Mit dem neuen Kompakt-SUV Renault Kadjar beschert der französische Automobilhersteller dem Renault Captur einen großen Bruder und dem geneigten Interessenten einen komfortablen und modern anmutenden Allrad-SUV.
Der Nachfolger des Renault Koleos legt unserer Meinung nach einen bildschönen Auftritt hin. Es wird daher Zeit, den Franzosen genauer unter die Lupe zu nehmen und auf Herz und Nieren zu testen. Bei unserem Testfahrzeug handelte es sich um einen Renault Kadjar XMOD ENERGY dCi 130 4×4 in der Farbe Chocolat-Braun. XMOD steht bei diesem Modell für die zweithöchste Ausstattungsvariante, welche nur von der BOSE Edition getoppt wird. Das Modell hat im Euro NCAP-Crashtest mit 5 Sternen ein ausgezeichnetes Ergebnis erzielt. Unser Fahrbericht klärt alle weiteren Details.
Konkurrenz:
Audi Q3, VW Tiguan, Skoda Yeti, Hyundai Tucson, Kia Sportage, BMW X1, Honda CR-V, Mazda CX5, Ford Kuga
Exterieur
Von außen fallen sofort die großzügig dimensionierten Radkästen ringsum auf und man denkt bei ganz genauer Inaugenscheinnahme der Seitenansicht ‚den kenne ich doch irgendwoher?‘. Das ist auch wenig verwunderlich, denn so heißt der Technikbruder des Kadjar nämlich Nissan Qashqai, der dank der Renault-Nissan-Allianz dieselbe Plattform nutzt. Der Renault ist abmessungstechnisch jedoch geringfügig größer als sein japanischer Technikbruder, was optisch und vor allem platztechnisch im Innenraum durchaus auffällt. Im Übrigen bleibt der Renault optisch unverkennbar ein solcher.

Die Front dominiert der große Marken-Rhombus, welcher nach seiner unteren Hälfte von einem chromeingefassten Grill umrandet wird, der beidseitig nach oben ansteigend in die flachen Scheinwerfer mündet. Diese werden mit sehr ansehnlichen LED-Tagfahrlicht-Linien umzeichnet, was der gesamten Frontpartie eine sympathische Freundlichkeit verleiht.
Die Nebelscheinwerfer liegen proportional unter den Scheinwerfern und das nicht zu tief, um in der Praxis nicht nur dem Design, sondern auch seiner Funktion gerecht zu werden.
An den Scheinwerfern beginnend, verläuft die Motorhaube kantig aufsteigend bis zu den A-Säulen und sorgt damit für einen wuchtig charismatischen Auftritt.

Die Dachlinie fällt nach hinten leicht ab und zum Kontrast dazu verjüngt der weit ausgestellte hintere Kotflügel die seitliche Fensterfront, was der Seitenlinie einen massiven und kraftvollen Charakter spendiert. Bereits weit in den hinteren Kotflügeln beginnend, zeichnen sich die LED-Rückleuchten bis ins Heck.
Die Heckscheibe in der Heckklappe ist oval, relativ klein bemessen und grenzt zur Dachkante an einen Heckdachspoiler in Alu-Look. Aluminium- und Chromapplikationen zieren den Renault Kadjar ringsum, das wirkt edel und suggeriert einen Hauch ‚upper class‘.
Die am Testwagen montierten 17-Zöller sehen in den großzügig dimensionierten Radkästen fast ein wenig verloren aus. Diese vertragen augenscheinlich locker auch Reifengrößen größer als Zwanzig Zoll. Lieferbar ist der Renault Kadjar laut Werk auf maximal 19-Zöllern – allerdings ausschließlich in der Topversion.

Beim Öffnen der Motorhaubenarretierung haben wir zunächst suchen müssen, womit man die Haube im geöffneten Zustand sichert. Nach einiger Zeit wurde wir dann fündig. Das Stützelement befindet sich ungewöhnlicherweise an der Rückseite der Fronthaube. Wenn man sich das erstmalige Öffnen der Haube bei Dunkelheit vorstellt, kann das mit Sicherheit zum Geduldsspiel entarten.

