Mit dem VW Golf R 20 Years feiern die Wolfsburger das 20-jährige Bestehen der R-Abteilung.
Was im Jahr 2002 mit dem Golf 4 R32 begann, wird mit dem 8er-R fortgesetzt. Mit weniger Hubraum, aber deutlich mehr Leistung und moderner Technik.
Das hier zur Verfügung gestellte Sondermodell „20 Years“ kann zudem einige Besonderheiten aufweisen, die ihn vom „normalen“ R abgrenzen. Welche das sind und wie sich der „Über-R“ fährt, klärt der nachfolgende Test.
Unser Fahrzeug trug die fast schon typische Lackierung in „Lapiz Blue“ samt schwarzen 19-Zöllern.
- Exterieur & Interieur
- Motor und Fahreigenschaften
- Ausstattung, Komfort, Sicherheit
- Varianten und Preise
- Fazit
- Pro & Contra
- Technische Daten
Exterieur & Interieur – Dezenter Sonderstatus
Da steht er nun vor uns, das Sondermodell „20 Jahre R“. Doch zunächst sind wir etwas irritiert. Ist das wirklich ein Sondermodell? Auf den ersten Blick sieht man ihm das jedenfalls nicht an. Nahezu deckungsgleich mit dem bereits getesteten Golf R steht dieses Editionsmodell – auch noch in gleicher Lackfarbe – nun auf unserem Parkplatz.
Erst auf den zweiten Blick lassen sich einige wenige Feinheiten entdecken, die aber wirklich nur Kenner detektieren können. Da wären einmal die „20“ Badges auf der B-Säule, die man der guten Ordnung halber Ton in Ton ausgeführt hat. Und da wäre die Türvorfeldbeleuchtung, die ebenfalls „20 R“ auf den Boden projiziert. Natürlich nur im Dunkeln und natürlich auch nur bei geöffneter Fahrer- oder Beifahrertür. Das wars. Für ein Sondermodell, das zwei Jahrzehnte Power verkörpern soll, ist das aus unserer Sicht schon zu dezent. Ansonsten gibts den klassischen Golf-R-Look, den wir bereits im Testbericht näher beschrieben haben.
Eine Sache wäre da aber doch noch: Bestellt man den 20 Years nicht in „Lapiz Blue“, sondern in „Pure White“ oder „Deep Black Perleffekt“, gibts blaue Außenspiegelkappen und Felgen. Das wars nun aber endgültig.
Im Innenraum gehts ebenfalls so gar nicht sondermodellig weiter. Irgendwie hat man sich auch hier Hinweise auf den Sonderstatus geschenkt. Immerhin gibt es serienmäßig eine Nappalederausstattung sowie Sportsitze mit Sitzheizung und -belüftung. Die gestickten, blauen R-Logos in den Sitzen sehen cool aus und das Gestühl selbst ist recht bequem und bietet ausreichenden Seitenhalt. Schalensitze oder Ähnliches werden nicht offeriert.
Ansonsten bleibt der Überblick gewahrt. Wer schon einmal in einem normalen Golf 8 saß, wird sich hier sofort zurechtfinden. Das Infotainment offeriert weiterhin eine mittelprächtige Bedienung, während die Übersicht hingegen prima ist. Allerdings – und das ist schon irgendwie cool – gibt es im VW Golf R 20 Years erstmals in einem Volkswagen Dekoreinlagen aus echtem (!) Carbon. Und das sogar serienmäßig.
Alle Abmessungen – sowohl im Fond als auch den Laderaum betreffend – sind unverändert zu den anderen Golf-Derivaten.
Motor und Fahreigenschaften – Im Detail modifiziert
Gibts denn hier wenigstens ein bisschen Sondermodell? Ja, gibt es. Der auf die Bezeichnung EA888 hörende VW-Performance-Motor wurde hier elektronisch ordentlich aufgemotzt. Naja, zumindest ein wenig. Statt der ursprünglichen 320 leistet der VW Golf R 20 Years immerhin 333 PS. Das ist jetzt nicht die Welt, aber das war ja auch noch nicht alles.
Hinzu kommt eine neue Motorsoftware, die für mehr Bissigkeit sorgt. Im Detail werden hier unter anderem die Turbolader auch im Teillastbereich auf Drehzahl gehalten. Das hat den Vorteil, dass der Ladedruck schneller aufgebaut ist und bei abrupter Verzögerung und anschließender Beschleunigung einige Zehntel herausgefahren werden können. Klingt jetzt sehr nach Kleinigkeit, macht sich aber in der Praxis – zumindest bei sehr performanter Fahrweise oder auf der Rennstrecke – bemerkbar.
Ebenfalls neu ist die Abstimmung des DSGs. Diese VAG-Doppelkuppler sind so eine Sache für sich. Grundsätzlich verrichten sie einen guten Job, aber diese ewige Gedenksekunde ist nahezu immer da. Mal mehr, mal weniger präsent. Das haben die Ingenieure wohl auch bemerkt und dem Getriebe eine neue Software verpasst. Das können Sie sich wie folgt vorstellen: Ist das Getriebe im Sport- oder im manuellen Modus, gibt es bei jedem Hochschalten einen spürbaren Ruck. Das kennen wir beispielsweise von einigen Supersportlern á la Lamborghini Aventador. Nur fühlt sich das dort passender an. Hier wirkt es einfach ein wenig künstlich herbeigeführt.
