Auf dem Genfer Autosalon 2018 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt und seit letztem Jahr in Produktion, stellt der Polestar 1 das erste Modell dar, welches die Marke seit der Lossagung von Volvo auf den Markt brachte.
Und das, was man dabei zu sehen bekommt, ist überaus interessant. Und zwar nicht allein optisch. Doch damit möchten wir dennoch – wie immer – beginnen.
Beim Testfahrzeug handelt es sich um ein Coupé mit einem performanten Plug-in-Hybridantrieb. Fahrbericht.
- Exterieur
- Interieur
- Motor und Fahreigenschaften
- Ladevorgang und Ladezeiten
- Ausstattung, Komfort, Sicherheit
- Varianten und Preise
- Fazit
- Technische Daten
Exterieur – Gemanys next Top Coupé
Den Polestar 1 ziert eine wunderschöne Silhouette, welche auch im Ansturm des Fahrtwinds geformt sein könnte und diesen elegant umgeht, wie ein Torrero den Angriff des Toro pariert. Es ist quasi ein Coupé, wie aus dem Bilderbuch. Dazu gesellen sich raffinierte Details ringsum, wie beispielsweise die einem Lexikoneintrag nicht unähnliche Beschriftung auf den vorderen Kotflügeln, die Aufschluss über das Modell und das für die Karosserie verwendete Material gibt.
Dabei handelt es sich nämlich um das ultraleichte und superfeste Carbon, welches sich auch an einigen Stellen sichtbar den Augen des jeweiligen Betrachters zeigt. Die 21 Zoll großen Räder füllen wohlproportionierte Radhäuser aus, was der Seitenlinie eine fast beschwingt anmutende Eleganz verleiht.
Ein sehr detailliert gestalteter Kühlergrill, der sich dadurch optisch von Volvo-Modellen abhebt, zeigt unter anderem das Abgrenzungspotenzial dieses Autos. Auch wenn einige Stellen nicht nur Kennern Aufschluss über die Verwandtschaft zu Volvo offenbaren. Doch für viele Passanten war der Polestar 1 ein Fahrzeug, welches sie so gar nicht einordnen konnten. Das heißt für den Fahrer auch, dass er sich teilweise fühlt, als sei er in einem Supersportler á la McLaren oder Lamborghini unterwegs.
Mit ein bisschen Fantasie erinnert der Abschluss des Fahrzeugs an frühere Mustang Modelle. Dieses „Fastback-Heck“ wirkt in jedem Fall gefällig. Hinzu kommen rahmenlose Außenspiegel, welche den edlen Charakter pointieren.
Man darf mit Fug und recht behaupten, dass der cleane Look des Polestar 1 eine nahezu berauschende Wirkung entfacht. Nicht nur mit einer der erhältlichen Mattlackierungen, sondern auch mit der Metallic-Lackierung des Testwagens ist es so, als sei es ein Konzeptfahrzeug, welches nahezu unverändert aus dem Showroom heraus eine Straßenzulassung erhalten hat und die hiesigen Gefilde nunmehr mit „Future-Vibes“ elektrisiert.
An den Scheinwerfern und Rückleuchten lassen sich am ehesten die Volvo-Gene ablesen. Thors Hammer wirft ebendiesen als Tagfahr- und Standlicht in die Welt hinaus und die Rückleuchten sind Pendants von den schwedischen Limousinen S90 und S60.
Interieur – Edel-Lounge, leicht gekühlt
Die Assoziationen im Innenraum sind vielfältig: Von schwedischer Lounge über nordisches Ensemble bis hin zur skandinavischen Leder-Oase – unsere Redakteure waren nicht geizig mit Spitznamen für dieses wunderschöne Interieur.
Im Übrigen ist hier eine Vollausstattung immer inklusive – der Kunde kann lediglich zwischen zwei Polster-Farben wählen. Von Volvo-Modellen bekannt, positioniert sich hier der vertikal stehende Zentralbildschirm in den Armaturenbereich. Der „Tweeter on Top“ darüber, gehört zum B&W Soundsystem und macht auch als Deko-Element eine überaus edle Figur.
Sicht-Carbon gibt es an diversen Stellen und stark kontrastierend zum ansonsten zurückhaltenden Farbspiel des Interieurs, greifen knallgelbe Sicherheitsgurte die ebenfalls in Gelb ausgeführten Bremssättel ringsum wieder auf.
