Mit dem Rolls-Royce Cullinan Black Badge hat es der britische Hersteller von Luxusautomobilen tatsächlich geschafft, dem Premium-SUV eine noch intensivere Respektnote zu verleihen.
Gänzlich unkonventionell, wenn man die zwar kleinen, aber mit Blick auf die empirischen Traditionen aus dem Hause Rolls-Royce fast blasphemisch anmutenden Änderungen betrachtet, zeigt sich der von uns getestete Cullinan in der Black Badge Ausführung.
Zeit, um dem das Licht absorbieren zu scheinenden Luxusliner genauer hinter die Türen und unter die Hauben zu schauen. Fahrbericht.
- Exterieur
- Interieur
- Motor und Fahreigenschaften
- Ausstattung, Technik, Komfort
- Preis des Rolls-Royce Cullinan Black Badge
- Fazit
- Technische Daten
Exterieur – Back in Black
Nein, keine Verwechslung mit Wechsel- und Gleichstromhits, die würden zu diesem SUV so gut passen, wie Senf zu Tiramisu. Der Rolls-Royce Cullinan Black Badge ist vielmehr Träger einer dezenten, aber sehr gut sichtbaren Euphorie, entsprungen aus der fundamentalen Rolls-Royce-DNA.
Dabei gibt es – oh, wie schön doch so ein Stilbruch sein kann – eine Spirit of Ecstasy in dunklem Chrom und einen ebenso abgedunkelten Frontgrill. Weitere in diesem Dark Chrom gehaltene Applikationen vervollständigen den sanften Übergang in „the Dark World“.
Das Burnout Grey ist dabei eine von über 44.000 (!) möglichen Farbgebungen, welche diese Abdunklung noch zielsicher kontrastiert und dem SUV ganz nebenbei eine für ein Fahrzeug dieser Marke unerwartete Nuance an enigmatischer Ausstrahlung verleiht.
Noch ein Stilbruch gefällig? Dann sollte der Blick hinter die großen 22-Zoll-Räder fallen, denn da leuchten die Bremszangen in Rot. Auch diese Farbe wurde speziell entwickelt, um hohe Temperaturen an der Bremsanlage sicher zu überstehen. Derart farbige Bremszangen waren vor nicht allzu langer Zeit an einem Rolls-Royce ungefähr so undenkbar, als würde man in einem Veganer-Restaurant ein Rib-Eye-Steak kredenzen – medium rare.
Stilsicher bleibt hingegen die Grundform eines Rolls-Royce unangetastet und eine – wie immer per Hand aufgetragene – Coachline in Hotspur Red, bildet den Appetizer auf das, was uns im Innenraum erwartet.
Interieur – Heißsporn trifft Luxusliner
Die gegenläufigen Türen eröffnen den Zugang zum Innenraum, wie ein Tor zu einer anderen Dimension. Nachdem man den Blick über illuminierte Einstiegsleisten mit Black Badge-Schriftzug schweifen ließ, passiert es: Flammendes Rot überfällt die Augen des Betrachters, welches das feine Leder auf den Sitzen und Türen quasi in Brand gesteckt zu haben scheint. Hotspur Red heißt diese offensive Farbgebung.
Ein dem Namen vollkommen gerecht werdendes Heißsporn-Rot schlägt wie Brandungswogen in das visuelle Wahrnehmungszentrum und wird raffiniert mittels akzentuierender Applikationen in einem Scivaro Grey auf final angenehmer „Betrachtungstemperatur“ gehalten. Selbst die flauschig weichen Lammfell-Fußraumteppiche erstrahlen im feurigen Hotspur Red.
Das Dekor im Fahrzeuginnenraum zeigt sich hier in 23 aufwändig in Struktur versetzte, sogenannte „Technical-Fibre“-Teile, eine Carbon-Faser, die zu einer komplexen Oberfläche verwoben wurde. Dies sieht nicht nur spektakulär aus, sondern dauert in der Herstellung mit mehrfachen Lackierdurch- und Poliervorgängen sage und schreibe 21 Tage. Dieses Dekor ist ein exklusives Black Badge Merkmal.
Der fulminante Sternenhimmel, in dem 1.344 Sterne durch lichtfasergeleitete Punkte simuliert werden, ist auch in anderen Cullinan zu bekommen und jederzeit – doch vor allem nachts – ein unglaublich faszinierendes Spektakel, das man auf Knopfdruck im Dachhimmel zum Leben erwachen lässt.