Folgendes konnten wir ebenfalls feststellen: Der VW Golf R 20 Years verfügt über einen sogenannten „Emotionsstart“. Das heißt, wenn man statt die Bremse zu treten und dann den Startknopf zu drücken die Reihenfolge umkehrt, brüllt das 20-Jahre-Sondermodell einmal kurz auf. Das klingt jetzt weder nach sechs- oder mehr Zylindern, wirkt aber schon ziemlich präsent.
Wobei man fairerweise sagen muss, dass wir hier auch die fast 4.000 Euro teure Akrapovic-Abgasanlage mit Titan-Endschalldämpfern an Bord hatten. Richtig gelesen, die ist auch im Sondermodell nicht serienmäßig dabei. Serienmäßig ist aber eine geringfügig markantere akustische Präsenz. Soll heißen, das Sondermodell ist etwas lauter, aber immer noch weit entfernt von aufdringlich.
Und wie fährt sich der 333-PS-R nun? Nicht wirklich anders als der R, zumindest auf den ersten Metern. Die finden nämlich im Comfort-Modus statt und so fährt sich der R zwar dynamisch, aber absolut alltagskonform. Will heißen, es lässt sich faktisch kein Unterschied zum normalen R feststellen.
Das ändert sich erst, wenn man in den Sport- oder gar in den Special-Modus wechselt. Dann spürt man zwar die Mehrleistung von überschaubaren 13 PS immer noch nicht, dafür aber das signifikant bessere Ansprechverhalten. Besonders, wenn man genau das macht, was man normalerweise eher auf der Rennstrecke macht. Nämlich die Kurve scharf anbremsen, einlenken und wieder aufs Gas gehen. Untersteuern? Fehlanzeige! Der 4Motion-Allradantrieb samt Torque-Splitter sorgt dafür, dass sich das Heck ein wenig eindreht und dann eben der Linie folgt, die man anvisiert hat. Und das macht höllisch Spaß.
Apropos Lenkung: Diese wurde bereits oftmals kritisiert. Wir finden, sie wartet nicht mit der Präzision einer BMW- oder Porsche-Lenkung auf, kann aber den performanten Ansprüchen, die dieses Auto offeriert, genügen. Die Bremsen übrigens sowieso, auf die war bei R-Modellen schon immer Verlass.
Ein Tipp der Redaktion: Bitte unbedingt das adaptive Fahrwerk DCC mit bestellen. Nein, auch das ist nicht ab Werk dabei. Wer seinen Über-R allerdings auch im Alltag entspannt bewegen, ab und zu aber die Sau rauslassen will, sollte diese 1.045 Euro definitiv investieren.
Kommen wir zum Thema Verbrauch. Der war in der Tat eine kleine Überraschung. Denn im Gesamtdurchschnitt lag der Über-R nur einen Zehntelliter oberhalb des klassischen R, also 8,4 Liter Super Plus pro 100 Kilometer. Sportfahrer müssen mindestens elf Liter einplanen und wer die dynamischen Vorzüge in Gänze genießt, erntet auch mal 15 Liter und mehr.
Dafür gab sich der 333 PS starke Golf auf der Sparrunde sehr genügsam. Hier flossen nur 5,6 Liter pro 100 gefahrener Kilometer durch die Leitung, das sind wiederum 0,1 Liter weniger, als der normale R konsumierte.
Ausstattung, Komfort, Sicherheit im VW Golf R 20 Years
Der VW Golf R 20 Years startet bei 59.995 Euro und offeriert eine – sagen wir – solide Grundausstattung. Allerdings gibt es eine doch erschreckend lange Aufpreisliste, von der unser Testwagen das meiste an Bord hatte. Da wir nahezu alle Features des 8er-R bereits in dessen Einzeltest erörtert haben, beschränken wir uns hier auf die Sonderausstattungen, die unser Sondermodell an Bord hatte.
Da wären einmal die Semi-Slicks aus dem Hause Bridgestone, die mit glatten 1.000 Euro zu Buche schlagen. Sie sind für performante Fahrten allerdings ideal, also sollte über deren Anschaffung bei entsprechendem Verwendungszweck nachgedacht werden.
Dann wäre da das Assistenzpaket IQ.Drive für weitere 675 Euro sowie die immer noch sehr guten IQ.Light Matrix-LED-Scheinwerfer. Kostenpunkt: nochmals 975 Euro. Auch das große Infotainment „Discover Pro“ sollte eigentlich in diesem High-End-Golf nicht fehlen, wird aber mit heftigen 1.455 Euro berechnet. Auch ein Head-up Display sowie eine Rückfahrkamera sind quasi obligatorisch, kosten zusammen weitere 1.025 Euro.
