Ein Kombi ist in der Kompaktklasse mittlerweile fast begehrter, als die konventionelle Bauform – aus diesem Grund kam auch der Ford Focus Turnier auf unseren Prüfstand.
Nachdem wir die klassische Variante des Focus bereits getestet hatten, widmen wir uns hier dem Kombi in einer anderen Motorisierung. Der Fahrbericht zum Focus Turnier Titanium mit 1.5-Liter EcoBoost.
- Exterieur
- Interieur
- Motor und Fahreigenschaften
- Ausstattung, Komfort, Sicherheit
- Varianten und Preise
- Fazit
- Technische Daten
Exterieur – Klassischer Kombi fein justiert
Mit klassischen Zügen eines Kompakt-Kombis zeigt sich der Ford Focus Turnier ohne Überraschungsmomente, die in Anbetracht der universellen Funktionsart eines Kombis auch nicht zwangsläufig notwendig wären. Lifestyle-Protagonisten gibt es schließlich zur Genüge. Die Farbgebung Pyrit Silber Metallic lässt den Kölner allerdings in die Ebene der Unscheinbarkeit gleiten, so introvertiert wirkt das Auto in diesem Farbton.
Nichtsdestotrotz wirkt die Frontpartie dann doch interessant. Denn die Chromumrandung des Frontgrills in Kombination mit der gegenüber einer ST-Line deutlich dezenter ausfallenden Frontschürze, lassen die Scheinwerfer hier optisch größer erscheinen. Das macht den Ford eleganter und unterstreicht indes die nach hinten ansteigende Gürtellinie.
Insgesamt hat der Turnier an Länge zugelegt, was sich vor allem im Innenraum bemerkbar macht, aber auch außen klar erkennbar wird. Die C-D-Säulenkombination streckt sich weit nach hinten und beherbergt ein zusätzliches Fenster dazwischen.
Am Heck punktet eine große Heckklappe plus niedriger Ladekante. Die Heckleuchten besitzen einen angedeuteten Bumerangschwung und ragen bis in die Kotflügel hinein. In Summe wirkt die Heckansicht eher unauffällig, ohne dabei Langeweile aufkommen zu lassen.
Interieur – Erweiterter Horizont
Wie bereits im Schrägheck-Focus belebt auch hier der nun horizontale Verlauf der Instrumententafel den Innenraum. Der Übersicht tut das sehr gut und alles wirkt dabei aufgeräumt – von Überladung keine Spur. Besonders empfehlenswert sind die Ford Ergonomie Sitze, welche sich insbesondere auf Langstrecken als hervorragend bequem erwiesen. Das Lenkrad bietet eine Schar von Multifunktionstasten, die sich glücklicherweise allesamt selbst erklären. Die Haptik ist sehr angenehm, die Aufpolsterung passt.
Drive by Wire gibt es auch im Focus: Anstelle eines Wahlhebels besitzt der Focus einen Drehregler für die Fahrstufen. Das spart unter anderem auch Platz – gut für das Raumgefühl.
Dieses ist nämlich überall großzügig und das gilt auch auf der zweiten Reihe. Hier sitzt man mit überraschend viel Bein- und Kopffreiheit – der hinzugewonnenen Fahrzeuglänge sei Dank. Der Variabilität weniger zuträglich ist der Umstand, dass es keine Durchlademöglichkeit gibt und die Rückbank nur zweigeteilt umklappbar ist.
Der Kofferraum selbst ist riesig und kann seiner Kombi-Konkurrenz in dieser Klasse gehörig Paroli bieten. Mit 575 Litern in Standardkonfiguration bleiben kaum Wünsche offen. Maximiert sind es immerhin 1.620 Liter, die man für allerlei Ladegut auf einem so gut wie ebenen Ladeboden nutzen kann.
Wie auch im Schrägheck-Focus gibt es hier automatisch ausklappende Türkantenschoner. Und auch hier wirkt die Konstruktion selbiger erstens sehr wackelig und zweitens klingt der Ein- und Ausklappvorgang auch so, als würde die Mechanik beim nächsten „Move“ auseinanderfallen.
Motor und Fahreigenschaften – Wenn Dreizylinder, dann Ford
Egal was Sie von Dreizylindern halten, gehört haben oder zu kennen glauben, es kann in diesem Falle komplett über Bord geworfen werden. Denn Ford hat wahrhaft Kompetenz, was Dreizylinder-Motoren angeht, das muss man neidlos anerkennen. Unser Bestätigungsmail-Trio begann mit dem potenten Fiesta ST, wurde bestätigt vom Focus ST-Line und untermauert werden diese Eindrücke auch in diesem Test.