Anders, als in den bisherig getesteten Cullinan, gibt es hier keine Einzelsitze im Fond, sondern eine durchgängige Sitzbank – Lounge Seats genannt – welche reichlich Platz für drei Personen liefert. Ein Fond-Entertainment mit zwei Screens inklusive TV-Tuner vollenden den Luxus-Level am oberen Ende der Skala.
Ein besonderes Highlight zeigt sich im Kofferraum, in dem sich – zunächst noch unsichtbar in einem Gehäuse versteckt – ein ebenfalls in Hotspur Red beledertes Sitzduo inklusive Picknick-Tischlein verbirgt. Dieses Konvolut wird – selbstverständlich – vollelektrisch ausgefahren und auf der unteren Heckklappe positioniert. So laden die beiden Sitzplätze zum standesgemäßen Pausieren und Picknicken ein. Aufpreis für dieses Gimmick: 14.000 Euro.
Motor und Fahreigenschaften – Schwarz verpflichtet
Belassen hat man es beim fulminanten Antriebsaggregat, dem V12, der mittels zwei Turbolader zwangsbeatmet wird. Doch an der Leistung wurde am Ende Hand angelegt und so kommen im Black Badge ganze 29 weitere Pferde ins Gespann.
Im Endeffekt leistet der Rolls-Royce Cullinan Black Badge nun 600 PS bei gleichgebliebenen 900 Newtonmetern maximalem Drehmoment. Doch Moment bitte, wir sprechen hier von einem Rolls-Royce und da gibt es immer und überall Besonderheiten, die man bei jedem anderen Auto vergebens suchen würde.
Eine davon ist die Tatsache, dass der Motor erst ab dem vierten Gang der insgesamt acht Gänge seine volle Leistung zur Verfügung stellt. Warum? Weil es unästhetisch wäre, wenn es in einem Rolls-Royce beim Vollgasstart zu blinkenden Lämpchen der Regelelektronik kommen würde. Verrückt.
Dennoch sprintet der Cullinan fulminant von dannen. Wenn man es drauf anlegt, benötigt er nur 4,9 Sekunden bis die 100-km/h-Marke fällt. Dazu kommen eine etwas direkter ansprechende Lenkung und eine Spur mehr Dynamik im Fahrwerk, was den Black Badge in Summe etwas spitzer anfühlen lässt. Die Vierradlenkung ist spürbar und macht sich vor allem in urbanen Bereichen, aber auch beim schnellen Spurwechsel bemerkbar.
Noch ein bisschen mehr gibt’s beim Druck auf den „Low“-Button am Wahlhebel des Lenkrads. Nicht unbedingt als derartiger Auslöser vermutet, dreht die supersanfte Automatik danach die Gänge weiter aus und nutzt somit das gesamte Drehzahlband des Zwölfzylinders.
Untermalt wird das Ganze von einem unerwartet betonten Sound aus der speziellen Black Badge Abgasanlage. Der bassbetonte, leicht grollende Klang ist durchaus beeindruckend, Rolls-Royce benennt diesen „Basso profundo“ und spricht von respekteinflößend und basslastig, was wir so auch unterschreiben würden.
Doch wie man diesen Rolls-Royce auch bewegt – seine Contenance bleibt ihm auch weiterhin vollumfänglich erhalten. Außerdem verleitet er durch seine überaus entschleunigende Art permanent zur defensiven Fahrweise. Denn man hat leistungstechnisch ja die Möglichkeiten, weiß darum und genießt so die Ruhe und den Luxus.
Man wagt es nicht mal, den Umstand zu erwähnen, aber ja, es gibt in diesem Luxus-Vehikel tatsächlich auch ein Offroad-Programm. Mehr als einen feuchten Wiesenweg wollten wir dem Briten aber nicht zumuten. Mehr wird er wohl auch in freier Wildbahn kaum vorgesetzt bekommen. Obwohl Allrad & Co. an Bord sind und nicht nur auf befestigten Straßen für ein Sicherheitsplus sorgen.
