Gestatten, Porsche 911 Turbo S Cabrio, Baureihe 992. Schlicht, trainiert, sittlicher – und immer noch ein echter Zuffenhausener, der aus jeder Perspektive als solcher zu erkennen ist.
Doch das, was sich unterm Blechkleid getan hat, ist wahrlich noch beeindruckender. 650 PS und 850 Newtonmeter Drehmoment sorgen schon beim bloßen Blick aufs Datenblatt für einen höheren Puls.
Zeit, das Zuffenhausener Kraftpaket einem Test zu unterziehen. Fahrbericht.
Exterieur
Beim ersten Anblick fällt es besonders Laien schwer, den Turbo S als solchen zu erkennen. Ein klassischer 911er, nur eben als Cabrio, möchte man meinen. Doch der Kenner erspäht sofort den modifizierten Bug, die breiten Lufteinlässe an der Seite und spätestens beim Blick aufs Heck sollten dann auch unbedarfte Betrachter feststellen, dass hier kein Basis-Elfer vor Ihnen parkt.
Ein Blick auf die Front zeigt das geteilte Tagfahrlicht, welches beim klassischen 911 Carrera über die vier Dots im Hauptscheinwerfer realisiert wird. Der Vorderwagen hat indes in der Breite zugelegt, misst nun stattliche 1,84 Meter. Seitlich betrachtet, fallen bei genauerem Hinschauen die unterschiedlichen Radgrößen auf: Vorn steht der Turbo S auf 20-Zoll-Räder in den Dimensionen 255/35, hinten kommen 21-Zoll-Räder zum Einsatz, welche die Dimensionen 315/30 erreichen.
Auch mit geschlossenem Verdeck wirkt das Porsche 911 Turbo S Cabrio überaus reizvoll. Der Kunde hat hier die Wahl zwischen verschiedenen Verdeckfarben, die sich – mal farblich abgestimmt und mal akzentuierend – der gewählten Lackierung anpassen lassen.
Der Heckabschluss kommt mächtig daher, der Heckspoiler ist formschön integriert und doch präsent, während eine durchgehende Lichtleiste die Zugehörigkeit zur aktuellen 911er-Baureihe herstellt.
Die Sport-Abgasanlage schlägt mit rund 3.000 Euro zu Buche und verleiht dem Turbo S klassische, ovale Endrohre. Damit reiht sich der Über-Elfer dann endgültig als getarnte Speerspitze zwischen seinen Modellgeschwistern ein. Klanglich bietet besagte Anlage hingegen einen hohen Mehrwert. Das heiß geliebte heisere Röcheln klingt nun noch kehliger und im Tieftonbereich bleibt es stets brünstig röhrend.
Abschließend möchten wir noch ein Wort zur Lackierung unseres Testwagens verlieren. Das Achatgrau Metallic ist ein überaus gediegener Farbton, der den Elfer nicht in den Vordergrund rückt. In Kombination mit dem braunen Verdeck wird eine gewisse Noblesse verströmt, die besonders auf eine zurückhaltende Klientel durchaus attraktiv wirken dürfte.
Interieur
Im Innenraum des Porsche 911 Turbo S Cabrio geht es derweil zu, wie in den anderen Elfern. Besonders auffällig ist die Volllederausstattung in Trüffelbraun, die nicht nur bestens mit dem Verdeck harmoniert, sondern auch für eine elegante Auflockerung der ansonsten meist dunklen Innenräume sorgt.
Darüber hinaus sind auch die Dachholme, das Lenkrad und die Instrumententafel in der gleichen Farbe ausgeführt, was durch und durch gefällig wirkt. Die Tachoeinheit offeriert die porschetypische Fünfer-Aufteilung samt mittig platziertem und noch immer analogem Drehzahlmesser. Der Zentralbildschirm des PCM ist jederzeit gut ablesbar, die Menüführung gibt keine Rätsel auf und auch Novizen haben sich schnell an die Bedienung gewöhnt.
Eine Etage tiefer befinden sich fünf Schnellwahltasten, die selbsterklärend sind und die in die Mittelkonsole eingelassene Klimaeinheit darf ebenfalls als intuitiv gelten. Sehr gut: Für die Lautstärkeregelung gibt es auch im neuen 911er einen manuellen Drehregler.
