderen Fahrzeugs.
Dass Volkswagen auch Sport kann, zeigte uns schon der Scirocco, den wir bereits an dieser Stelle getestet haben. Mit dem Golf VII GTI haben wir für Sie nun auch das Aktuellste, was VW in Sachen (Volks-) Sport zu bieten hat. Der GTI steht in einer langen Tradition sportlicher Kompaktwagen aus dem Hause VW, die bereits 1976 mit der Vorstellung des Golf I GTI ihren Lauf nahm. Seitdem hat es sich Volkswagen zur Aufgabe gemacht, das unvergleichliche GTI-Gefühl stetig zu verbessern.
Aussehen: Gestatten, Golf!
Aus 100 Metern: Ah, da hinten kommt ein Volkswagen! Ist das jetzt eigentlich ein Golf oder ein Polo? Die sehen sich doch inzwischen so ähnlich!
Aus 50 Metern: Ach, klar! Das ist definitiv ein Golf, der Polo ist dann doch etwas zierlicher. Und in einem schönen Weiß, das passt zum Modell! Doch was ist das da an der Motorhaube?
Aus 10 Metern: Wunderbar, das ist ja tatsächlich ein roter Streifen! Dann handelt es sich ja um die schön sportliche Version des Wolfsburgers.
Aus 1 Meter: Oh ja, diese Waffe duckt sich wunderbar auf den Asphalt, da erkennt man nicht nur die Tieferlegung sofort, sondern auch die vielen sportlichen Details!
So oder ähnlich kann der „Erkennungsprozess“ beschrieben werden, den man beim Anblick des neuen Volkswagen Golf GTI erlebt. Aus größerer Ferne gibt sich der Golf ganz so, wie er den Massen bekannt ist. Als Golf. Umso näher man dem Fahrzeug dann aber kommt, desto klarer wird, dass es sich hier nicht um den „Normalo“ handelt. Dies ist ein Prozess, den erst die entscheidenden Meter auslösen, doch wenn der Groschen erst einmal gefallen ist, dann gibt es keinen Interpretationsspielraum mehr.
Und doch: Generalisiert man den Blick auf das Fahrzeug, entpuppt sich der GTI als (sehr) naher Verwandter seiner Spezies. VW bricht nicht mit den Konventionen, ist ja sogar auffällig bemüht, den guten Ton nicht zu verfehlen.
Die siebte Generation des Golf reiht sich damit nahtlos in die Evolutionslinie des Kultautos ein. Wer hier eine Überraschung, gar eine Revolution sucht, wird schnell eines Besseren belehrt. Volkswagen ändert mit der siebten Auflage des Verkaufsschlagers nichts, was die Zielgruppe stören oder gar verärgern könnte. Gut, die Motorhaube des „Neuen“ ist etwas flacher geworden, das Frontdesign dynamischer, die Heckscheinwerfer eckiger und die Seitenlinie gefühlt etwas ausgeprägter. Damit führt VW die Entwicklung von einem ziemlich „runden“ Golf V zum gradlinigeren und kantigeren Golf VII fort, bewegt sich aber streng in den Grenzen des – der Käuferschaft – Vermittelbarem.
Trotz des ausgefallenen Quantensprungs ist der Golf VII ein Beau, anders kann man es nicht sagen. Kaum ein anderes Fahrzeug versteht es so gut wie der Golf, niemanden unglücklich und die allermeisten nebenbei glücklich zu machen.
Die Liebe zum sportlichen Detail
Wie ein normaler Golf aussieht, müssen wir unseren Lesern wohl kaum noch erklären, deswegen fokussieren wir uns lieber auf die Unterschiede, die den GTI von der Serie unterscheiden.
Allgemein gibt es einige Hersteller, die mehr als nur aggressiv auf die Optik ihrer Modelle einwirken, wenn sie explizit eine sportliche Version ihrer Serienfahrzeuge auf die Räder stellen. Andere Hersteller wiederum üben sich derart in Understatement, dass nicht mehr viel vom sportlichen Anspruch ihres Modells zur Geltung kommt.
Volkswagen findet hier das, wonach viele streben – den berühmten Mittelweg. Der GTI hebt sich vom normalen Golf ab, testet aber nicht die Grenzen des guten Geschmacks.
