Nachdem wir vor gut zwei Jahren den Leaf mit der kleinen Batterie getestet haben, wurde es nun Zeit, den Nissan Leaf e+ einem solchen zu unterziehen.
Mit dem größeren Akkupack soll der vollelektrische Japaner deutlich alltagstauglicher sein. Dies erreicht man insbesondere durch eine höhere Reichweite und eine nicht unerhebliche Leistungssteigerung.
Wir fuhren den Nissan Leaf e+ als aktuelles Modelljahr wieder einmal in einem Pearl White Metallic mit schwarzem Dach.
- Der Leaf e+ von Außen und Innen
- Antrieb und Fahreigenschaften
- Aufladen, Verbrauch und Reichweite
- Ausstattung, Komfort, Sicherheit
- Varianten und Preise
- Fazit
- Technische Daten
Innen und außen
Hier gibt es im Grunde keine Unterschiede zur 40-kWh-Variante des Nissan Leaf. Die beiden Varianten gleichen sich bis ins Detail. Nach gut zwei Jahren, die mittlerweile vergangen sind, erscheint der Leaf noch immer zeitgemäß, ohne dabei aus dem Rahmen oder gar aus der Rolle zu fallen.
Der V-Motion-Frontgrill, die hoch verlaufende Gürtellinie und der hier in schwarz gehaltene Diffusor als Heckabschluss – alles ist gut miteinander kombiniert und macht den Nissan weiterhin zu einem zwar unauffälligen, allerdings nahezu zeitlosen Begleiter.
Dies gilt auch für den Innenraum, in dem man gute durchschnittliche Platzverhältnisse vorfindet. Dafür hat das aktuelle Modell einen entscheidenden Vorteil: Die Sitzposition des Fahrers ist deutlich besser einzustellen, was vor allem größere Personen betrifft. Denn anders als vorher ist das Lenkrad nicht nur in der Höhe, sondern auch längs verstellbar – ein entscheidender Vorteil.
Überdurchschnittlich gut ist das Platzangebot vor allem im Fond und im Kofferraum – trotz größerer Batterie gibt’s hier keine signifikanten Einschränkungen. Die Sitze behielten allerdings ihre Sofa-Mentalität, sind insgesamt zu weich gepolstert und bieten etwas wenig Beinauflage.
Antrieb und Fahreigenschaften – Anhaltender Fahrspaß
Hier wird der Unterschied zum kleinen Leaf überdeutlich. Das Leistungsplus von stattlichen 68 PS bringt in jeder Lebenslage einen kräftigen Leistungszuwachs. Nicht nur beim Anfahren spürt man dies in Form von intensiveren Beschleunigungskräften, sondern auch beim Zwischenspurt oder bei Autobahntempi – es ist erstaunlich, wie schnell der Leaf die 130 km/h erreicht.
Selbst darüber geht es flott weiter, bis der Begrenzer bei Tachoanzeige 160 km/h das E-Auto einfängt. Beim Sprint von null auf Tempo 100 nimmt er dem Leaf mit der 40 kWh Batterie und dessen 150 PS eine ganze Sekunde ab – das sind Welten. Der Sprint geht bis dahin so fix, dass die Anzahl der Konkurrenten mit Verbrenner auf eine überschaubare Anzahl schrumpft.
Mit dem kleineren Leaf ist diese Leistungsentfaltung daher nicht mehr direkt vergleichbar. Die hinzugewonnene Potenz verleitet sogar zum einen oder anderen fixen Überholvorgang. Übertreiben sollte man es dennoch nicht, denn der größere Akku hat auch ein höheres Gewicht und dies steigert den kinetischen Energiewert erheblich, was man vor allem in Kurven merkt.
Das komfortorientiert und weich ausgelegte Fahrwerk verstärkt zudem etwaige Nick- und Schaukelbewegungen bei allzu hastigen Lastwechseln. Trotz einer strafferen Auslegung für den Nissan Leaf e+, bleibt der weiche und stets großzügig federnde Fahreindruck gut ausgeprägt. Doch trotz allem bleibt der vollelektrische Japaner auch in diesen Szenarien unaufgeregt und neutral.
Außerdem belohnt er Fahrer und Insassen mit einer fast himmlischen Ruhe – offenbar wurde beim neuen Modelljahr nochmals an der Dämmung Hand angelegt.
Das e-Pedal sorgt bei dessen Aktivierung für maximale Rekuperation, sobald man den Fuß vom Fahrpedal nimmt. Dadurch benötigt man nach einiger Übung nur noch selten das Bremspedal. Anfangs ist diese Funktion etwas gewöhnungsbedürftig und man muss ein bisschen Feingefühl an den Tag legen. Doch nach einiger Zeit ist diese Funktion vor allem im innerstädtischen Bereich eine brauchbare Angelegenheit.