Sehr empfehlenswert ist auch hier das Soundsystem aus dem Hause Harman/Kardon. Die 680 Euro sind aus unserer Sicht gut investiertes Geld. Keyless kostet nochmals 445 Euro und ist unweigerlich an eine Alarmanlage gebunden, für die 350 Euro zusätzlich fällig werden.
Varianten und Preise des VW Golf R 20 Years
Dieses Kapitel können wir relativ kurz halten. Der Golf R 20 Years wird in nur einer Ausstattung und mit nur einem Antrieb für einen Grundpreis von 59.995 Euro angeboten. Es stehen ferner drei Lackfarben zur Wahl: „Lapiz Blue Metallic“, „Pure White“ und „Deep Black Perleffekt“.
Hinzu kommen die im vorherigen Kapitel genannten Ausstattungen sowie noch anderthalb Seiten weitere Optionen, die den Preis für das Sondermodell in astronomische Höhen treiben. Unser gut, aber noch nicht vollausgestatteter Testwagen brachte es auf stattliche 76.350 Euro.
Fazit zum VW Golf R 20 Years – Der wahre Volks-Porsche
Mit dem VW Golf R 20 Years haben die Wolfsburger ein sehr dezentes Sondermodell auf die Räder gestellt, das weniger um Aufmerksamkeit buhlt, als mit inneren Werten zu überzeugen. Seine professionelle und filigrane Abstimmung lässt ihn daher noch über dem klassischen R rangieren.
Allerdings bedarf es hier schon etwas Geschick, um ebendiese Modifikationen auch herauszufahren. Wer den Vergleich nicht kennt, wird derweil keinen Unterschied spüren. Spürbar ist jedoch der hohe Preis. Mit über 76.000 Euro ist der Über-R nicht nur kein Schnäppchen, sondern vielmehr ein heftiges Statement. Zumal man für diesen Preis auch deutlich potentere und rassigere „Sportwagen“ erhält.
Aber: Der Golf R ist halt die eierlegende Wollmilchsau im Kompaktsport-Segment. Während ein Civic Type R kompromissloser und ein Cupra Leon ABT spritziger zu Werke geht, bringt der Golf einfach die besseren Allroundeigenschaften mit. Und da kann ihm noch immer keiner das Wasser reichen.
Hinzu kommt, dass die Aussage seitens VW, ein „Sammlerstück“ zu erwerben, gar nicht mal so weit hergeholt ist. Aufgrund der immer weiter zunehmenden E-Mobilität dürften Kandidaten wie der hier getestete Protagonist, wohl nicht mehr allzu lange haben. In Anbetracht dessen relativiert sich dann auch der Preis, zumindest ein wenig.
Pro & Contra
Pro:
- Sehr potenter Antrieb
- DSG ohne Gedenksekunde
- Trotz hoher Sportlichkeit uneingeschränkt alltagstauglich
Contra:
- Extrem hoher Preis
- Trotz Sondermodell-Status lange Aufpreisliste
Konkurrenz: Honda Civic Type R, Hyundai i30 N, Cupra Leon ABT, Audi S3, BMW M135i xDrive
Technische Daten: VW Golf 8 R 20 Years
- Farbe: Lapiz Blue Metallic
- Fahrzeugklasse: Kompaktklasse
- Länge x Breite x Höhe (m): 4,29 x 1,79 x 1,46
- Radstand (mm): 2.628
- Antrieb: Reihenvierzylinder mit Turbolader und OPF
- Hybridart: —
- max. Leistung: 245 kW (333 PS) bei 5.350 rpm
- max. Drehmoment (Nm): 420 bei 2.100 bis 5.350 rpm
- Hubraum (ccm): 1.984
- Getriebe: 7-Gang-DSG Doppelkupplungsgetriebe
- Antriebsart: Allrad 4Motion
- Durchschnittsverbrauch (WLTP) (l/100km): 7,9 l/100km
- Durchschnittsverbrauch (NewCarz) (l/100km): 8,4 l/100 km
- CO2-Emissionen (Werksangabe in g/km): 179 g/km
- Abgasnorm: Euro 6d-ISC-FCM
- Höchstgeschwindigkeit: 270 km/h
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h (sec): 4,6
- Wendekreis (m): 10,9
- max. Bodenfreiheit (mm): k.A.
- max. Kofferraumvolumen (l): 374 bis 1.230
- Leergewicht (kg): 1.554
- Zuladung (kg): 476
- max. Dachlast (kg): 75
- Tankinhalt (l): 55
- Kraftstoffart: Benzin E5/E10 mind. 95 Oktan (98 empfohlen)
- Neupreis des Testwagens (Euro inkl. MwSt.): 76.350 Euro (Basispreis: 59.995 Euro)
Sorgt seit 2015 stets für den „Nachschub“ an automobilen Neuigkeiten, ob als Modellpremieren, Modellpflege oder strategische Neuausrichtung von Herstellern – um nur einige zu nennen. Sein enger Draht zu den Herstellern ist ein Garant für brandneue Informationen und Autonews aus erster Hand. Seine automobile Vorliebe gehört vor allem den gut motorisierten Cabrios und Coupés dieser Welt.