Seit 2009 gibt es bereits den Rolls-Royce Ghost, der sich als Einstiegsmodell der Luxusmarke sogleich in die Crème de la Crème der Upper Class eingliederte und nun, elf Jahre später eine fulminante Renaissance erlebt.
Rolls-Royce steht seit Anbeginn der Marke für Luxus. Auch der Ghost zelebriert Luxus. Jedes noch so kleine Detail, ob außen oder innen verinnerlicht ihn – den Luxus. Es fällt nirgendwo leichter, um Epiphora um sich zu werfen, die in Summe den Fokus dieses Autos beschreiben: genau, den Luxus.
Genau genommen, so meint Torsten Müller-Ötvös, Chef von Rolls-Royce, sei jedes Auto der Marke kein solches, sondern vielmehr ein Luxusartikel. Für uns Grund genug, dies im Fall der zweiten Generation des Ghosts zu überprüfen.
- Exterieur und Interieur
- Motor und Fahreigenschaften
- Ausstattung, Komfort und Technik
- Varianten und Preise
- Fazit
- Technische Daten
Exterieur und Interieur – Es genügt ein Blick…
…um den neuen Ghost als Rolls-Royce zu erkennen. Manche Dinge ändern sich nie – zum Glück. So sieht der komplett neue Ghost eben so aus, wie es nur ein Rolls-Royce kann: Kurzer Überhang vorn, großer Überhang hinten, die Raddimension mal zwei ergibt die Höhe der Fahrerkabine.
Und dennoch ist der Neue anders, zeigt sich überall neu akzentuiert, wovon einige Dinge erst auf den zweiten Blick erkennbar werden. Sofort ersichtlich ist die neue Position der Spirit of Ecstasy, die hier – erstmals überhaupt bei einem Rolls-Royce – nicht mehr auf dem Kühler thront, sondern auf der Motorhaube.
Davor werden die vertikalen Streben des Kühlergrills bei Dunkelheit nun illuminiert. Das geschieht aber nicht einfach so, sondern mit einer akribisch dezenten Art – so umschreibt es Rolls-Royce. Unser Erstkontakt fand bei strahlendem Sonnenschein statt, sodass wir dieses Feature leider nicht in Augenschein nehmen konnten.
Doch zurück zum Ghost, der trotz seiner gewachsenen Maße – mit 5,55 Meter Gesamtlänge hat er zum Vorgänger um 89 Millimeter zugelegt – optisch nicht so groß erscheint. Das „Tempest Grey“ des Testwagens ist eine neue Lackfarbe, ein Farbton, den man bei einem „Rolly“ nicht unbedingt erwartet hätte. So erstrahlt die Limousine dadurch irgendwie frischer und durchaus auch temperamentvoller.
Die typische Eleganz eines Mitglieds dieser renommierten Luxusmarke bleibt dabei durchgängig erhalten und die beiden gegenläufigen Türen öffnen dank elektrischer Unterstützung immer mit demselben Kraftaufwand – gleichgültig, in welcher Neigung die Luxuslimousine steht. Die hinteren Türen können sogar vollelektrisch geöffnet werden.
Die Bedienelemente zum Schließen der vorderen Türen wanderten von der Instrumententafel in die Mittelkonsole. Das klingt zunächst nach einem Plus für intuitive Steuerung. Doch die Anordnung übereinander macht hierbei einen Strich durch die Rechnung, denn es besteht Verwechslungsgefahr. Links ist oben? Oder doch unten?
Der kleine Pfeil auf den Knöpfen ist vor allem bei einem Erstkontakt mit dem Auto schnell übersehen. Man muss sich erst daran gewöhnen und es bewahrt einen nicht unbedingt davor, dass ein neuer Beifahrer zum Beispiel aus Versehen die Fahrertür statt der Beifahrertür schließt und dem noch nicht eingestiegenen Fahrer diese dann an seine Beine fährt. Keine Sorge, das tut nicht weh und die Elektronik registiert sogleich ein Hindernis. Doch angenehm ist es dennoch nicht unbedingt.
Der Innenraum zeigt sich auch beim neuen Modell nahezu feudal, allerdings ohne dabei in Übermaßen pompös zu wirken. Der sogenannten „Post-Opulence“ wird dabei vollumfänglich entsprochen. Authentische Präsenz durch feinste Materialauswahl ohne Show and Shine. Man nennt dies minimalistische Ästhetik und wir geben gern zu, dass dieses Bestreben hier Früchte trägt.