Interieur
Beim Öffnen der Tür fallen sofort die mit Akzentnähten verzierten Lederarmauflagen in den Türen auf. Ebenso schmeicheln die kontrastreich gestalteten Stoff/Ledersitze den Augen. Hat man auf den bequemen, großzügig bemessenen Sitzen Platz genommen, wird man mit einer schicken Animationsapplikation auf den Displays sowie einer freundlichen Melodie an Bord willkommen geheißen.

Das virtuelle Hauptdisplay für den Fahrer besticht durch eine hohe Auflösung und sehr gute Ablesbarkeit. Der besondere Clou ist eine Ode an die Individualität, bei der man das Design des Hauptdisplays und die Akzentfarben dieses und des 7-Zoll Touchscreens in der Mitte des Armaturenbretts wählen kann. Vom klassischen Tachometer bis zum großdimensionierten Drehzahlmesser inklusive Digitaltacho ist so einiges möglich. So findet jeder Fahrer seine persönliche Note, oder besser sein Wunschcockpit.

Das Lenkrad liegt satt in den Händen. Die Platzierung des mittig angeordneten Bildschirms und den Bedienelementen der Zweizonen-Klimaautomatik ist ergonomisch gesehen korrekt. Jedoch erweckt der Kunststoffrahmen hier einen wenig wertigen Eindruck. Dazu kommt ein Abriss der Linienführung, womit die gesamte Einheit unter den mittleren Lüftungsdüsen wie aufgesetzt, mit dem übrigen Design des Armaturenbretts nicht harmonisierend wirkt.

Das über diesen Touchscreen bedienbare Online-Multimediasystem ‚R-Link 2‘ ist intuitiv bedienbar und lässt kaum Wünsche in punkto Konnektivität offen. Das sogenannte Infotainment-Terminal verblüfft durch kinderleichtes Verwalten von Fahrzeug- oder Multimedia-Optionen. Eine Verbindung zum Mobiltelefon ist in Sekundenschnelle erledigt. Ob im Internet surfen, dem Navigieren mit interaktiver Routenführung oder dem Verwalten seiner Musik – egal ob vom Smartphone, einem USB-Stick oder von CD – gelingt dank logischer Menüführungen auch ohne Studium der Bedienungsanleitung im Handumdrehen.

Das Platzangebot ist überall großzügig, es fehlt nirgends an Freiraum, auch im Fond wird den Insassen auch bei längeren Fahrten angenehmes Reisen ermöglicht. Der Gepäckraum ist für seine Klasse großzügig bemessen. Das Ladevolumen beträgt 472 Liter und dank der vom Gepäckabteil aus entriegelbaren, umklappbaren Rücksitze bis zu 1.478 Liter erweiterungsfähig. Bei zusätzlich umgeklapptem Beifahrersitz kann man Gegenstände bis zu unglaublichen 2,55 Metern Länge transportieren. Dies zeigt die hervorragende Variabilität und macht den Kadjar zum Lademeister für alle Fälle.

