Der ambitionierte Renault Twingo GT hätte auch bedenkenlos RS getauft werden können.
Hier herrscht eine Menge Potenz geballt in kleinem Format. Artgerecht feierte der Kleine 2016 auf dem Goodwood Festival of Speed seinen ersten Auftritt in der Öffentlichkeit.
Das Geheimrezept ist denkbar einfach: 109 scharrende Pferde aus einem aufgeladenen Dreizylinder, Heckantrieb und ein Leergewicht von 1.000 Kilogramm. Geboren ist die kleine Rennsemmel, welche die City zu ihrem Metier erklärt. Was der große Kleine zu bieten hat, zeigt dieser Fahrbericht.
Exterieur – frech und aufgepumpt
„Oh, ein herrlich knuffiges Gesichtchen mit freundlichem Ausdruck“, mag sich so mancher Mitstreiter auf der Straße denken, wenn er in den Rückspiegel blickt. Beim zweiten Blick ist das Gesicht schon viel größer geworden, weil es sich mit einer beachtlichen Geschwindigkeit genähert hat. Nun, das freche Antlitz verrät den anderen recht wenig über das, was sich dahinter verbirgt.

Die Front wird von großen, fröhlich drein blickenden Halogen-Kulleraugen und vier im Kreis angeordneten LED-Tagfahrleuchten bespielt. Die weit unten platzierten Nebelscheinwerfer mit Abbiegelicht sind Serie.

Das Magma-Orange ist eine der feurigen, zum Konzept eines extrovertierten Cityboliden passenden Farben. Wer es dezenter mag, kann zu Lunaire-Grau, Black-Pearl-Schwarz und Pyrénées-Weiß greifen.
Individualität ist im Trend, sodass die Option des Dachstriping „GT“ nicht nur ein optisches Highlight in mattschwarz, sondern ein Statement des Fahrers darstellt.

Die Seitenlinie zeigt, dass der Twingo einen tiefergelegten Aufbau hat, was die sportliche Anmutung steigert und die Straßenlage des Flitzers verbessert. Das Striping der Seiten ist Serie, genau wie die 17-Zoll-Räder „TwinRun“, welche die Radhäuser nahezu komplett ausfüllen.

Der GT wartet mit einem Lufteinlass auf, wie man ihn sonst nur von automobilen Sportlern kennt. Dieser senkt die Temperatur der Ansaugluft und steigert den Luftdurchsatz des aufgeladenen Dreizylinders – aber dazu später mehr.

Auf seine Potenz weisen auch die kleinen Doppelauspuff-Endröhrchen hin, die das Heck dominieren.
Beim Öffnen des Kofferraumes offenbart sich, wie Gewicht gespart wird: die Klappe ist das Glas der Scheibe, die unten schwarz gefärbt ist und bis zum Stoßfänger reicht.

Insgesamt hat der Kleine gewissermaßen zwei Gesichter – das Erste zeigt ein knuffig-kleines Auto mit typischer Kleinwagenattitüde und das Zweite zeigt die Neigung zur Performance. Dazu trägt maßgeblich auch das Karosseriekit mit Kotflügel- und Schwellerverbreitungen bei. Apropos Kit: Wo bei den Großen viele „Verschönerungen“ optional sind, sind beim Twingo GT bis auf das Dachstriping, das Soundpaket und das Flexicase 9-System alle Komponenten Serie.
Interieur – Sportsitze im Kleinstwagen? Genau richtig!
Durchdacht und stimmig zeigt sich das Konzept des Innenraumes. Schwarz und grau dominieren und werden mit orangen Akzenten aufgebrochen – stimmig.

Das Raumgefühl ist erstaunlich luftig, was primär am hohen Maß an Kopffreiheit liegt. Die vorderen Sitze sind sportiv gezeichnet und schön straff. Immer wieder waren verschiedenste Passagiere gerade von dieser unerwarteten Optik im Kleinwagen-Ambiente begeistert.