Der extrem lebendig wirkende Dreizylinder bietet neben einem breiten nutzbaren Drehzahlband ein hellwaches Ansprechverhalten sowie eine für diese Größe respektable Leistungsentfaltung. Bereits ab 1.600 Touren liegen die maximal verfügbaren 240 Newtonmeter an. Die dabei vernehmbare Geräuschkulisse ist enorm zurückhaltend, die Laufkultur für einen Dreizylinder bemerkenswert, ja beispielhaft.
Der 150 PS starke Turnier beschleunigte aus dem Stand in 9,1 Sekunden auf Tempo 100. Spitze waren laut Tacho 210 km/h drin – laut Datenblatt sind es 206 Stundenkilometer.
Der Clou dabei ist eine Zylinderabschaltung, wobei der Kölner einen der drei Brennräume im Teillastbereich von seiner Arbeit freistellt. Dies geschieht für Fahrer und Insassen absolut unmerklich. Dazu passend erweist sich auch hier die exakt und sanft schaltende 8-Stufen-Automatik, bei welcher der letzte Gang eine sehr große Spreizung besitzt und ideal zum Kraftstoff sparen taugt oder bei Autobahntempi die Drehzahlen angenehm niedrig hält.
Nur beim Wechsel vom Rückwärts- in den Vorwärtsmodus und umgekehrt, gibt es mitunter eine mehrere Sekunden dauernde Pause, bevor es wieder Vortrieb gibt, der mit einem Ruck einsetzt.
Eine Mehrlenker-Hinterachse ist bei der Turnierversion übrigens immer an Bord. Die Fahrwerksabstimmung erwies sich dadurch als komfortorientiert, ohne dabei auf eine solide Straffung zu verzichten. Diese ist aber so ausgelegt, dass der Großteil an Unebenheiten der jeweiligen Fahrbahn solide herausgefedert werden konnte. Dabei geht der Kombi auf Wunsch auch flott ums Eck, ohne gleichzeitig zu starken Wank- oder Schaukelbewegungen zu tendieren.
Diese Allrounder-Eigenschaft ließ uns eine hier nicht verfügbare adaptive Dämpferabstimmung zu keinem Zeitpunkt vermissen. Die drei Fahrmodi Eco, Normal und Sport beeinflussen die Gasannahme, die Schaltcharakteristik der Automatik und das Lenkverhalten.
Die Lenkung gefiel mit natürlichem Feedback, die in jeder Lage den Kontakt zum jeweiligen Fahrbahnzustand sicherstellen konnte. Ebenso überzeugend, weil extrem wirkungsvoll und dosierbar, war die Bremsanlage des Ford Focus Turnier.
Auch beim Thema Verbrauch lässt der Ford Focus Turnier keine gute Benotung aus. Im Schnitt genehmigte sich der Testwagen 7,3 Liter auf 100 Kilometer. Wer nur ein bisschen zurückhaltend fährt, schafft problemlos eine Sechs vor dem Komma. Die 32-Kilometer-Sparrunde absolvierte der Kölner mit phänomenalen 5,9 Litern. Bleifußorgien quittiert der aufgeladene Dreizylinder dagegen mit Werten, die dem zweistelligen Bereich nahekommen.
Ausstattung, Komfort und Sicherheit
Als Ausstattungslinie Titanium mussten wir im getesteten Ford Focus Turnier auf kaum eine Annehmlichkeit verzichten. Los geht dieses Sammelsurium mit einem Keyless-System, mit Sensoren an allen vier Türen.
Einen sehr guten Eindruck hinterließen eine superschnelle, wirkungsvolle und dank drei Abstufungen gut dosierbare Sitzheizung sowie eine extrem schnelle, den gesamten Lenkradkranz gleichmäßig erwärmende Lenkradheizung. Dies sind schon mal wichtige Aspekte für eine Komfortmaximierung.
Bereits erwähnt hatten wir die bequemen Sitze, welche vorne zusätzlich pneumatisch horizontal und vertikal verstellbare Lordosenstützen vorweisen konnten.
Eine Frontscheibenheizung macht Scheibenkratzen überflüssig – sie bringt Vereisungen in kürzester Zeit zum Abtauen. Das Infotainmentsystem besitzt zwar überdurchschnittlich tiefgehende Menüebenen, aber diese erschließen sich dank learning by doing sehr schnell und auch ohne ein Benutzerhandbuch.
