Er ist zurück: Als Toyota Camry Hybrid rollt die weltweit erfolgreichste Mittelklasselimousine seit letztem Jahr auch wieder über europäische Straßen. Zeit für einen Test.
Die Modellpolitik von Toyota ist mitunter etwas undurchsichtig. Denn der Camry soll ja hierzulande den Avensis ersetzen, der damals wiederum der Nachfolger des Carina war und zurselben Zeit ein Camry eine Klasse höher angesiedelt wurde. Nun denn, in der Mittelklasse angekommen, ist er nun ein direkter Wettbewerber von Passat & Co.
Das Image eines Toyota Camry war bislang immer unbefleckt, nahezu blütenweiß rein die Weste. Dies belegten sowohl Pannenstatistiken als auch eine Vielzahl an Fahrzeugtests. Dennoch waren die Verkaufszahlen vor 15 Jahren hierzulande nicht zufriedenstellend, wodurch der Camry für 14 Jahre vom Markt verschwand – wir berichteten.
Unser Testwagen ist der Toyota Camry Hybrid – die einzige Antriebsversion in Europa. Fahrbericht.
- Exterieur
- Interieur
- Motor und Fahreigenschaften
- Ausstattung, Technik und Alltag
- Varianten und Preise des Toyota Camry Hybrid
- Fazit
- Technische Daten
Exterieur – Der neue sympathische Toyota-Style
Ganz im Stil einer klassischen Limousine präsentiert sich der Toyota Camry im neuen, sehr flotten Toyota-Style, wodurch er nicht wenige Analogien zum inoffiziellen kleinen Bruder, dem Toyota Corolla zeigt.

Vor allem die Front mit ihrer großflächigen Luftzufuhr und den flach gehaltenen Scheinwerfern weckt Erinnerungen, wobei die Kühlergrillstruktur des Camry etwas mondäner ausfiel und das mehrstreifige LED-Tagfahrlicht für einen stilsicheren Wiedererkennungswert sorgt.

Seitlich offenbart sich eine klassische Limousine mit einem Hauch Schrägheck, was einem dynamischen Charakter in die Karten spielt und den Camry noch länger erscheinen lässt, als er es eh bereits ist. Stattliche 4,89 Meter sind eine Ansage – damit überflügelt er den Passat um zehn Zentimeter, einen Insignia verfehlt er um knapp zwei Zentimeter und befindet sich zumindest hier schon einmal auf Augenhöhe mit BMW oder Audi.

Die 18 Zoll-Räder gliedern sich zudem elegant, ja unauffällig in das Gesamtbild ein. Räder mit mehr als 18 Zoll sind übrigens nicht für den Toyota Camry erhältlich.

Am Heck werden zwar asiatische Einflüsse deutlich, doch gefällig bleibt die Limo auch hier. Die flachen Heckleuchten erinnern sogar ein wenig an den letzten Camry, ohne dabei an Moderne einzubüßen. Das eine Endrohr zeigt zudem, dass Toyota den Camry an keiner Stelle auf Krawall bürsten möchte. Ganz im Trend: Die mittig am Heckdeckel in Versalien prangende Modellbezeichnung.
Interieur – Großzügig geschnittene Zurückhaltung
Keine falschen Interpretationen bitte, denn Zurückhaltung ist nicht zwangsläufig ein Nachteil. Weniger ist mehr, könnte man auch meinen, wenn man auf die digital reduzierte Instrumententafel schaut. Keine Monster-Displays, sondern ein fein integrierter Zentralbildschirm mit acht Zoll Diagonale und einem Kombiinstrument, welches tatsächlich noch eine Kombination aus analogen Instrumenten und einem sieben Zoll großen Infodisplay ausmacht. Bedienelemente gibt es viele, etwas zu viele, finden wir.

Die Materialauswahl geht in Ordnung, auch wenn hier noch eine Lücke zum europäischen Wettbewerb besteht – billig wirkt hier nichts. Die Verarbeitung erweist sich als tadellos und das Beste ist das Platzangebot. Auf den Sitzen darf man sich überall räkeln und vor allem im Fond ist die Überraschung groß.
Der Seitenhalt und die Polsterung sind zwar nur durchschnittlich ausgeprägt und vor allem große Personen beklagen die kurze Beinauflage. Doch das hiesige Raumgefühl ist nahezu pompös und wurde für eine Mittelklasselimousine so nicht erwartet.
Dieses Platzangebot reißt auch nicht im Kofferraum ab, der respektable 524 Liter schluckt – und das bei einem Hybridmodell. Zusätzlich lässt sich die zweiteilig gestaltete Rückenlehne umklappen und offenbart dadurch eine überdimensionale Durchlade. Variabilität? Check. Die Ladekante könnte etwas weniger „Stufe“ sein und die Bodenabdeckung ist recht empfindlich gegen Abnutzung.