Wer hinten sitzt, muss sich an den recht steilen Winkel von Sitzfläche und Lehne gewöhnen und könnte bei rasanter Kurvenfahrt etwas den Seitenhalt vermissen.
Unter der Rückbank sind optional bestellbare Ablagefächer, in denen beispielsweise der Verbandkasten sicher gebettet werden kann. Im Übrigen erfreuen sich die Passagiere des Fonds eines erstaunlich kernigen Klangs der Soundmaschinerie vom Motor. Dieser vermag es tatsächlich problemlos, die Tweeter und den Subwoofer des optionalen, 390 Euro teuren Sound-Paketes zu übertönen – und das gefällt den Freunden von Motorsoundkulissen.

Das höhenverstellbare Lederlenkrad wurde unten sportiv abgeflacht, aber wirkt dadurch oben ziemlich überdimensioniert. In Anbetracht dessen wäre ein in der Gesamtheit etwas kleineres Lenkrad optisch und vom Handling her noch besser. Den Fahrer erfreuen die feinen Details wie das Fach für die Sonnenbrille und die Ablagemöglichkeiten des Modularität-Paketes, welches unter anderem das geschlossene Handschuhfach und das geschlossene Ablagefach der Mittelkonsole enthält. Wer dieses herausnimmt, kann darunter zwei Kaffeebecher sicher im Twingo transportieren. Da diese vor der Schaltung lagern, ist der Griff zum Becher bei Fahrten eher zu vernachlässigen.
Nicht verzichtbar ist die Serien-Klimaautomatik, die dem Kleinen gut einheizte und keine Wünsche offen ließ.
Beim Blick auf das Tachometer wird klar: Hier gibt es keinen Drehzahlmesser.

Geschaltet wird nach den Empfehlungen der Schaltpunktanzeige und nach Gehör, wobei der Motor seine Drehzahlen akustisch nie wirklich verheimlicht.
Eine weitere Besonderheit des Twingo mit Grand Tourisme-Ambitionen stellt der Aufbau des Motorraums dar. Nachdem eine kleine Schulung im Internet – oder der Griff zum Handbuch – erfolgt ist, weiß man, wie das Prozedere zum Befüllen der Betriebsflüssigkeiten abläuft.
Rechts und links flankieren kleine Schutzabdeckungen den Renault-Thrombus. Unterhalb dieser muss mithilfe des Schlüssels links die Verriegelung gelöst werden. Danach kann man die beiden kleinen Hebel betätigen, welche die federleichte Kunststoff-Motorhaube lösen. Diese muss gleichmäßig nach vorne gezogen werden und wird von Gummibändern fixiert. Nun hat man freien Zugriff auf die Batterie und die Behältnisse.
Mögliche Optimierungen könnten die Enge im Fußraum betreffen, denn die Pedale sind sehr nah beieinander. Bei Menschen, die auf großem Fuß leben, könnten sich hier womöglich die Füße etwas in die Quere kommen.
Sicherheit und Assistenz
Der Kraftzwerg Renault Twingo GT kommt serienmäßig mit nützlichen Sicherheitsfeatures wie dem Notbremsassistenten. Dieser wird vom Antiblockiersystem ABS unterstützt, sodass der Bremsweg unter größtmöglicher Kontrolle durch den Fahrer verkürzt werden kann. Mithilfe des Berganfahrassistenten wird das Fahrzeug an Steigungen zwei Sekunden gehalten, sodass Sorgen vor einem Zurückrollen der Vergangenheit angehören.