Der Wohlfühlfaktor beginnt ab der ersten Sekunde und wird nicht gestört durch etwaig lautstarke Offenkundigkeit. Highlights, wie der Sternenhimmel im Dach oder der unglaublich detailreiche Ghost-Schriftzug plus seiner Sternenbegleitung mit mehr als 850 (!) einzelnen Lichtpunkten in der Instrumententafel sind nur zwei der diversen hinreißenden Atmosphärenschaffer, die in Summe für ein grandioses Wohlfühl-Ambiente sorgen. Akzentuiert mit dezenten und fast filigran wirkenden Nähten, besitzt das Ensemble viele, teilweise subtile Kontraste, die wie ein inspirierender Hauch das Interieur durchziehen.
Über Platzverhältnisse muss man in einer Luxuslimousine wahrlich nicht sprechen, schon gar nicht, wenn es sich um einen Rolls-Royce handelt. Diese stehen vorn wie auch in Reihe zwei in überschwänglichen Maßen zur Verfügung. Der Fondbereich wird in vier Ausstattungsvarianten angeboten, von denen jeweils zwei als dreisitzig und zwei weitere mit jeweils zwei Einzelsitzen ausgeführt werden.
Beim Testwagen handelte es sich um eine Variante mit fünf Sitzen, also drei Sitzplätzen im Fond plus einer klappbaren Mittelkonsole, hinter der sich ein Kühlschrank inklusive einem Paar Champagnergläser verbergen. Die Fußmatten sowie der gesamte Kofferraum wurden mit echtem Lammfell versehen, ein haptisch ungemein angenehmes Vergnügen. Wer tatsächlich noch mehr Platz benötigt, dem schafft übrigens die Langversion des neuen Ghost als „Ghost Extended“ Abhilfe.
Motor und Fahreigenschaften – Einsteigen, um mehr zu (Er)Fahren
Neu im Rolls-Royce Ghost ist der hier erstmals zum Einsatz kommende 6,75-Liter V12 mit Bi-Turbo-Aufladung. Das Aggregat leistet 571 PS sowie 850 Newtonmeter maximales Drehmoment – 50 Newtonmeter weniger, als dieser Motor im Rolls-Royce Phantom generiert.
Im Kaltstart hört man den Zwölfzylinder kurz fauchen, bevor er sich nach einigen Sekunden in die Leerlaufdrehzahl zurückzieht und hierbei flüsterleise vollkommenes Understatement betreibt. Traditionell befindet sich der Schalthebel am Lenkrad rechts – den setzen wir auf Position auf „D“ und los geht’s.
Die große Limousine besitzt – das ist neu – nun Allradantrieb und eine Allradlenkung. Vor allem letztgenannter Punkt erfährt sich bereits auf den ersten Metern beim Schlängeln durch enge Gassen sowie kurzwinklige Kurven und Kehren im urbanen Bereich. Dabei wirkt der Ghost so handlich, wie eine Mittelklasselimousine. Es ist verblüffend, mit welcher Leichtigkeit sich dieses fünfeinhalb Meter lange und über zwei Meter breite Gefährt manövrieren lässt.
Auf der Landstraße angekommen, gibt es erstmals etwas Druck auf das Gaspedal und siehe da – auch das ist neu – der V12 meldet sich akustisch mit einem kernig-kraftvollen Klang, wobei er noch zuvor völlig entkoppelt seine Anwesenheit akustisch nahezu verleugnet hat. Der Vortrieb ist enorm, wenngleich der Ghost dabei vollends Gentleman bleibt. Zudem sollte man den Tacho jederzeit genau im Auge behalten.
Gaspedal gen Fahrzeugboden bedeutet im Fall des Ghost, dass bereits 4,8 Sekunden nach dem Start aus dem Stand die 100-km/h-Marke erreicht ist. Und der Vortrieb bleibt weiterhin nahezu unverändert bestehen, wird erst bei 250 km/h elektronisch eingefangen. Die 2,5 Tonnen Leergewicht werden dabei gefühlt mühelos mit kinetischer Energie beseelt. Wenngleich insbesondere in Kurven ebendieses Gewicht spürbar wird, bleibt der Ghost erstaunlich gelassen, krallt sich dank Allrad vehement und zuverlässig in den Asphalt.
Nur wer es übertreiben will, provoziert leichte Untersteuerungs-Allüren im Grenzbereich. Doch bevor es soweit ist, bleibt viel Raum für Fahrfreude, die man in einem Rolls-Royce als Fahrer nicht in einer solchen Ausprägung vermutet hätte. Die achtstufige Automatik bleibt dabei wie ein Souffleur nahezu unerkannt im Hintergrund. Es sei denn, man bemüht am Wahlhebel die „Down“-Taste. Etwas irritierend ist die Bezeichnung, denn dieser Knopf animiert die Automatik dazu, den Motor vor allem in den unteren Gängen drehzahltechnisch mehr bei Laune zu halten.