Nicht intuitiv ist die ganz rechts außen positionierte Taste für den Kofferraumöffner. Wer dieses Versteck nicht kennt, macht sich an der Mitte des Deckels, wo man als erstes einen solchen Öffner vermutet, die Finger beim unfreiwilligen Putzen der Rückfahrkameralinse schmutzig und geht irgendwann entnervt in die Hocke, um visuelle Suchhilfe einsetzen zu können.

In puncto Rundumsicht bestätigen wir ringsum eine gute Übersicht, die nur noch am Heck der – an Bord befindlichen – Kamera bedarf, um die lange Limo auch im Zentimeterbereich in enge Parklücken zu manövrieren.
Motor & Fahreigenschaften – Mit Hubraum und Elektropower
Dass Toyota ein echter Vorreiter in puncto Hybridantrieb ist, haben sie mehr als einmal in der Vergangenheit bewiesen. Ein Prius kann es seit vielen Jahren und der neue Corolla wusste ebenso zu begeistern.

Hier im Toyota Camry Hybrid kommt ein 2.5-Liter Vierzylinder Benzinmotor zum Einsatz, der das Atkinson-Prinzip verinnerlicht und ohne Aufladung und als Langhuber 178 PS generiert sowie 221 Newtonmeter über ein Drehzahlband von 3.600 bis 5.200 Kurbelwellenumdrehungen leistet. Unterstützt wird er dabei von einem Elektromotor, welcher die Systemleistung auf 218 PS erhöht. Das System kannten wir bereits aus dem Toyota RAV4, kommt aber hier in allen Belangen noch besser zum Zug.

Der Benziner besitzt ein Wirkungsgrad von 41 Prozent – ein weltweiter Spitzenwert. Hinzu kommt eine elektrohydraulische Ventilsteuerung, mit der die Zylinderfüllungen vor allem in untertourigen Drehzahlbereichen und abseits der angestrebten Betriebstemperaturen – beispielsweise im Kurzstreckenbetrieb oder im Winter – entsprechend variiert werden können und so die Effizienz steigt.

Die Kraftübertragung übernimmt eine stufenlose Automatik und leitet diese auf die Vorderräder weiter. Drei Fahrprogramme stehen zur Auswahl, wovon alle gut gespreizt wurden, aber ECO und Normal besser zum Charakter der Limousine passen, als der SPORT-Modus.

In der Praxis fühlt sich das so an, dass der Vortrieb unmittelbar, quasi ohne Zeitverzug einsetzt und bei vielen Beschleunigungsvorgängen der Motor angenehm leise und in moderaten Umdrehungen werkelt. Nur bei voller Beschleunigung wird auch das charakteristische Hochdrehen, bedingt durch diese stufenlose Automatik, hörbar präsent. Doch neben der Geräuschkulisse ist hier auch Vortrieb zu spüren und dieser bleibt konsequent bestehen.

Nach 8,3 Sekunden fällt die 100-km/h-Marke und es geht zügig weiter bis knapp über 180 km/h. Hier wird der Toyota Camry elektronisch eingefangen und das spürbar. Mit der verfügbaren Leistung wären mit Sicherheit über 200 km/h möglich, doch Toyota stellt beim Hybrid die Vernunft in den Fokus.
Das Fahrwerk zeigt eine sehr komfortorientierte Abstimmung mit einem verblüffend guten Abrollverhalten, was nicht zuletzt dem langen Radstand zu verdanken ist. Die Federung bügelt mit Ausnahme von zur Schildaufstellung verpflichtender Fahrbahnverwerfungen alles weg, was Passagiere stören könnte. In Summe mit der geringen Geräuschentwicklung und den großzügigen Platzverhältnissen, prädestiniert sich der Japaner zum Langstreckengefährt.

Die Lenkung gestattet exaktes Manövrieren und das Bremsverhalten gelang durch feine Dosiermöglichkeit und guter Verzögerung jederzeit problemlos. Der recht große Wenderadius macht allerdings das Rangieren zur Kurbelaufgabe.
Rein elektrisch ist der Toyota Camry als Nicht-Plug-In keine längere Strecken unterwegs. Im Test schafften wir im EV-Mode gute zwei Kilometer ohne Verbrenner, sofern der Akku gut gefüllt war. Doch zwischendurch ist die Limousine erstaunlich oft rein elektrisch aktiv, was sich gesamtheitlich summiert und den Verbrauch entscheidend beeinflusst.