Die Sitze wurden recht dünn gehalten, besitzen eine hervorragende Ausformung und erwiesen sich als absolut langstreckentauglich. Doch kommen sie bei größeren Personen auch an ihre Grenzen in Bezug auf Rückenergonomie und die Kopffreiheit ist insgesamt etwas knapp bemessen. Zudem benötigt man durch die mannigfaltigen Verstellmöglichkeiten beim ersten Mal etwas Zeit, um die gewünschte Sitzposition zu finden.
Traumhaft viel Licht garantiert das Glasdach in XXL, welches fast die gesamte Dachfläche – mit Ausnahme eines Querstegs zwischen den C-Säulen – ausmacht. Besonders cooles Detail: Bei Dunkelheit illuminiert ein Polestar-Logo von außen gut sichtbar durch das Glasdach.
Etwas knapp ist der Kofferraum mit 143 Litern Volumen bemessen. Dafür zeigt man mit diversen, sauber strukturierten Kabelsträngen in aufmerksamkeitserregendem Orange hinter Plexiglas eine andere Facette dieser Art von Selbstdarstellung. Eine Inszenierung, die man gern als einen kleinen Seitenhieb an die Supersportler interpretieren darf, die bevorzugt mit Zündfolgen, Bauartplaketten und beleuchteten „Motor-Showrooms“ prahlen.
Im Fond möchte man derweil als Erwachsener nicht unbedingt sitzen, doch für Kindersitze reicht der gebotene Platz vollkommen, zumal es auch die bekannten Tether-Arretierungen gibt. Alternativ taugen die Rücksitze auch als mit feinstem Nappaleder bezogene Ablagen für die Designer-Shopping-Bags.
Motor und Fahreigenschaften – Perfektion einer Antriebssymbiose
Gleich vier Herzen schlagen im Polestar 1: Der Zweiliter-Vierzylinder verfügt über eine Turbo- und Kompressoraufladung, leistet allein 309 PS. Hinzu kommen ein Riemenstartgenerator mit 68 PS Leistung – beide Aggregate treiben die Vorderräder an. Zwei E-Motoren an der Hinterachse mit zusammen 232 PS machen das Quartett vollständig.
Die Systemleistung ist beeindruckend: Es stehen 609 PS und gigantische 1.000 Newtonmeter Drehmoment bereit – das sind Werte, die auch auf einen der typischen Supersportwagen mit großvolumigem Verbrenner zutreffen könnten.
So einer will der Polestar 1 aber ganz und gar nicht sein. Vielmehr ist er der nordische Gentleman, der über ein beträchtliches Leistungsvermögen verfügt, dieses aber in absoluter Selbstbeherrschung, mit stoischer Contenance abgibt und sich dabei in avantgardistischer Zurückhaltung übt.
Im Klartext bedeutet das: Ein Polestar 1 zeigt nie die Brachialität eines Lamborghini oder Ferrari, sondern bleibt stets überaus kultiviert. Dennoch ist er extrem schnell und bärenstark. Als perfekt dürfen in diesem Zusammenhang das Fahrwerk und die Abstimmung der Antriebe untereinander gelten.
Fangen wir mit Letztgenanntem an: Es ist mehr, als anerkennenswert, wie unfassbar feinjustiert die Antriebe miteinander harmonieren. Gleichgültig, welche Fahranforderung ansteht, werden die Antriebskräfte so feingranular verteilt, dass das Thema Traktion im Grunde permanent zur Nebensache wird.
Auch die beiden Elektromotoren an der Hinterachse werden so akribisch aufeinander abgestimmt, dass sie bei Kurvenfahrten auch wie ein echtes Sperrdifferenzial fungieren können. Bedanken darf man sich zudem auch beim exzellenten Fahrwerk, zu dem High-End-Öhlins-Dämpfer durch manuelle Justagemöglichkeit für jeden Gusto die passende Einstellung parat haben. Dabei bleibt das Komfortniveau auch im Power-Modus auf einem sehr hohen Level, höher als wir es vor unserem Praxistest vermutet haben.
Der Polestar 1 fährt sich insgesamt extrem gutmütig, neutral und vermittelt stets vollumfänglich und vor allem ehrliches Feedback an den Fahrer, was ihn in Summe sehr einfach in der Handhabung macht. Gibt man ihm die Sporen, so braust der bildhübsche Plug-in-Hybrid von dannen, wenngleich sich dies nicht ganz so brachial anfühlt, wie beispielsweise in einem Taycan oder auch in einem Panamera Turbo S e-Hybrid.