Es sind vielmehr die kleinen Dinge, die den GTI zu etwas Besonderem machen. Markantes Erkennungszeichen ist natürlich der GTI-typische rote Streifen an der Front. Dieser ist nicht wie beim Golf VI in doppelter Ausführung vorhanden, sondern besteht nun aus einer einzelnen roten Linie. Der Clou an der Sache: An den Seiten des Kühlergrills ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht, denn das Designelement setzt sich in den Scheinwerfern nahtlos fort. Für dieses verlängerte Vergnügen heimste Volkswagen – für uns unverständlicherweise – bei den Kunden nicht nur Lob ein. Aus unserer Sicht lässt dieses Stilelement den Golf noch dynamischer wirken und kann sich gerne zu einem Dauerbrenner entwickeln.
Ein weiteres, auffälliges Detail sind die drei windschnittigen, horizontalen Einlagen vor den optionalen Nebelscheinwerfern. Hier unterscheidet sich der GTI nicht nur vom normalen Golf, sondern drückt auch geschickt die gesteigerte Aggressivität aus.
Hinter den Radkästen sind die Flanken des Golf beidseitig mit kleine Chrom-Einlagen samt rotem „GTI“-Schriftzug versehen. Schließlich soll wirklich niemand dieses Modell mit der Serie verwechseln – was aber schon alleine aufgrund der extrem schicken 18-Zoll Felgen (Modell „Austin“, erhältlich für 625 Euro Aufschlag), ein Ding der Unmöglichkeit darstellen sollte.
Das größte Stück vom Sportlook-Kuchen hat unserer Meinung nach das Heck abbekommen. Dieses zeichnet sich sowohl durch einen weit über die Dachabrisskante hinausgezogenen Spoiler aus, sondern auch durch schwungvolle Voll-LED Heckscheinwerfer mit geschickt integrierten Blinker-Bändern. Spoiler, Heckscheibe und Scheinwerfer ergeben eine Trapezform, die die eckigere Grundform des Golf VII wiederspiegelt.
Zum guten Schluss dürfen natürlich auch die beiden verchromten Endrohre nicht unerwähnt bleiben, die wie schon beim 6er GTI beidseitig außen platziert sind und einen angedeuteten Diffusor im typischen Wabendesign einrahmen.
Unterm Strich sind die sportlichen Veränderungen deutlich, aber nicht übermächtig oder übertrieben. Wem der Golf VII gefällt, dem sollte auch der GTI ein Augenschmaus sein.
Keine Langeweile hinterm Lenkrad
Wer kennt es nicht. Gerade auf längeren Strecken schleicht sich beim Fahrer still und leise eine gähnende Langeweile ein. Immer die gleichen Straßen, immer die gleiche Spur auf der Autobahn. Begibt es sich nun aber, dass man einen Golf GTI fährt, kommen derlei Probleme nicht in Frage. Der einfache Grund: Das rechte Pedal, zuständig für die Gasannahme. Tritt man dieses nämlich einfach in einem Schwung durch, schaltet der GTI nicht nur fix ein bis zwei Gänge runter, sondern belohnt den Fahrer auch noch mit einer satten Beschleunigung.
Doch der GTI kann nicht nur Geradeaus, auch das Einlenk- und Kurvenverhalten des Golfs ist, nicht zuletzt aufgrund des verbauten Differenzials „XDS+“, ein wahrer Genuss. Zwar muss im Auge behalten werden, dass es sich immer noch um einen Volkswagen und keinen Porsche handelt, doch das Fahrverhalten des Golf VII GTI lassen einen diese Tatsache beinahe vergessen.
Mit dem Sperrdifferenzial an der Vorderachse, das der GTI nur in der Performance-Version (Aufschlag von 1.150 Euro) besitzt, lässt sich der Wolfsburger auch bei waghalsigeren Kurvenfahrten fast wie auf Schienen um selbige zirkeln. Kommt es am kurvenäußeren Rad zu einem Traktionsverlust – dem Vorboten des Untersteuerns – verteilt das Differenzial die Kraft stufenlos um. So wird das Schieben über die Vorderachse im besten Fall gänzlich verhindert. Ein weiterer unterstützender Faktor ist das sportlich abgestimmte Fahrwerk, mit dem der GTI geradezu auf der Straße klebt und kaum Seitenneigung aufweist. Wankelmut? Fehlanzeige!
In unserem Test konnte das Differenzial gerade bei Nässe voll und ganz überzeugen. Wo die Normalversion schon lange mit Untersteuern zu kämpfen hätte, zieht es den GTI Performance mit einer ungeheuren Vehemenz und Geradlinigkeit um die Kurve. Einzig bei sehr abruptem Einlenken in Verbindung mit großer Geschwindigkeit konnte auch das Differenzial den GTI nicht mehr gänzlich auf dem rechten Pfad halten. Und ein Übersteuern ist dem GTI sowieso fremd.