Aufladen, Verbrauch und Reichweite
In diesem Kapitel kommt das nächste, für ein E-Auto immens wichtige Plus: die Reichweite. Zu der werden wir gleich genauer kommen. Der größere Akku mit 62 kWh wird an gleicher Stelle – nämlich an der Front – via CHAdeMO oder Typ-2-Anschluss aufgeladen. Aufgrund der höheren Kapazität erhöhen sich auch die Ladezeiten entsprechend.
Doch so exorbitant wie erwartet, war es dann zumindest an der Schnellladesäule nicht. An der 50-kW-Station benötigten wir gut anderthalb Stunden, um die Batterie von zehn Prozent wieder bis 80 Prozent aufzuladen. Hier scheint das Temperaturmanagement für die Konditionierung des Akkus überarbeitet worden zu sein? Zumindest war eine derartige Ladezeit mit dieser Leistung vollkommen akzeptabel.
Deutlicher werden die Unterschiede, wenn man den Nissan Leaf e+ über den Adapter für den Haushaltsstromanschluss laden möchte. Hierbei muss man statt den bereits ewig erscheinenden 21 Stunden für die 40-kWh-Version sogar über 30 Stunden ausharren. Aus diesem Grund ist zumindest eine installierte Wallbox unabdingbar, durch die bei 4,7 kW Ladestrom rund 15 Stunden für eine volle Akkuladung ins Land gehen.
Dafür bringt die erhöhte Geduld beim Aufladen ein nicht unbeträchtliches Plus an Reichweite. Voll aufgeladen, den Eco-Modus aktiviert sowie alle anderen Verbraucher wie die Klimaanlage deaktiviert, prophezeit der Nissan Leaf e+ eine Reichweite von 418 Kilometern. Mit klimatisiertem Innenraum waren es immer noch 409 Kilometer und im Normal-Fahrprogramm verblieben ebenfalls stattliche 385 Kilometer an Reichweite.
Den Praxistest haben wird im Eco Mode durchgeführt und kamen auf 391 Kilometer, wobei der Akku noch „Saft“ für weitere zwölf Kilometer vermeldete – beeindruckend. Wer es also drauf anlegt, schafft mit diesem Leaf tatsächlich über 400 Kilometer.
Der Verbrauch blieb im Drittelmix bei nur 17,6 kWh pro 100 gefahrenen Kilometern, also deutlich unter dem des kleineren Leaf. Nur bei Volllast auf der Autobahn stieg der Verbrauch weit über den des kleinen Bruders und kratzte an der 35-kWh-Marke.
Noch überraschter waren wir nach unserer Verbrauchsfahrt, denn auf der obligatorischen Sparrunde genügten dem großen Leaf tatsächlich nur 10,5 kWh pro 100 Kilometer. Dass hier die Witterung einen entscheidenden Vorteil einbringt, ist unbestritten – dieser Test lief bei batteriefreundlichen 16 Grad, der kleinere Leaf wurde bei Temperaturen um den Gefrierpunkt getestet. Dennoch ist das Ergebnis bei der abgelieferten Leistung als überaus gut einzustufen.
Die Infrastruktur der Ladestationen und deren Zustände
Da wir dies auch beim ersten Test des Leaf vor zwei Jahren machten, möchten wir noch einen Blick auf den Status Quo der Ladeinfrastruktur werfen. Unser Einsatzradius kam auf immerhin 400 Kilometer. Wir können heute bestätigen, dass es mittlerweile zwar signifikant mehr Ladesäulen gibt als vor zwei Jahren, aber die Anzahl an defekten und beschädigten Ladesäulen permanent zunimmt.
Auch gibt es aufgrund der steigenden Anzahl an E-Autos immer mehr Situationen, wo die angefahrene Schnellladesäule bereits besetzt war und man auf die deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmende AC-Lademöglichkeit ausweichen musste – sofern diese noch frei war. Wenn sich dieser Trend weiterhin fortsetzt, gibt es schon bald echte Engpässe, die eine Planung größerer Strecken mit einer großen Anzahl unbekannter Variablen spickt.
Kommen dann noch Prime-Loading – Aufpreise, wenn zu bestimmten Zeiten geladen wird – und Lade-Lockdowns hinzu – Ladepunkte werden zu bestimmten Spitzenbelastungszeiten einfach stillgelegt – wird es fast zu einem kleinen Abenteuer, wenn man seine bekannten Routen verlässt.
Ausstattung, Technik und Komfort
Bei der Ausstattung ist gegenüber dem Vorgänger der zweiten Generation einiges hinzugekommen. Serienmäßig besitzt der Leaf nun einen Totwinkelwarner und optional gibt’s einen Einparkassistenten und der adaptive Tempomat wurde inklusive dem Stauassistenten genauer, was insbesondere die Spurhaltefunktion betrifft.