In unserem Test konnten wir uns auch erstmals dem Thema Verbrauch genauer widmen, auch wenn es bei so einem Auto sicher nur sekundäre Gesichtspunkte belegt. Dennoch war es interessant, die Werksangabe im durch uns erfahrenen Drittelmix um knapp zwei Liter überboten zu haben. 18,2 Liter auf 100 Kilometer standen auf der Uhr.
Auf unserer Sparrunde fiel der Verbrauchswert sogar auf einen für dieses Auto fast schottischen Wert von 12,5 Litern auf 100 Kilometer. Stadtverkehr wird dann mit klar über 20 Litern quittiert – permanent forcierter Umgang mit dem Gaspedal ebenso.
Ausstattung, Technik und Komfort
Hier gilt: In allen Punkten verdient der Cullinan Bestnoten. Etwas anderes hätte uns auch schwer verwundert. Ein immens ausgeprägter Komfort-Level versorgt die Insassen mit einer ganzen Heerschar an Annehmlichkeiten.
Vom satellitengestützten Automatikgetriebe, welches anhand der topografischen Daten bereits vor der Kurve oder der Steigung herunterschaltet, über die vollklimatisierten Sitze oder die vollkommen im Hintergrund arbeitende Raumklimatisierung mit einer Surround-Klimaautomatik im Fondbereich, bis zum einzigartig klingenden Bespoke Audiosystem, um nur einige zu benennen, ist alles an Bord, um den Aufenthalt so luxuriös wie möglich zu gestalten.
Dazu kommt eine Sitzergonomie, die an Komfortabilität nicht mehr zu überbieten ist und elektrische Zuziehhilfen erleichtern das Schließen der sich weit öffnenden Türen enorm. Das gesamte Potpourri wird letztendlich von einer Ambientebeleuchtung und dem bereits erwähnten Sternenhimmel in eine bezaubernde Atmosphäre getaucht. Sogar Sternschnuppen „fallen“ an diesem Himmel – wir zählten fünf pro Minute.
Gibt es denn keine Kritikpunkte? Doch, wir haben gleich zwei gefunden: Schön wäre es zum einen, wenn man vor allem im Fond die Türen auch elektrisch öffnen könnte, denn da diese nach hinten aufschlagen, ist ein unerwartet hoher Kraftaufwand dafür vonnöten
Bei zusätzlichem Seitenwind muss man dazu sogar teilweise aus dem Sitz, um genügend Hebelkraft anzusetzen. Rolls-Royce wird hier vielleicht argumentieren, dass das Türöffnen die Aufgabe des Chauffeurs sei. Nun ja, das kann durchaus sein, und dennoch wäre dies doch ein echtes i-Tüpfelchen.
Zum anderen besteht beim rechts an der Lenksäule positionierten Wahlhebel für die Automatik durchaus Verwechslungsgefahr mit dem Bedienhebel für den Scheibenwischer. Ungeübte stellen dann anstatt dem Wechsel der Fahrtrichtung mal schnell die Scheibenwaschanlage an. Beides sind sicherlich Kleinigkeiten, aber wir möchten sie dennoch anbringen.
Das Infotainmentsystem, dessen Bedienung sich an das von BMW anlehnt und damit nach kurzer Eingewöhnung bestens vonstatten geht, zeigt sich topmodern. Auch das Head-up Display kommt ursprünglich aus München, dort genießt es seit längerem den Ruf, zu den besten seiner Art zu gehören.
Auf keinen Fall unerwähnt möchten wir die laserunterstützten LED-Scheinwerfer lassen. Diese lassen bei Dunkelheit vor dem Auto nicht mal angedeutete Black Badges zu, sondern erhellen mittels homogenem und extrem weitreichendem Lichtteppich die Nacht. Die automatische Ausblendfunktion arbeitete im Paxistest absolut fehlerfrei und blitzschnell, sodass es keinerlei Blendungen anderer Verkehrsteilnehmer gab.
Ein Höchstmaß an Sicherheit garantieren diverse Assistenzsysteme, wie das Nachtsichtsystem mit Fußgänger- und Radfahrererkennung, welche im Test brilliant funktionierte und uns Passanten bereits anzeigte, als wir per Auge nach gar nichts davon ausgemacht hatten.
Der Preis des Rolls-Royce Cullinan Black Badge
Wir machen es kurz: Der Aufpreis für den Black Badge gegenüber dem herkömmlichen „Silver Badge“ beträgt fast 56.000 Euro. Rein auf die PS heruntergebrochen, wären das reichlich 2.000 Euro pro Mehr-PS.