Eine ASR mit speziell kalibriertem ESP und die umfassende Ausstattung mit Airbags gehören ebenso zum Paket. Außerdem sind noch ein Licht- und Regensensor serienmäßig an Bord, was den Alltag noch ein klein wenig komfortabler gestaltet. Ergänzt wird die Ausstattung durch ein Mobilitätsset mit einem 12-V-Kompressor und Reifendichtmittel.
Der Seitenwind-Assistent soll bei starken Windböen den Kleinen auf Spur halten. Fürs komfortable Parken wartet der rollende Gefährte hinten mit gut vernehmbaren, akustisch warnenden Parksensoren auf. Apropos Akustik: Über mangelnde Kommunikationsbereitschaft kann man sich nicht beklagen, sofern man vergisst, das Licht beim Verlassen auszuschalten oder zu lange mit aktiver Zündung steht. Beides wird lautstark angemerkt – hervorragend. Somit zeigt die Topversion des Twingo eine umfassende Ausstattung, die der Sicherheit zuträglich ist.
Motorisierung und Fahreigenschaften
„Ui, was ist denn hier los?“ ist eine der ersten Fragen, die man sich stellt, wenn man den Kleinen artgerecht bewegt, sprich den rechten Fuß immer schön gen Boden richtet. Was sich offenbart, ist ein sehr spontaner Antritt, der vehemente, kernige Dreizylinder-Klang und eine Beschleunigung, wie man sie einem solchen Baby-Flitzer nie zugetraut hätte.

Um diese Leistung zu ermöglichen, hatte das Renault Sport-Team seine Händchen bei der Entwicklung dabei. Das Fahrwerk erhielt neue Stoßdämpfer und einen Querstabilisator an der Vorderachse, der einen größeren Durchmesser aufweist. Das Elektronische Stabilitätsprogramm wurde für den GT neu kalibriert und greift später ein. Es lässt leichte Drifts in typischer Heckmotormanier zu, wobei solche Spielereien in diesem Segment zeigen, dass gerade der Renault Twingo GT eine fahrerisch versierte Zielgruppe hat, welche mit dieser Performance umzugehen weiß.
Außerdem wird durch den Heckantrieb ein enorm kleiner Wendekreis ermöglicht, der die Kurvenhatz-Ambitionen des Fahrers so richtig anstachelt. Der bereits angesprochene Lufteinlass erfüllt die Funktion als Frischluftlieferant für die beim Renault Twingo GT erhöhte Rotationsgeschwindigkeit des Turboladers.
Außerdem erhielt das Triebwerk eine neue Kraftstoffpumpe und eine neue Wasserpumpe, welche die Kühlung optimiert. Das Ergebnis ist, dass der Dreizylinder mit lediglich 898 Kubikzentimeter Hubraum 110 PS mobilisiert und ein maximales Drehmoment von 170 Nm bereitstellt. Die Getriebeabstufung ist an den spritzigen Charakter angepasst und das Fünfgang-Schaltgetriebe zeigt knackig kurze Schaltwege.
Die Start-Stop-Automatik hat keinen der Redaktionsmitglieder im Testzeitraum enttäuscht und den Turbozwerg immer verlässlich wiederbelebt. Am Lenkrad ist der Zugriff auf den Tempopiloten mit Geschwindigkeitsbegrenzer platziert, der nützlich ist, aber im Testzeitraum recht selten genutzt wurde, da die Stadt das bevorzugte Einzugsgebiet des Flitzers war.