Noch sportiver wird der Ghost dadurch zwar, aber muss man das haben? Wir finden, dass die Automatik ohnedem näher an der Seele eines Rolls-Royce liegt, als mit. Abbruch am luxuriösen Fahrgefühl bewirkt dies jedoch nicht wirklich und so bleibt es am Ende eine Frage des Geschmacks. Insgesamt fährt sich die Limousine leichter, irgendwie auch frischer, ja jünger. Genau, wie sich die neu definierte Zielgruppe für den Ghost Nummer zwei darstellt, möchte man meinen.
Grandios finden wir das neue intelligente Planar-Dämpfersystem, welches per sogenanntem Flagbearer-System mit Kameras die Fahrbahn vor dem Auto im Auge behält und je nach Fahrbahnbeschaffenheit die Dämpfungscharakteristik bereits vorab anpasst. Weiterhin werden auch GPS-Daten und Informationen aus dem gespeicherten Navigationskartenmaterial an die Automatik kommuniziert, um je nach Gegebenheit, wie Kurven oder Gefälle, den passenden Gang zur jeweilig optimalen Fahrwerkseinstellung voreinzustellen.
Ziel der mehr als zehnjährigen Entwicklung dieses Systems war, eine Art „Fluggefühl an Land“ zu schaffen, welches es so noch nie zuvor in einem Auto gab.
Übrigens, leise bleibt es im Ghost jederzeit. Die 100 Kilogramm Dämmmaterial erfüllen ihre Aufgabe bravourös, doch völliges Silentium ist es dann doch nicht – und das ist so gewünscht. Subtile und absolut minimalistische Fahrgeräusche sorgen nämlich für ein angenehmes und auch notwendiges Feedback, wenn man mit dem Luxus-Geist unterwegs ist.
Valide Verbrauchsmessungen haben wir in unserem Erstkontakt nicht ermitteln können, dazu fehlte uns die Zeit und der Raum, um entsprechend realistische Ergebnisse zu erlangen. Dass nach mehreren Stunden Testfahrt inklusive Fotosessions mit laufendem Motor reichlich 21 Liter auf der Uhr standen, hat uns nicht verwundert. Hier geht sicher noch was – in beide Richtungen.
Ausstattung, Technik und Komfort im Rolls-Royce Ghost
Der neue Ghost kann auch in diesem Kapitel eine ganze Menge an Nova vorweisen. Die LED-Laserscheinwerfer beispielsweise, die auch im Phantom ihrer Aufgabe gerecht werden, leuchten hier bis zu 600 Meter weit. An unserem sonnigen Testtag konnten wir dies natürlich nicht ausprobieren.
Dafür konnten wir das phänomenale Bespoke Audiosystem testen und es war wieder einmal schwer, dieses akustische Erlebnis in Worte zu fassen. 1.300 Watt, aufgeteilt auf 18 Kanäle und Lautsprecher, wovon einige Exciter-Speaker darstellen, machen dieses Audiosystem zu etwas ganz besonderem. Exciter werden mit der Oberfläche eines Objekts verbunden und nutzen diese als Resonanzkörper. Hier wird der große Dachhimmel mit seinen Sternen zu einem großen Lautsprecher und die Seitenschweller der Limousine werden zu Subwoofern.
Der Klang ist an Natürlichkeit nicht zu überbieten, schlägt alles, was wir bislang testen durften und darf mit Fug und Recht als Benchmark im Segment mobiler High-End-Audiosysteme gelten. Ob Unplugged-Songs, bei denen man glauben möchte, direkt vor dem jeweiligen stimmgewaltigen Interpreten zu sitzen, bis hin zu Live-Mitschnitten, die es tatsächlich so detailgetreu in den Innenraum des Ghost schaffen, dass man meint, hautnah diesem Konzert beizuwohnen – es ist mit nur einem Wort beschreibbar: Atemberaubend.
Dazu passt dann ein Sitzerlebnis, wie in einer Lounge, doch ohne den notwendigen Halt in einem gut motorisierten Automobil missen zu müssen. Voll klimatisiert und mit einem umfangreichen, sehr vielfältigen Massageprogramm ausgestattet, dass selbst lange Reisen per Wellnesseinlage kurzweilig bleiben. Von der Sitzbelüftung kann man in dessen höchster Gebläsestufe die Lüfter gut hören – ein Zeichen dafür, dass es ansonsten extrem leise im Ghost ist.