Langsam sind 4,2 Sekunden, die der Polestar 1 aus dem Stand bis Tempo 100 benötigt, wohl keinesfalls. Es fühlt sich dabei subjektiv sogar noch schneller an. Die Abriegelung der Höchstgeschwindigkeit wird erst bei 250 km/h aktiv – die sind übrigens schnell erreicht. Volvo macht mittlerweile bei 180 km/h bei allen Modellen Schluss – das wäre bei diesem Polestar 1 ein Lapsus.
Die Bremsen zeigten im Test eine hervorragende Dosierbarkeit und griffen bei Bedarf erbarmungslos zu. Der Wechsel zwischen Rekupration und echtem Bremsvorgang ist für den Fahrer so gut wie nicht spürbar.
Der Verbrauch ist stark abhängig von der Fahrweise und dem Füllstand der Akkus. Im Schnitt sollte man den Polestar bei täglichem Gebrauch zwischen sechs und 7,5 Litern bewegen können – einige Sprints eingeschlossen. Wer den Akku regelmäßig lädt, fährt damit rund 125 Kilometer rein elektrisch – im Praxistest schafften wir einmal sogar 130 Kilometer. Bleibt man also regelmäßig auf entsprechend überschaubaren Strecken unterwegs, bleibt der Polestar ein Zero-Emission-Car.
Auf der Sparrunde benötigte der Polestar 1 mit leeren Akkus nur 2,6 Liter auf 100 Kilometer. Der Gegenversuch: Bei Vollgas über eine 300 Kilometer lange Strecke freier Autobahn standen 11,9 Liter auf der Uhr. Wenn man bedenkt, dass man dabei jenseits der 200-km/h-Marke unterwegs ist und das Fahrzeug mehr als 2,3 Tonnen wiegt, zollt dieser Wert ebenso Respekt ab.
Ladevorgang und Ladezeiten
Der Lithium-Ionen-Akku in diesem Auto besitzt eine Kapazität von 34,3 kWh. Der Polestar 1 besitzt einen kombinierten Ladeanschluss, an dem sowohl AC-Anschlusskabel vom Typ 2 als auch CCS-Stecker für das DC-Schnellladen passen. Über das mitgelieferte Anschlusskabel für haushaltübliche Stromsteckdosen muss man 885 Minuten warten – so gibt es der Hersteller an. Ein Typ-2-Ladekabel, das für die meisten öffentlichen Ladestationen erforderlich ist, gibt es beim Polestar 1 leider nicht dazu.
So blieb für den Test nur der Ladevorgang an einem DC Hyper-Charger mit mehr als 50 kW Ladeleistung. Hier zog sich der Plug-in-Hybrid den Ladestrom anfangs mit über 50 kW, ging später auf minimal gut acht Kilowatt zurück. Dadurch dauerte der Ladevorgang an solch einer Powersäule nur eine Stunde und 20 Minuten für einen voll geladenen Akku. An einer AC-3-Phasen-Ladesäule mit 11 kW soll der Ladevorgang drei Stunden dauern. Aufgrund des fehlenden Ladekabels konnten wir dies nicht überprüfen.
Sofern es die elektrische Infrastruktur hergibt, ist es empfehlenswert, eine 11-kW-Wallbox mit Typ-2-Anschlusskabel in die heimische Garage oder unter dem Carport installieren zu lassen. Dann ist der Akku in rund 3 Stunden aufgeladen, per klassischem 230-Volt-Anschluss dauert es nämlich rund 15 Stunden. Zudem benötigt man dann keine Lademöglichkeit in der unmittelbaren Wohnnähe. Die Kosten für so eine Wallbox beläuft sich aktuell zwischen 500 und 800 Euro plus Anschlusskosten.
Ausstattung, Komfort, Sicherheit im Polestar 1
Wie bereits angemerkt, wird das nordische Edelcoupé grundsätzlich mit einer Vollausstattung ausgeliefert. Wir möchten hiervon einige Details unter die Lupe nehmen.
Die LED-Scheinwerfer zum Beispiel konnten in Bezug auf Leuchtweite, Homogenität, Helligkeit und Ausblendung mittels Fernlichtassistenten durchgängig Bestnoten einheimsen. Hierdurch wird jede Nachtfahrt zur entspannten Maßnahme.
Das Bowers & Wilkins Soundsystem klingt sensationell: Trotz des verhältnismäßig kleinen Innenraums haben es die Ingenieure geschafft, einen echten Konzertsaal in dieses Fahrzeug zu transferieren. Ein Glück, dass dieses audiophile Sahnestück zur Serienausstattung gehört, denn es unterstreicht die Hochwertigkeit des Fahrzeugs auch akustisch abermals.