Auf der Autobahn zeigte sich, dass der Kleine nicht das beste Langstreckengefährt ist. Der nur 35 Liter fassende Tank ist genauso im Hinterkopf präsent wie die Tatsache, dass der Heckantrieb in Kombination mit der ungezügelten Power seine Tücken mit sich bringt. Wer den Topspeed von über 180 Km/h voll auskosten will, sollte stets mit voller Aufmerksamkeit agieren.
Über Land spielt der Hot Hatch im Kleinstwagenformat seine Leistungskarten aus und gerade die landstraßenüblichen Überholvorgänge könnten zum neuen Hobby werden. Der Blick auf den Verbrauch zeigt – je nach Schwere des rechten Fußes – Werte zwischen sieben und zehn Litern, bei Volllast steht auch mal eine 12 auf dem digitalen Bildschirm.
An der Zapfsäule muss man zu Super Plus greifen, was in der Kategorie der City-Raketen nicht verwundern sollte – der Twingo GT steht hier nicht alleine. Der Renault-typische Eco-Mode ist Serie und zügelt unter anderem die Drehfreude des Triebwerks, um bei entspannten Ausflügen Durst und Emissionen senken zu können.
Alles in Allem ist gerade die Kurzstrecke sein Metier, auf der dieser Kleine einen großen Spaßfaktor generiert.
Konnektivität
Auf ein Infotainmentsystem mit Touchscreen muss verzichtet werden, denn der Testwagen Renault Twingo GT kam mit dem Radio Connect R&Go. Dieses ließ sich anstandslos mit dem Smartphone koppeln und hält hierfür eine praktische Haltevorrichtung bereit.
Dank des optionalen Sound-Pakets ist auch der Zugriff auf DAB+ möglich. Auf Wunsch kann das gekoppelte Handy per App nützliche Fahrinformationen wie den aktuellen und durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch sowie die Motordrehzahl anzeigen. Diese Funktion wurde im Testzeitraum nicht näher beleuchtet, sodass keine Aussagen zur App R&Go getätigt werden können.

Optional ist für den Renault Twingo GT auch das integrierte Multimediasystem R-LINK Evolution erhältlich. Die musikalische Untermalung, die TomTom LIVE Navigation, die Klimaanlage, die Telefon-Funktion et cetera können dabei über einen 7-Zoll-Touchscreen gesteuert werden. Und mal ehrlich: Viele Schnittstellen sind schön und gut – aber gerade dieser City-Kumpan ist eher als Fahrmaschine zu betrachten, bei dem der Weg das echte Ziel ist.
Fazit – mehr als nur ein „Lifestyle-Car“
Beim ersten Ausspielen der Kräfte des Renault Twingo GT kam gedanklich ein inneres Bild…oder eher eine Geschichte auf. Wie wohl die Idee zu diesem Fahrzeug entstanden sein mag? Vielleicht sahen die Verantwortlichen im Hause Renault das imaginierte Bild von „Papa Megane“ und „Mama Clio“ vor Augen, die viel zu oft mit ihren RS-Freunden am Nürburgring sitzen und sich das ein oder andere Schlückchen V-Power gönnen.
Der Nachwuchs schaut fasziniert dabei zu, wie die bösen Tiere den Racetrack für sich erobern. Der Kleine ist nie wirklich groß geworden, aber er hat sich den größten Motor gesichert. Und das freut die Fahrer, die sich explizit für den 16.105 Euro teuren Renault Twingo GT entscheiden.

Die Zielgruppe ist fahrerisch versiert, sieht den Renault Twingo GT nicht als reines „Nutzauto“ sondern als Spaßmaschine und ist gern sportiv im Stadtgewimmel unterwegs. NewCarz heißt Sie in der Welt der Kleinstboliden willkommen!
Text/Fotos: NewCarz
Kamera: Canon EOS 6D
Technische Daten des Renault Twingo ENERGY TCe 110
Länge x Breite x Höhe (m): 3,60 x 1,64x 1,55
Motor: Reihendreizylinder-Benzinmotor mit Turboaufladung
Leistung: 80 kW (109 PS)
Hubraum: 898 ccm
Max. Drehmoment: 170 Nm
Getriebe: Fünfgang-Schaltgetriebe
Antrieb: Heckantrieb
Durchschnittsverbrauch (NEFZ-Norm): 4,5 L/100 km
Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 7,6 L/100 km
CO2-Emissionen (Herstellerangabe): 115 g/km
Abgasnorm: Euro 6
Höchstgeschwindigkeit: 182 km/h
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 9,6 Sekunden
Leergewicht: 1.001 kg
Laderaumvolumen: 219 Liter (980 Liter bei umgeklappten Rückenlehnen)
Kraftstofftank: 35 Liter
Neupreis des Testwagens inklusive Sonderausstattung: 16.105 Euro (Basis-Twingo GT 15.490 Euro)
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