Schnittstellenkonformität ist dem neuen Ghost ebenso zugutegekommen. Android Auto wird nun zelebriert und Apple CarPlay funktioniert auch kabellos.
Varianten und Preise des Rolls-Royce Ghost
Neben der hier getesteten Variante gibt es den Ghost auch in einer Langversion, den Extended. Diese ist 17 Zentimeter länger und erhielt genau 17 Zentimeter mehr Radstand, was sich vor allem in einem noch raumgewaltigeren Fondbereich auswirkt. Der Preis für die Langversion beträgt 281.000 Euro netto, zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Der „herkömmliche“ Ghost beginnt bei 250.000 Euro netto.
Wenn man jetzt die drei Prozent der aktuell verminderten Mehrwertsteuer berücksichtigt, sollte ein Interessent noch bis zum Jahresende zuschlagen. Denn der dadurch entstehende Preisvorteil – sofern er in solchen Dimensionen überhaupt interessieren sollte – beträgt immerhin 7.500 Euro beim Ghost und 8.430 Euro beim Ghost Extended.
Fazit – Britischer Luxus, neu definiert
Als Luxuslimousine zeigt sich der Rolls-Royce nicht minder mondän, als erwartet, jedoch weniger pompös als frühere Modelle, ohne dabei etwas von seiner außerordentlichen Pracht hergeben zu müssen – im Gegenteil.
Weniger ist eben auch im Bereich Luxus manchmal mehr. Uneingeschränkte Authentizität kann der neue Ghost in jedem Fall bewahren. Mit edelsten und zugleich stilsicheren Materialien, die ohne überzogen erscheinende Ausschweifungen zu einem stimmigen Konglomerat zusammengefügt wurden.
Hinzu kommt ein erreichtes, vollkommen neues technologisches Level, welches antriebstechnisch nicht nur für einen Rolls-Royce eine Besonderheit darstellt. Allein hierdurch offenbart sich der neue Ghost als völlig neues Auto. Außer den Regenschirmen in den Türen und der Spirit of Ecstasy ist so gut wie alles an dem Fahrzeug – Pardon, dem Luxusgegenstand – neu.
All das macht den Rolls-Royce Ghost zum modernsten Auto der traditionsreichen Luxusmarke und so darf er bereits zum Beginn seines Lebenszyklus als Ikone mit Trendsetterpotenzial im Bereich der Luxuslimousinen gelten. Besaß ein Rolls-Royce früher einmal das Image einer pompös-adligen Festung auf Rädern, so offenbart der Ghost einen Facettenreichtum, der sowohl als Chauffeurslimo als auch für jeden Selbstfahrer taugt und das auf einem derart hohen Level, dass die Luft an dieser automobilen Spitze für eine gewisse Dauer sehr dünn bleiben wird. Aus diesen Gründen Dürfte diese Luxuslimousine auch für eine jüngere Klientel überaus interessant sein.
Der Rolls-Royce Ghost wurde uns für diesen Erstkontakt von der Thomas Exclusive Cars GmbH in Radebeul/Dresden freundlicherweise zur Verfügung gestellt. An dieser Stelle möchten wird uns für die freundliche und professionelle Betreuung durch die Rolls-Royce Motor Cars Dresden herzlich bedanken.
Kamera: Canon EOS 6D
Technische Daten: Rolls-Royce Ghost (2. Generation)
- Farbe: Tempest Grey
- Länge x Breite x Höhe (m): 5,55 x 2,15 x 1,57
- Radstand (mm): 3.295
- Antrieb: V12 mit Bi-Turbo-Aufladung und OPF
- Leistung: 420 kW (571 PS) bei 5.000 rpm
- max. Drehmoment: 850 Nm bei 1.600 rpm
- Hubraum: 6.749 ccm
- Getriebe: 8-Stufen-Automatik
- Antriebsart: Allrad
- Durchschnittsverbrauch (WLTP): 15,0 L/100 km
- Durchschnittsverbrauch (NewCarz): nicht ermittelt
- CO2-Emissionen (Herstellerangabe): 341 g/km
- Abgasnorm: Euro 6d
- Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 4,8 Sekunden
- Wendekreis (m): 13
- Bodenfreiheit (mm): k.A.
- Leergewicht (kg): 2.490
- Kraftstoffart: Super Plus 98 Oktan
- Neupreis des Testwagens (zzgl. MwSt.): ca. 300.000 Euro (Einstiegspreis ab 250.000 Euro)
Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.