Mit 475.553 Euro gehört der getestete – und auch alle anderen – Rolls-Royce Cullinan Black Badge zu den teuersten SUVs weltweit. Doch das Gebotene ist enorm, ist kaum mit Worten zu beschreiben und hier ist man definitiv erst vollends im Bilde, wenn man selbst in einem gesessen und ihn gefahren, zumindest aber mitgefahren ist.
Fazit – Die dunkle Verführung
Wir fassen zusammen: Der Cullinan verkauft sich unter allen Rolls-Royce besonders gut, oder wie man so schön sagt, wie geschnitten Brot – Pardon, wie parierter Hummer. Das bedeutet, man hat mit diesem SUV alles richtig gemacht. Muss es dann jetzt überhaupt noch ein Black Badge sein? Wir meinen, oh ja!
Schwarz ist bei diesem Modell vor allem der Name selbst, denn sämtliche Modifikationen fallen längst nicht so verdunkelnd aus, wie der Name es suggeriert. Dennoch sind es allesamt Modifikationen, die man bis vor kurzem bei Rolls-Royce nicht für möglich gehalten hätte. Dunkler Kühlergrill samt Figur, rote Bremssättel, Carbon-Dekor und so weiter.
In Summe gibt es einen perfekt gestylten Bad Boy im handgeschneiderten Designeranzug, der neben einem Leistungsplus und einer Nuance mehr Fitness, vor allem optisch vorsichtig neue Wege sondiert. Das wirklich tolle daran ist, dass der Black Badge eine überaus gelungene Symbiose aus Tradition und Moderne geworden ist. Topaktuelle Technik und klassische Formen harmonieren bestens und wir geben es zu: Dieses Bad-Boy-Image steht sogar einem SUV aus dem Hause Rolls-Royce verdammt gut.
Was in dieser Preisklasse besonders wichtig ist, ist Individualität. Daher gibt es fast nichts, was es bei Rolls-Royce nicht gibt. 44.000 Außenfarben sind nicht genug? Kein Problem, auf der Insel wird auch die Eigenkreation nach Kundenwunsch angemischt. Die Spirit of Ecstasy soll aus einem anderen, besonders edlen Material sein? Auch das geht, wie viele andere Dinge auch.
Dieses SUV wird seinem Image also vollumfänglich gerecht und was schert einen der Preis, wenn man als Gegenwert so etwas erhält? Und was ist schon teuer. Ein Koenigsegg Agera R ist preislich so schwer, wie zwei der getesteten Cullinan und man hätte dabei noch gut 200.000 Euro für Sprit übrig. Ein Äpfel-Birnen-Vergleich? Sicherlich, doch der Preis ist in dieser Fahrzeugklasse nun mal sekundär.
Kamera: Canon EOS 5D Mark III
Technische Daten: Rolls-Royce Cullinan Black Badge
- Farbe: Burnout Grey mit Single Coach Line in Hotspur Red
- Länge x Breite x Höhe (m): 5,34 x 2,00 x 1,84
- Radstand (mm): 3.295
- Antrieb: V12 Bi-Turbo mit OPF
- Leistung: 441 kW (600 PS) bei 5.000 rpm
- max. Drehmoment (Nm): 900 bei 1.650 bis 2.600 rpm
- Hubraum: 6.749 ccm
- Getriebe: 8-Gang-Automatik von ZF
- Antriebsart: Allrad
- Durchschnittsverbrauch (WLTP): 16,3 l/100 km
- Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 18,2 l/100 km
- CO2-Emissionen (Werksangabe): 370 g/km
- Abgasnorm: Euro 6d-ISC-FCM
- Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h (elektronisch begrenzt)
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 4,9 Sekunden
- Wendekreis (m): 13,2
- Kofferraumvolumen (l): 555 bis 1.930
- Leergewicht (kg): 2.660
- Zuladung (kg): 840
- Anhängelast ungebremst/gebremst bis 12% (kg): 750/2.700
- max Stützlast (kg): n.b.
- max. Dachlast (kg): n.b.
- Tankinhalt (l): 100
- Kraftstoffart: Super Plus (mind. 98 Oktan)
- Neupreis des Testwagens: 475.553,75 Euro
Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.