Schnell zu schnell
Es gibt Autos, wie den Subaru WRX STI, hinter deren Lenkrad der Fahrer noch echte Schwerstarbeit vollrichten muss, um sportlich unterwegs zu sein. Der Golf spielt hier in einer anderen Liga: Alleine mit dem kleinen Zeh auf dem Gaspedal und dem kleinen Finger am Lenkrad kann der Fahrer eine große Portion sportliches Fahren aus dem GTI kitzeln. Dies birgt allerdings nicht nur den Spaßfaktor, sondern auch die Gefahr es im Alltag ein wenig zu rasant angehen zu lassen: Öfters muss man sich zur Räson rufen, weil schon wieder eine für den städtischen Verkehrs unerlaubte Geschwindigkeit auf dem Tacho steht.
Immerhin lässt sich der GTI über die verschiedenen Fahrmodi etwas zähmen. Hier stehen Normal, Comfort, Eco, Sport und Individuell zur Auswahl – und bieten jeweils geänderte Gasannahme, DSG-Verhalten, Lenkung und Fahrwerkseinstellung. Bei letzterer hat man allerdings eher die Auswahl zwischen „hart“ und „noch ein bisschen härter“. An den Federungskomfort eines normalen Golf VII kommt der GTI aufgrund des Sportfahrwerks auch in der komfortabelsten Einstellung nicht heran.
Mit DSG: Im Bruchteil einer Sekunde
Mit dem optionalen DSG (1.925 Euro Aufpreis) muss man zwar auf den manuellen Schaltknauf im legendären Golfball-Design verzichten, dafür gehen sämtliche Schaltvorgänge nicht nur in Windeseile und praktisch ohne Zugkraftverlust, sondern auch noch in einer für den Durchschnittsautofahrer nicht zu erreichenden Perfektion vonstatten.
Die 6-Gang-Automatik kann getrost als Versprechen gesehen werden, jederzeit ein höchstmögliches Maß an Leistung bereitgestellt zu bekommen. Während bei einem Handschalter der schnelle Tritt aufs Gaspedal wohl öfters ohne vorheriges Herunterschalten geschieht, zeigt sich das DSG wesentlich dynamischer. Je nach eingestelltem Fahrmodus schaltet der GTI früher oder später zurück und garantiert damit eine blitzschnell anliegende Leistung.
Damit überdeckt der Golf gleichzeitig geschickt, dass es sich um einen zwangsbeatmeten 2,0 Liter Motor handelt, der sich aus Drehzahlen um 1.000 U/Min theoretisch erstmal schwerer tut. Wer trotzdem lieber zum Handschalter greifen möchte, der sei an dieser Stelle beruhigt: Ein großes Turboloch ist trotzdem nicht zu befürchten, das maximale Drehmoment von 350 Nm liegt laut VW schon ab 1.500 U/Min an.
Für Fans der gepflegten Beschleunigung bedeutet das Freud und Leid zugleich: Die Räder des reinen Frontantriebs verlieren nämlich leider schon bei geringfügig suboptimaler Straßensituation die Bodenhaftung, was für geräuschvolle Eingriffe der Traktionskontrolle sorgt. Ob feuchte, unebene oder mit Markierungen versehene Fahrbahn – aus dem Stand hat der GTI so seine Schwierigkeiten. Doch welcher Fronttriebler kann sich davon schon lossagen?
Einen ganz besonderen Reiz stellt dafür die Klangkulisse dar, die das DSG begleitet. Je mehr Leistung abgerufen wird, desto schneller und gleichzeitig auch lauter gehen die Schaltvorgänge vonstatten. Das heisere Bellen, das die Automatik beim schnellen Einlegen der nächsten Welle produziert, ist ein wahrer Ohrenschmaus. Im Stand begnügt sich der GTI dafür mit einer kaum hörbaren Geräuschkulisse und auch während der Fahrt kann keinerlei Vergleich zu Motoren á la V8 gezogen werden.
Innen wie außen
Die Parallelen des Innenraum-Designs zum Konzept der Außenhülle sind geradezu verblüffend, denn wieder unterscheidet sich der GTI von seinen Serienbrüdern und –schwestern nur in den Details. Wie man es schon aus dem Golf VII kennt, gehört der Innenraum in Sachen Optik und Verarbeitung schon fast in eine andere Fahrzeugklasse. Bei unserem Testwagen konnten wir keine Schwächen feststellen, Klappern, Klackern und Klimpern sucht man vergeblich.