Fahreindrücke
Der Diesel bleibt nach seinem Start akustisch dezent im Hintergrund. Er leistet sich auch keine Anfahrschwäche, dies gelingt kinderleicht und verlangt keinerlei Gewöhnungszeit. Ein Turboloch, wie man dem Kadjar andererorts unterstellt hat, konnten wir nicht beobachten. Schnell spürt man jedoch auch, dass der Motor im Vortrieb einen eher dezenten Charakter besitzt. Trotz eines mit kurzen Schaltwegen hierfür recht gut abgestimmten 6-Gang Schaltgetriebes, gelangt nur ein Quäntchen von Agilität auf die Straße. Erst wenn man das Gaspedal über eine Art mechanische Barriere zwingt, erweckt der 1,6 Liter Vierzylinder einige Lebensgeister aus dem konsumierten Leichtöl. Das genügt jedoch für den Stadtverkehr oder dem Cruisen über Land durchaus. Sportliche Ambitionen bleiben jedoch verwehrt. Doch das ist auch nicht die Aufgabe dieses Kompakt-SUV, sondern will er doch viel mehr den alltäglichen Herausforderungen gerecht werden. Und das gelingt ihm wiederum ganz akzeptabel.
Der in unserem Testwagen verbaute Common-Rail Diesel mit 1,6 Liter Hubraum ENERGY dCi 130 leistet 130 PS mit einem maximalen Drehmoment von 320 Newtonmeter bei 1.750 U/min. Die Werksangaben für den kombinierten Verbrauch in Höhe von 4,3 Litern auf 100 km haben wir nicht erreicht. 6,8 Liter zeigte der Bordcomputer nach unserer Testfahrt an. Ein für ein Fahrzeug in der Größe immer noch respektabler Wert.
Diverse Assistenzsysteme unterstützen den Fahrer zuverlässig. Ein Spurhalteassistent beispielsweise meldet akustisch das Überqueren von längs verlaufenden Fahrbahnmarkierungen. Die Empfindlichkeit sowie die Lautstärke der Warnsignale sind variabel einstellbar. Die Verkehrszeichenerkennung warnt zuverlässig dank einer aufmerksamen Frontkamera vor allen Geschwindigkeitsbegrenzungen und zeigt diese in Echtzeit im Hauptdisplay an. Ein Fernlichtassistent sorgt dafür, dass entgegenkommende Fahrzeuge nicht geblendet werden. Unser Testwagen besaß Projektionsscheinwerfer mit der mittlerweile fast schon obsoleten Halogentechnologie. Voll-LED-Scheinwerfer sind leider auch wieder nur der Topversion, der ‚BOSE Edition‘ vorbehalten.

Beim Fahrwerk hat Renault das Hauptaugenmerk auf Komfort gelegt. Egal welcher Straßenbelag dem Renault Kadjar unter die Räder kommt, er lässt erstaunlich wenig davon bis zum Innenraum vordringen. Die geschwindigkeitsabhängige Servolenkung ist in keiner Situation zu schwer- oder leichtgängig, vermittelt aber auch nicht mit der Direktheit Rückschlüsse von Lenkverhalten und Fahrbahn, wie man es sich wünschen würde. Dadurch wirkt sie mitunter etwas unscheinbar und entkoppelt. Dazu neigt der Franzose in engen Kurven zum leichten Nicken der Karosserie. Dies lässt in Summe den Fahrer von etwaiger Kurvenhatz oder zügigen Lastwechselaktionen freiwillig Abstand nehmen. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, man ist stets mit einer komfortorientierten Gelassenheit unterwegs. Oder anders: der Anti-Stress-Modus ist in diesem Kompakt-SUV dauerhaft aktiv.
Das Bremssystem spricht sehr gut an und bedarf wenig Kraftaufwand um das ca. 1,5 Tonnen schwere Gefährt –wenn nötig – seiner gesamten kinetischen Energie zu berauben. Der Bremsweg aus 100 km/h fällt mit reichlich 35 Metern für einen SUV kurz und dadurch sicher aus.

Die Sicht nach hinten ist karosseriebedingt und durch die recht kleine Heckscheibe eingeschränkt, was eine Einparkhilfe zum hilfreichen Ausstattungsmerkmal befördert. In der höchsten Ausstattungsvariante ist hier auch ein Einparkassistent mit Rückfahrkamera erhältlich. Dies macht sich insbesonders im städtisch ruhenden Verkehr zu einem der wichtigen Ausstattungspunkte. Schade dass diese Ausstattungsvariante auch nur beim Topmodell erhätlich ist.
Ein Drehregler in der Mittelkonsole erlaubt die Wahl zwischen Front-, Allradantrieb (Lock) oder dem Auto-Modus, der je nach Fahrsituation selbst entscheidet, ob die Kraft mit Allrad oder Frontantrieb auf die Straße gebracht wird. Der ‚Lock‘ Modus ist für den Offroadeinsatz vorgesehen. Dabei ist die Antischlupfregelung deaktiviert und die Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterräder erfolgt in einem Verhältnis von 50:50 – maximal bis zu einer Geschwindigkeit von 40 km/h.

Eine echte Offroad-Testfahrt haben wir nicht durchgeführt. Jedoch kann man aufgrund der relativ geringen Bodenfreiheit von nur 200 Millimetern bereits abschätzen, dass der Kadjar abseits der besfestigten Strecken, nur für Fahrten auf leichtem, wenig anspruchsvollen Terrain konzipiert ist. Mittleres oder gar schweres Gelände ist nicht sein Jagdgebiet.