Die Sitze des Porsche 911 Turbo S Cabrio erwiesen sich als überaus bequem und nahezu uneingeschränkt langstreckentauglich. Auch der Seitenhalt gibt keinerlei Anlass für Kritik, was man bei der Bezeichnung „Sportsitze Plus“ auch nicht erwarten würde.
Im Fond sollten nur Kinder oder kleinere Gepäckstücke, Jacken oder Vergleichbares mitreisen. Die Platzverhältnisse sind schlicht und ergreifend ungeeignet zum Transportieren von erwachsenen Menschen. Dennoch haben wir es gewagt und können sagen, dass diese Plätze zur Not tatsächlich genutzt werden können. Nach rund 40 Kilometern wollten die Fondgäste dann allerdings doch gern wieder aussteigen.
Der Kofferraum ist mit 128 Litern nicht gerade üppig dimensioniert, doch das ist bei einem Porsche 911 noch nie der Fall gewesen – da macht auch der Turbo S keine Ausnahme. Dafür kann die Rückbank – wie bereits erwähnt – als Ergänzung zum Laderaum gesehen werden.
Motor & Fahreigenschaften
Den Vortrieb im Porsche 911 Turbo S Cabrio übernimmt ein 3,8 Liter großer Boxermotor, der eine Leistung von enormen 650 PS generiert. Das maximale Drehmoment beträgt 800 Newtonmeter und steht zwischen 2.500 und 4.000 Umdrehungen pro Minute zur Verfügung. Derart motorisiert, stürmt der Turbo S in gerade einmal 2,8 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h, bis 200 km/h vergehen gerade einmal 9,3 Sekunden. Und der Topspeed? Liegt bei 330 Sachen. Haben wir ausprobiert, der Tacho zeigt maximal 341 Stundenkilometer an.
Diese aberwitzigen Leistungsdaten traut man dem Elfer in der Tat nicht zu und noch viel bemerkenswerter ist der Umstand, dass sich der Zuffenhausener als einer von nur sehr wenigen Fahrzeugen seiner Klasse ausgesprochen zivil, ja gar gemütlich bewegen lässt. Doch der Reihe nach.
Die ersten Kilometer legen wir in urbanen Gefilden zurück. Die Dämpfer sind auf weich gestellt, die Gasannahme ist „golfartig“ entspannt und das Fahrzeug verströmt nicht einmal einen Anflug von Stress. Bei Parkvorgängen fällt sogleich die Servolenkung Plus auf, die wir für gerade einmal rund 260 Euro jedem Elfer-Fahrer empfehlen möchten. Sie sorgt dafür, dass die Lenkung bei niedrigen Geschwindigkeiten butterweich bleibt und bei höheren Tempi an Straffheit zunimmt.
Apropos Parken: Wer mit seinem Elfer regelmäßig Tiefgaragen und/oder besonders sportwagenunfreundliche Auffahrten passiert, sollte über die Anschaffung des Liftsystems für die Vorderachse nachdenken. Dieses schlägt zwar mit gut 2.400 Euro zu Buche, sorgt aber dafür, dass die Elfer nirgendwo aufsetzt.
Abseits der Stadt verlieren wir noch einen Gedanken an das hervorragend weiche 8-Gang PDK, das seine Aufgabe stets gewissenhaft erfüllt. Im Vergleich zu vielen anderen Doppelkupplungsgetrieben, bietet diese Ausführung keinerlei Gedenksekunden, sondern setzt ohne Zeitverzug stets das um, was gerade vom Fahrer gefordert wird.
Dass es eine kluge Idee war, das Porsche 911 Turbo S Cabrio serienmäßig mit Allradantrieb auszurüsten, spüren wir wenige Augenblicke später. Die Großstadt im Rücken, geben wir dem Zuffenhausener die Sporen und sind nahezu perplex über die sagenhafte, extrem brutale Leistungsentfaltung des Turbo S. In nicht einmal drei Wimpernschlägen stehen dreistellige Werte auf dem Digitaltacho, die uns gleich zum nächsten Feature kommen lassen.
Ebenfalls ab Werk erhält jeder Turbo S die Porsche Ceramic Composite Brake – kurz PCCB. Ein durchaus sinnvolles Unterfangen, vernichten die 10-Kolben-Bremssättel vorn die kinetische Energie derart rabiat, dass einem beinahe Hören und Sehen vergeht.