Das Navigationssystem besitzt eine sehr übersichtliche und verständliche Kartendarstellung, berücksichtigt zuverlässig Verkehrsstörungen und besitzt auch den aus anderen Ford-Modellen bekannten, akustischen Gong – eine coole Alternative oder Ergänzung zur akustischen Routenführung.
Manche Routenberechnungen dauerten allerdings mitunter ziemlich lang. Wir beobachteten im Test bis zu acht Minuten, bevor eine 200-km-Route komplett berechnet war. Auch eine Neuberechnung infolge eines Verlassens der angezeigten Route, kann wieder zu einer so langen Berechnungszeit führen.
Musikalisch spielte im Testfahrzeug eine Bang & Olufsen auf und konnte klanglich dabei überzeugen. Vollkommen anders als noch im Ford EcoSport, erzeugten die zehn Lautsprecher mit insgesamt 675 Watt Leistung ein lebendiges, sehr natürliches Klangbild. Ein Subwoofer untermalte dies mit einem trockenen, kraftvollen Bass und die Pegelfestigkeit konnte bis fast zum Lautstärkemaximum beobachtet werden. Eine echte Empfehlung an alle, die beim Autofahren oft und bewusst Musik hören.
Die Voll-LED-Scheinwerfer überzeugten in puncto Lichtausbeute, Reichweite und Homogenität. Gleichgültig, bei welcher Witterung man auf welchem Untergrund bei Dunkelheit unterwegs ist – die Ausleuchtung erwies sich als ausgezeichnet.
Apropos Dunkelheit: Das Bild der Rückfahrkamera konnte auch nachts ein scharfes Bild liefern und die Innenraumbeleuchtung wurde mittels LED-Technik sichergestellt. Der Totwinkelassistent arbeitete im Praxistest stets zuverlässig und warnte zusätzlich vor schnell herannahenden Fahrzeugen. Ein Cross Traffic Alert warnt beim Rückwärtsfahren vor Querverkehr und greift auch im Notfall mittels Notbremsfunktion ein.
Das Head-Up-Display projiziert mehrfarbig und gut ablesbar diverse Parameter auf eine zusätzliche, elektrisch ausfahrende Plexiglasscheibe. Die Verstellmöglichkeit dieses Displays wird – typisch Ford – über eine zusätzliche Taste in der Mittelkonsole durchgeführt und nicht wie erwartet, direkt über die Einstellungen per Bordcomputer.
Der adaptive Tempomat beherrscht die Abstandshaltung gut und die dazugehörige Stop&Go-Funktion entlastet den Fahrer in entsprechenden Situationen spürbar. Zusätzlich gibt es im Ford Focus Turnier auch eine Verkehrsschilderkennung mit in unserem Test hundertprozentiger Trefferquote, eine Distanzanzeige plus Distanzwarner, der zuverlässig bei Unterschreiten des Sicherheitsabstands zum Vordermann alarmiert, einen Ausweichassistenten, eine Falschfahrer-Warnfunktion und einen Spurhalteassistenten, der den Kombi per Lenkeingriff auf Kurs halten kann.
Eine sensorgesteuerte Heckklappe ließ sich im Test problemlos per Fußschwenk öffnen und schließen. Die dabei abgespielte Melodie ist außen sehr gut hörbar, könnte aber insbesondere nachts als eher störend empfunden werden. Zumal diese nicht in der Lautstärke variiert werden kann.
Variabel sind dagegen die Empfindlichkeit des Licht- und Regensensors und die Lüfterleistung der Klimaautomatik einstellbar.
Varianten und Preise für den Ford Focus Turnier
Den Allrounder-Kombi gibt es aktuell in acht Ausführungen und der Einstiegspreis liegt bei 21.000 Euro für das Modell „Trend“. Daneben gibt es noch die Varianten „Cool & Connect“ ab 23.500 Euro, den „ST-Line“ ab 25.800 Euro und der hier getestete „Titanium“ beginnt ebenfalls bei 25.800 Euro.
Ebenso ab 25.800 Euro gibt es den „Active“ und den „Vignale“ erhält man ab 29.300 Euro. Der „Active Vignale“ startet zum selben Preis und der „ST“ ruft 32.200 Euro auf. Als Flaggschiff bietet Ford den „ST mit Stylingpaket“ ab 35.000 Euro an.
Als Motorisierungsvarianten stehen insgesamt zehn Leistungsstufen bereit. Diese bestehen aus drei Benzinmotoren in insgesamt sechs Leistungsstufen und zwei Dieselmotoren in vier Leistungsstufen, die je nach Ausstattungslevel verfügbar sind.