Alle Assistenzsysteme, die ein aktueller S90 bieten kann, offeriert der Polestar 1 serienmäßig – vom Totwinkel-Warner über den solide regulierenden Abstandstempomat bis hin zur 360-Grad-Kamera, welche auch nachts ein gestochen scharfes Bild lieferte.
Zusätzlich besitzt der Plug-in-Hybrid einen kleinen elektrisch ausfahrbaren Heckspoiler. Dies geschieht automatisch ab einer bestimmten Geschwindigkeit, kann aber auch manuell per Knopfdruck befehligt werden.
Varianten und Preise des Polestar 1
Den Polestar 1 gibt es nur in einer Ausführung und diese kostet mit der aktuell geltenden Umsatzsteuer von 16 Prozent exakt 151.092 Euro. Extras kann man nur in Form eines zusätzlichen Wartungsvertrags über 12 Monate sowie einen Satz Winterräder für zusammen 6.800 Euro hinzubuchen. Eine matte Außenlackierung fordert weitere knapp 5.000 Euro ein.
Ein wichtiger Punkt für alle Interessenten ist die Rarität des in China gefertigten Sportwagens mit dieser topmodernen Hybridtechnik. Pro Jahr werden nur 500 Exemplare gefertigt und nach drei Jahren soll Schluss sein. Das heißt, es werden insgesamt nur 1.500 Modelle hergestellt. Da sollte man als Interessent nicht zu lange mit seiner Entscheidung warten.
Fazit – Ein Polarstern mit Diamantschliff
Der Polestar 1 sorgte über den gesamten Testzeitraum für eine fast exaltierende Vorstellung: Er zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie exzentrisch und gleichzeitig elegant ein Plug-in-Hybrid sein kann. Er ist dabei keinesfalls eine rollende Verzichtserklärung, sondern vielmehr ein Statement in Sachen Design und Technik.
Die hohe elektrische Reichweite konnten wir in der Praxis bestätigen, die enorme Power ist gut dosierbar und das Fahrwerk lässt in der Tat keine Wünsche offen. Hinzu kommt die Noblesse, die es problemlos auch mit einem Maserati oder einem Porsche aufnehmen kann. Und als i-Tüpfelchen begleitet den Fahrer stets ein Exot – politisch korrekt, bärenstark und mit jeder Menge „Future Vibes“.
Bleiben als Kritikpunkte nur der kleine Kofferraum, die für große Menschen eingeschränkte Kopffreiheit und der Preis. Reichlich 151.000 Euro klingen happig und sind sicherlich auch kein Schnäppchen. Doch im direkten Vergleich zur Konkurrenz – die es eigentlich nicht gibt – relativiert sich der Preis recht schnell.
Zumal der Polestar eine Rarität bleiben wird. Lediglich 1.500 Stück sollen innerhalb von drei Jahren gebaut werden. Es bleibt zu hoffen, dass dies nicht das letzte hybride Schmuckstück aus dem Hause Polestar bleiben wird.
Kamera: Canon EOS 6D
Technische Daten: Polestar 1
- Farbe: Space
- Länge x Breite x Höhe (m): 4,59 x 1,96 (2,02 mit Außenspiegel) x 1,35
- Radstand (mm): 2.742
- Antrieb Verbrenner: Vierzylinder Reihenmotor mit Abgasturbolader und Kompressor
- E-Antrieb: Riemenstartgenerator plus 2 Elektromotoren (Hinterachse)
- Systemleistung: 448 kW (609 PS)
- max. Drehmoment: 1.000 Nm
- Hubraum: 1.969 ccm
- Getriebe: 8-Stufen-Automatik
- Antriebsart: Allrad
- Durchschnittsverbrauch (WLTP): 0,7 L/100 km
- Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 2,6 L/100 km
- CO2-Emissionen (Herstellerangabe): 15 g/km
- Abgasnorm: Euro 6d
- Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 4,2 Sekunden
- Wendekreis (m): 11,4
- Bodenfreiheit (mm): 140
- Leergewicht (kg): 2.350
- Zuladung (kg): 320
- Kofferraum (l): 143
- Kraftstofftank (l): 60
- Hybrid-Batterie: Lithium-Ionen; 348 Volt, 102 Ah, 33,4 kWh
- Ladezeiten: 50 kW DC: 1h / 2 kW AC: 15 h, 11 kW AC: 3h
- Kraftstoffart: Benzin E5/E10 mind. 95 Oktan
- Neupreis des Testwagens: 152.067 Euro (Einstiegspreis ab 151.092 Euro)
Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.