Ein Abstecher auf die nächtliche, freigegebene Autobahn beschert uns die Möglichkeit, den Über-Elfer einmal komplett auszureizen. Es ist schier unglaublich, wie vehement das Fahrzeug selbst bei über 200 km/h noch vorangeht. Erst ab circa 315 Stundenkilometer erklimmt das Cabrio nicht mehr im Sekundentakt die Zehnerschritte, maximal erreichen wir in dieser Nacht 341 km/h. Erschreckenderweise fühlt sich das nicht einmal annähernd gefährlich an. Selbst in diesen absurden Geschwindigkeitsbereichen bewahrt der Zuffenhausener Contenance und vermittelt seinem Fahrer stets ein Höchstmaß von Sicherheit, was der geneigte Kunde sicherlich zu schätzen weiß.
Im direkten Vergleich zum 911 Carrera 4S Cabrio können wir festhalten, dass der Turbo S eine größere Bandbreite zwischen Komfort und Sportlichkeit offeriert. Heißt: das gemütliche Cruisen ist hier noch ausgeprägter, während die Vehemenz bei hohem Tempo noch stärker ausfällt.
Bleibt am Ende noch der Verbrauch des Porsche 911 Turbo S Cabrio zu diskutieren. Angegeben mit 12,2 Litern Super Plus pro 100 Kilometer, verbrauchten wir im Gesamtdurchschnitt exakt einen Liter weniger. Richtig gelesen, dies ist kein Schreibfehler, wir fuhren das 650-PS-Cabrio mit genau 11,2 Litern. Nimmt man den Turbo S ordentlich zur Brust und bewegt ihn nicht selten in extremen Geschwindigkeitsbereichen, so sollten rund 13,6 Liter einkalkuliert werden. Diesen Wert erfuhren wir bei unserer nächtlichen Highspeed-Ausfahrt. Auf der Sparrunde genehmigte sich das Fahrzeug im Übrigen gerade einmal 7,7 Liter. Für das Gebotene ein wahrlich fairer Wert.
Technik & Assistenz im Porsche 911 Turbo S Cabrio
Bereits ab Werk ist das Porsche 911 Turbo S Cabrio sehr reichhaltig ausgestattet, was bei einem Grundpreis von knapp 232.000 Euro jedoch auch nicht verwunderlich ist. Dennoch gibt es eine gute Handvoll Features, die man hinzuaddieren kann und – das schlägt preislich besonders ins Gewicht – jede Menge Individualisierungsmöglichkeiten. Die sogenannte Porsche Exclusive Manufaktur erfüllt hier nahezu jeden Wunsch, was die geneigte Kundschaft auch gerne in Anspruch nimmt.
Beginnen wir mit der Sitzbelüftung für die beiden vorderen Plätze. Die hierfür aufgerufenen 1.060 Euro sind aus Sicht der Redaktion gut investiert, die Lüfterleistung ist hoch und besonders im Sommer möchte man hierauf schon nach kurzer Zeit nicht mehr verzichten. Dass für das Clubleder in Trüffelbraun rund 830 Euro fällig werden, ist angemessen. Wir können festhalten, dass der Mehrwert, der hier optisch wie haptisch geboten wird, sehr hoch ist. Allerdings sind die 830 Euro als Aufpreis zu verstehen, denn bereits ab Werk rollt der Turbo S mit einer Vollederausstattung im Bi-Color-Design vor.
Während jeder Turbo S in den Genuss eines Bose Soundsystems kommt, steht für eine audiophile Klientel ein Upgrade auf das Burmester High-End Surround Soundsystem bereit. Hierfür werden knapp 3.200 Euro fällig, der Aufpreis lohnt sich definitiv, wenngleich das zu erwartende Ergebnis nicht so opulent ausfällt, wie beispielsweise in einem Cayenne oder Panamera. Das liegt schlicht und ergreifend am recht kompakten Innenraum des 911 – ein Cayenne bietet beispielsweise deutlich mehr Resonanzfläche.
Als weitere sinnvolle Optionen dürfen die Assistenzsysteme gelten. So gibt es hier unter anderem einen Spurhalteassistenten inklusive Verkehrszeichenerkennung (1.060 Euro), ein Abstandsregeltempomat (1.700 Euro) und einen Spurwechselassistent (820 Euro). Alle Assistenten funktionierten während unserer Testfahrten anstandslos.