Fazit: Ein Kadjar für alle Fälle
Uns hat der kompakte SUV vor allem mit seinen üppigen Platzverhältnissen, dem überdurchschnittlichen Fahrkomfort und seinen innovativen Ausstattungsmerkmalen überzeugt. Seine variablen Ladekapazitäten, seine erhöhte Sitzposition in Verbindung mit seinem sicheren Allradantrieb, machen ihn nicht nur für Forst und Landwirte interessant, sondern können ihn genauso zum passenden Begleiter des urbanen Lifestylers machen. Die Motorisierung finden wir einem Auto dieser Klasse nicht angemessen, so fühlt sich der Antrieb bei Überholvorgängen, auf der Autobahn oder voll beladen in bergigem Terrain mitunter überfordert an. Wäre der Renault Kadjar zusätzlich mit einer kräftigeren Motorisierung zu haben, könnte man ihm das Prädikat perfekter Allrounder ausstellen. Wobei sich, um dem Fürwort wieder seinen Raum zu geben, die zurückhaltende Kraftentfaltung der bestehenden Motorenpalette positiv auf den Verbrauch und schlussendlich auch auf Geldbörse und Umwelt auswirkt. Eine Medaille hat eben immer zwei Seiten.
Es gibt vier Ausstattungslinien, wovon im untersten Preissegment das Modell „LIFE“ darstellt, den man als frontangetriebenen 130 PS Turbobenziner bereits für faire 19.900 Euro bekommt. Wenn man bedenkt, das unter anderem Dinge wie Berganfahrhilfe, elektronische Parkbremse oder das Reifendruckkontrollsystem bereits serienmäßig dabei ist, erhält man eine Menge Auto für’s Geld. Einige Ausstattungs-Gimmicks hätten wir uns dennoch gerne für mehr als nur die Topversion gewünscht. Diese bekommt man in der benzinangetriebenen Variante ab 28.190 Euro.
In einem Satz: Der Renault Kadjar ist ein komfortabler Reisewagen, der neben jeder Menge Platz durch ein sicheres Fahrverhalten punktet.
Technische Daten: Renault Kadjar XMOD ENERGY dCi 130 4×4
Länge x Breite x Höhe (m): 4,53 x 1,83 (mit Außenspiegel 2,06) x 1,61
Motor: Reihen-Vierzylinder-Turbo-Diesel mit Common-Rail Direkteinspritzung
Leistung: 96 KW (130 PS)
Hubraum: 1598 ccm
Max. Drehmoment: 320 Nm
Getriebe: manuelles 6-Gang-Getriebe
Antrieb: Front oder Allrad
Bodenfreiheit: 200 mm
Böschungswinkel: 18° vorn / 28° hinten
Durchschnittsverbrauch (NEFZ-Norm): 4,3 L/100 km
CO2-Emissionen: 113 g/km
Abgasnorm: Euro 6
Höchstgeschwindigkeit: 190 km/h
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 9,9 Sekunden
Leergewicht: 1490 kg
Kofferraumvolumen: 472 l
Kraftstofftank: 65 Liter
Text/Fotos: NewCarz

Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.
Ihr schreibt, der Diesel ist etwas schwach und man muss das Gaspedal weit durchdrücken. Habt Ihr mal den ECO Modus ausgeschaltet? der ist auf den Bildern nämlich eingeschaltet. Bei eine Probefahrt hatte ich den auch drin und habe es nicht gemerkt. Dann läuft der auch nicht richtig.
Gruß, F.N.
Hallo Frank, vielen Dank für deinen Hinweis. Dieser zeigt, dass du unseren Beitrag aufmerksam gelesen hast. Das freut uns sehr.
Der ECO-Modus war zum Test des Beschleunigungs- und Durchzugsverhaltens jedoch deaktiviert. Der Eindruck zur Kraftentfaltung des Motors entstand entsprechend unverfälscht.
Nochmals vielen Dank und weiterhin viel Spaß auf NewCarz wünscht dir das gesamte NewCarz-Team.