Apple CarPlay und Android Auto funktionieren tadellos und die aufgepeppte Nissan Connect App ermöglicht neben dem Vorklimatisieren jetzt auch das sogenannte GeoFencing, mit dem ein vorab festgelegtes Gebiet als „erlaubtes“ Terrain deklariert wird. Verlässt der Leaf dieses, gibt’s als Warnung sofort eine Nachricht auf das jeweilige Mobilgerät. Das funktioniert übrigens auch, wenn über diese App eine Höchstgeschwindigkeit festgelegt wurde und diese überschritten wird.
Auch das ohnehin sehr gute Navigationssystem wurde nochmals optimiert und verarbeitet nun noch mehr Echtzeitdaten für eine störungsfreie Routenführung.
Varianten und Preise des Nissan Leaf e+
Das große Plus an Leistung und Reichweite hat natürlich seinen Preis. Während der Leaf mit 40 kWh bereits ab 29.990 Euro angeboten wird, sind für die Variante mit großer Batterie mindestens 37.550 Euro fällig. Allerdings startet diese mit der Ausstattung „Acenta Option“, die in der kleinen Variante 32.400 Euro kostet. Somit beträgt der preisliche Unterschied ausstattungsbereinigt nur noch 4.150 Euro.
Die Förderprämie beträgt aktuell bis zu 12.000 Euro. Bestandteile davon sind zum einen der 4.000 Euro Nissan E-Bonus, ein Umweltbonus mit Innovationsprämie in Höhe von 6.000 Euro und ein ADAC-Bonus von 2.015 Euro, was die Mitgliedschaft in diesem Automobilclub voraussetzt.
Fazit – Erfahrbarer Fortschritt
Mehr Reichweite, mehr Leistung, eine überarbeitete Ausstattung mit diversen sinnvollen Dingen – der Nissan Leaf e+ hat sich in diesem Test als der eindeutig bessere Allrounder bestätigt. Zudem können ein hoch angesiedelter Fahrkomfort und eine gute Portion Fahrspaß mit in das vollelektrische Gefährt einziehen.
Für alle, die nicht ausschließlich in urbanen Regionen und deren direkten Umfeldern unterwegs sind, sondern auch mal die eine oder andere weitere Strecke absolvieren möchten, ist diese Version mit der größeren Batterie definitiv zu empfehlen. Der Aufpreis hält sich dabei in Grenzen und wird auch durch die aktuell geltende Prämienpolitik stark entschärft.
Weshalb der Nissan Leaf das weltweit meistverkaufte Elektroauto ist? Weil das Preis-Leistungsverhältnis sehr gut ist und die Alltagstauglichkeit insbesondere beim Leaf e+ keine echten Abstriche aufweist. Es ist also auch heute noch kein Zufall.
Kamera: Canon EOS 5D Mark III
Technische Daten: Nissan Leaf e+ 62 kWh N-CONNECTA
- Farbe: Pearl White Metallic / Black Metallic
- Länge x Breite x Höhe (m): 4,49 x 1,79 (2,03 mit Außenspiegeln) x 1,55
- Radstand (mm): 2.700
- Antrieb: Synchronmotor elektrisch
- Systemleistung: 160 kW (217 PS)
- Drehmoment (Nm): 340
- Getriebe: stufenlose Automatik
- Antriebsart: Front
- Batterie: Lithium-Ionen 62 kWh
- Durchschnittsverbrauch WLTP/NewCarz (kWh/100 km): 18,5/17,6
- Reichweite WLTP (km): 385
- Reichweite WLTP Stadt (km): 528
- Reichweite Testergebnis im ECO-Mode (km): 403
- CO2-Emissionen (Werksangabe): 0 g/km (lokal)
- Ladeanschluss: CHAdeMO, Type-2
- Ladezeiten 2,3 kW/4,7 kW/50 kW (min): 1.800/900/90
- Ladezeiten NewCarz 50 kW 10-80% (min): 97
- Abgasnorm: Euro 6d-ISC-FCM
- Höchstgeschwindigkeit: 157 km/h
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 6,9 Sekunden
- Wendekreis (m): 11,0
- Bodenfreiheit (mm): 150
- Kofferraumvolumen (l): 420 bis 790
- Leergewicht (kg): 1.707
- Zuladung (kg): 433
- max. Dachlast (kg): 35
- Kraftstoffart: Elektroenergie
- Fahrzeuggarantie/Batteriegarantie (Jahre): 3/8
- Neupreis des Testwagens: ca. 41.900 Euro (Basispreis e+: 37.550 Euro)
Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.