Die Benziner:
- Den 1.0-Liter Dreizylinder EcoBoost gibt es mit 85, 100 und 125 PS.
- Mit dem 1.5-Liter Dreizylinder EcoBoost wird der Kombi mit 150 oder 182 PS motorisiert.
- Der 2.3-Liter Vierzylinder EcoBoost ST mit seinen 280 PS wird – wie der Name schon verrät – ausschließlich im „ST“ angeboten.
Die Diesel:
- Mit dem 1.5-Liter EcoBlue werden 95 beziehungsweise 120 PS in die Auswahlliste gestellt.
- Der 2.0-Liter EcoBlue erreicht 150 PS und als ST-Variante 190 PS.
Serienmäßig werden alle Varianten mit Frontantrieb und einem 6-Gang-Schaltgetriebe ausgestattet. Optional ist die hier getestete 8-Gang-Automatik bei einigen Motoren verfügbar, der „ST“ erhält als Benziner auf Wunsch eine 7-Gang-Automatik.
Wer das Flaggschiff „ST“ mit Benzinmotor voll ausstattet, muss ohne Zubehör zirka 41.500 Euro berappen.
Fazit – Starker Auftritt eines waschechten Kombis
Der Ford Focus Turnier trumpfte im Test mit vielen Stärken auf und dieser Eindruck wurde nur durch Kleinigkeiten, wie der manchmal in Routenberechnung gefangenen Navigation oder den klapprigen Türkantenschonern marginal gedämpft.
Der oftmals kritisierte, angeblich raue Dreizylinder zeigte sich hier von einer ganz anderen Seite und hat bei uns einen durchweg positiven Eindruck hinterlassen. Diese Motorisierung eignet sich besonders für Fahrer, die weniger als 15.000 Kilometer pro Jahr zurücklegen. Wer mehr unterwegs ist, für den dürften die Dieselaggregate interessant werden.
Als Kombi ist das Platzangebot meist das wichtigste Pfund in der Waagschale und hier kann der Focus mächtig punkten. Zumal der Aufpreis für den Kombi zum Schrägheckmodell mit 1.200 Euro recht moderat ausfällt.
Mit dem Focus Turnier bietet Ford einen ausgewogenen, technisch ausgereiften und platztechnisch ganz oben spielenden Kombi im Kompaktsegment an, der insbesondere durch die doch extrem breitgefächerte Ausstattungsmöglichkeit eine ebenso umfassende Zielgruppe ansprechen dürfte. Ob als Spartransporter mit kleinem Benziner beziehungsweise Diesel oder als Sportkombi in der ST-Variante – hier findet jeder seinen Bedürfnissen entsprechend seinen Individualisten. Und das alles zu einem vergleichsweisen wirklich günstigen Preis.
Wenngleich die Konkurrenz in diesem Segment besonders stark ist, sind wir uns sicher, dass sich der Ford Focus Turnier einen Platz in den oberen Reihen sichern kann.
Kamera: Canon EOS 6D
Opel Astra Sports Tourer, Skoda Octavia Combi, Hyundai i30 Kombi, VW Golf Variant, Kia Ceed SW, Peugeot 308 SW, Seat Leon ST, Fiat Tipo Kombi
Farbe: Pyrit Silber Metallic
Länge x Breite x Höhe (m): 4,67 x 1,83 (1,98 mit Außenspiegel) x 1,47
Radstand (mm): 2.700
Motor: Dreizylinder Benzinmotor mit Turbloader
Leistung: 110 kW (150 PS) bei 6.000 rpm
Hubraum: 1.499 ccm
Max. Drehmoment: 240 Nm bei 1.600 rpm
Getriebe: 8-Gang-Automatik
Antrieb: Front
Durchschnittsverbrauch (WLTP): 7,0 L/100 km
Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 7,3 L/100 km
CO2-Emissionen (Herstellerangabe): 158 g/km
Abgasnorm: Euro 6d-Temp
Höchstgeschwindigkeit: 206 km/h
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 9,1 Sekunden
Leergewicht: 1.444 kg
Wendekreis: 10,6 m
Kofferraumvolumen: 575 bis 1.620 Liter
Zuladung: 536 kg
Anhängelast ungebremst/gebremst in kg: 720/1.500
Stützlast: 90 kg
Dachlast: 75 kg
Kraftstofftank: 52 Liter
Kraftstoffart: Benzin mind. 95 Oktan (E5/E10)
Neupreis des Testwagens: 34.140 Euro (Einstiegspreis ab ca. 21.000 Euro)
Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.