Natürlich wäre der GTI ohne seine Sportsitze im Karo-Look kein echter GTI. Die in unserem Modell verbaute Alcantara-Version bietet nicht nur einen ausgezeichneten Seitenhalt, sondern ist in der Tat auch langstreckentauglich.
Allgemein macht das Cockpit einen souveränen Eindruck, die leicht zum Fahrer geneigte Mittelkonsole verändert zwar leicht die Symmetrien, jedoch keineswegs zum Negativen. Der Golf besticht zudem durch den relativ sparsamen Einsatz von Knöpfen und Reglern, was nicht zuletzt auch auf die geschickt gelöste Bedienung über das „Discover Pro“-Infotainment zurückzuführen ist.
Dieses besitzt nicht nur einen Annährungssensor und Multitouch-Fähigkeit, sondern überzeugt auch durch seine einfache und rasante Bedienung. Selten durften wir ein derart schnelles und überzeugendes Infotainment erleben. Davon kann sich manch anderer Hersteller noch eine Scheibe abschneiden!
Durch die typischen Golf-Abmessungen kommt es im Innenraum zu keinerlei Platzproblemen, vorne und auch im Fond finden selbst etwas größer gewachsene Menschen ein gutes Platzangebot vor.
Auch in Sachen Kofferraumvolumen gibt es keinerlei Einschränkungen durch die Sportversion des Golf: Zwischen 380 und 1.270 Liter stehen zur Verfügung.
Auf der Suche nach der Nadel im Heuhaufen
Ja, der GTI macht es uns schwer, Negatives zu entdecken. Gerade deshalb haben wir zur Lupe gegriffen, um für Sie doch noch ein oder zwei kleinere Schwächen benennen zu können.
Der von VW eingesetzte, nicht lineare Tacho lässt zwar zwischen 0 und 60 km/h ein präzises Ablesen der Geschwindigkeit zu, bei 70 km/h wird es hingegen schon schwieriger. Die auf Deutschlands Straßen oft vorzufindende Tempovorgabe ist auf dem Tacho während der Fahrt und „auf einen Blick“ kaum zu finden, hier muss bei uns die digitale Geschwindigkeitsangabe der Multifunktionsanzeige (MFA) aushelfen.
Und dann ist da noch die Rückfahrkamera, die eine kleine Schwachstelle bleibt. Bei dem von uns getesteten Scirocco nahm sie ihren Dienst erst nach quälend langer Wartezeit auf, beim Golf VII GTI quietscht sie beim Ausfahren. Immerhin steht der Blick nach hinten nun zügig zu Verfügung.
Fazit
Kann man den Golf GTI nun mit einem „normalen“ Golf vergleichen? Wir sagen: Nein, auch wenn der Golf VII GTI den Schulterschluss zwischen Alltäglichem und Außergewöhnlichem sucht. Er versteht es geschickt, die Grenzen zwischen entspanntem Cruisen und sportlich-zackiger Kurvenräuberei verwischen zu lassen. Beides ist nur den Emotionen des Fahrers und einen Knopfdruck weit entfernt. Wer hingegen eine richtige Krawallkiste sucht, ist beim Golf – der stets die Contenance wahrt – nicht so gut beraten.
Mit einem Einstiegspreis von 31.750€ für die Performance-Version mit DSG ist der GTI zwar kein Schnäppchen, aus unserer Sicht rechtfertigt er seinen Preis dennoch durch seine beeindruckenden Fahreigenschaften.
Zylinder: 4
Hubraum: 1.984 cm3
Max. Leistung: 230 PS bei 4.700 – 6.200 U/Min
Max. Drehmoment: 350 Nm bei 1.500 – 4.600 U/Min
Getriebe: 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
Höchstgeschwindigkeit: 248 km/h
Beuschleunigung 0-100 km/h: 6,4 s
Tankinhalt: ca. 50 Liter
Kraftstoffverbrauch innerorts/außerorts/kombiniert: 8,1/5,4/6,4 l/100km
Bilder: Mikhail Bievetskiy mit Canon 1Dx und 24-70 Ver. II ƒ2.8
Auch Lars ist der Passion „Automobil“ verfallen und schreibt für NewCarz über neue technische Entwicklungen und Autos.
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