Eine weitere praktische Funktion ist der optionale Komfortzugang (550 Euro), der neben dem schlüssellosen Zugang auch über einen Schlüssel-Dummy im Zündschloss verfügt, sodass der Startvorgang nicht etwa abweichend per Startknopf vonstatten gehen muss.
Wenngleich wir finden, dass eine Rückfahrkamera ausreichend ist, so offerierte unser Testwagen eine 360-Grad-Kamera für stattliche 1.035 Euro, die jedoch ein sehr hoch auflösendes Bild auf dem Zentralbildschirm wiedergibt.
Ein wenig knifflig gestaltet sich die Suche nach der Lenkradheizung beim Porsche 911 Turbo S Cabrio. Diese wird mittels eines Tasters aktiviert, der in der unteren Lenkradspeiche mittig platziert wurde. Dies kannten wir bereits aus dem Porsche Taycan Turbo S. Die Heizleistung der Lenkradheizung ist als zügig und homogen zu beschreiben.
Fazit zum Porsche 911 Turbo S Cabrio
Das Porsche 911 Turbo S Cabrio erwies sich als narrensicherer Supersportwagen, den man problemlos im Alltag bewegen kann. Ein irre schneller Daily sozusagen. Dabei ist es dem Fahrzeug völlig egal, ob man es zum entspannten Cruisen nutzt, den Abstecher auf die Rennstrecke mitnimmt oder einfach nur nächtliche Highspeedfahrten auf leeren Autobahnen durchführt. Mal eben kurz einkaufen? Auch kein Problem.
Es gibt kein zweites Fahrzeug, dass so viel Leistung bietet und gleichzeitig ein so einfaches Handling ermöglicht. Ohne die Konzernzugehörigkeit miteinzubeziehen, lässt sich der Turbo S so einfach fahren wie ein Golf.
Die Perfektion ist hier deutlich spürbar und mit jeder neuen Generation wird die Messlatte ein ganzes Stück höher gesetzt. Hinzu kommt, dass der Über-Elfer auch sehr effizient bewegt werden kann. Wirkliche Schwachstellen leistete er sich nirgends und wenn man einen Blick auf die avisierte Klientel wirft, dann ist auch der Preis von einer guten Viertelmillion Euro nicht viel mehr als ein paar Zahlen.
Bleibt noch die Frage, ob er sein Geld wert ist. Ja, ist er. Für alle, die nicht unbedingt die Speerspitze brauchen, dürfte auch der Turbo ohne S interessant sein. Der ist dann rund 33.000 Euro günstiger und bietet mit 580 (Porsche-) PS immer noch Leistung im Überfluss.
Text / Fotos: NewCarz
Kamera: Canon EOS 6D
Technische Daten: Porsche 911 Turbo S Cabrio
- Farbe: Achatgrau Metallic
- Länge x Breite x Höhe (m): 4,54 x 1,90 x 1,30
- Radstand (mm): 2.450
- Motor: Sechszylinder-Boxermotor
- Leistung: 478 kW (650 PS)
- Hubraum: 3.745 ccm
- Max. Drehmoment: 800 Nm
- Getriebe: 8-Gang Porsche Doppelkupplungsgetriebe
- Antrieb: Allradantrieb
- Durchschnittsverbrauch (WLTP): 12,2 L/100 km
- Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 11,2 L/100 km
- CO2-Emissionen (Herstellerangabe): 276 g/km
- Abgasnorm: Euro 6d-ISC-FCM
- Höchstgeschwindigkeit: 330 km/h
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 2,8 Sekunden
- Leergewicht (kg): 1.710
- Kofferraumvolumen (l): 128
- Kraftstoffart: Super Plus
- Neupreis des Testwagens: ca. 253.321 Euro (Grundpreis 911 Turbo S Cabrio: 231.747 Euro)
Sorgt seit 2015 stets für den „Nachschub“ an automobilen Neuigkeiten, ob als Modellpremieren, Modellpflege oder strategische Neuausrichtung von Herstellern – um nur einige zu nennen. Sein enger Draht zu den Herstellern ist ein Garant für brandneue Informationen und Autonews aus erster Hand. Seine automobile Vorliebe gehört vor allem den gut motorisierten Cabrios und Coupés dieser Welt.