Vor allem im innerstädtischen Bereich und über Land spiegelt sich dies im Verbrauch wider. Im Drittelmix fuhren wir mit nur 5,7 Litern auf 100 Kilometer – das ist einer ausgezeichneter Wert und nur zwei Zehntel Liter über der Herstellerangabe. Nur auf Autobahnen steigt der Verbrauch stark, denn hier kommt die Elektrohilfe nicht mehr zum Zuge. Bei Richtgeschwindigkeit bleibt man in der Nähe der neun Liter, bei Vollgasfahrten steigt der Konsum auf mehr als zwölf Liter. Allein daran sieht man, dass die Abriegelung bei Tempo 180 auch hier ihren Grund findet. Besonders knausrig fuhr der Toyota Camry auf unserer Sparrunde, auf der er sich mit lediglich 4,1 Liter begnügte. Für ein Auto dieser Fahrzeugklasse, ist das mehr als bemerkenswert.
Ausstattung, Technik und Alltag
In unserem Testwagen befand sich dank zweithöchster Ausstattungslinie „Executive“ ein vielfältiges Assortiment an Annehmlichkeiten und Assistenten.

Fangen wir beim Infotainmentsystem „Toyota Touch&Go“ an, dessen Bedienung sich recht umständlich und nicht immer intuitiv zeigte. Hier benötigt man etwas Eingewöhnungszeit. Ist dies vollbracht, erfreut man sich an einer zuverlässigen Routenführung mit schnellen Berechnungszeiten, falls sich die Route aus welchen Gründen auch immer ändern sollte.

Erfreulich ist die Tatsache, dass im Camry noch Drehregler verbaut wurden. Die Anordnung dieser wurde allerdings offenbar eher wahllos positioniert, sodass man während der Fahrt gerne mal anstelle der Lautstärke den aktuellen Sender wechselt.
Interessant ist, dass die Eco-Tipps, die es auch in anderen Fahrzeugen gibt, hier im Toyota Camry auch exekutive Maßnahmen erlauben. Ein Beispiel: Fährt man mit offenem Fenster, kommt bei aktivierter Klimaanlage der Hinweis, dass es besser wäre, das Fenster zu schießen, um eine effiziente Klimatisierung zu ermöglichen. Gleichzeitig wird per Button direkt im Kombiinstrument das Schließen des Fensters erlaubt.

Großes Lob verdienen auch die LED-Scheinwerfer. Trotz der geringen Anbauhöhe leuchten diese sehr weit und absolut fleckenfrei. Eine Matrix-Funktion oder andere adaptive Fähigkeiten fehlen hier zwar, doch der Fernlichtassistent glänzte dafür mit einer absolut schnellen und fehlerfreien Quote. Einzig der Fakt, dass man zur Aktivierung dieses Assistenten zwei Schritte benötigt, ist ein kleiner Grund zur Beanstandung.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Anklappfunktion der Außenspiegel, die nur funktioniert, wenn die Zündung eingeschaltet ist und die entsprechende Taste an der Innenverkleidung der Fahrertür bedient wird. Eine Automatik mittels der Fahrzeugverriegelung ist nicht verfügbar. In urbanen Bereichen wäre das bei einer Limousine mit diesen Abmessungen mehr als wünschenswert.

Die Sitzheizungen reagierten schnell und wärmten permanent ohne Intervall-Allüren. Eine Lenkradheizung gibt es im Camry leider nicht, dafür lässt sich die Lenksäule elektrisch einstellen – wir hätten uns lieber eine Heizfunktion gewünscht.
Das Soundsystem genügt den meisten Anforderungen mit einem adäquaten Klang. Wer audiophile Ansprüche pflegt, dem sein ein Hinweis auf die optionale JBL-Anlage gestattet, die in Kombination mit der höchsten Ausstattungsstufe einhergeht.
Der Preis für den Toyota Camry Hybrid
Drei Modellausstattungen gibt es für die Mittelklasselimousine.
- Als Business Edition erfolgt der Camry-Einstieg ab 39.990 Euro. Mit an Bord befindlich sind unter anderem 17-Zoll-Räder, eine 2-Zonen-Klimaautomatik, ein Keyless-Zugangssystem, ein Spurhalteassistent, ein Audio-Infotainment mit Touchscreen und Parksensoren für das Heck.
- Als Executive beginnt der Spaß ab 43.990 Euro und ab Werk gibt es on top das Navigationssystem, vordere Parksensoren, ein kabelloses Ladefeld für Smartphones, 18-Zoll-Räder und vieles mehr.
- Die Topausstattung Luxury steht ab 45.990 Euro zur Verfügung, welche im Prinzip eine Vollausstattung aufweist, zu der nur noch eine Sonderfarbe und diverses Zubehör hinzugefügt werden kann.

Die Motorisierung bleibt in allen Ausführungen gleich und auch der Frontantrieb gilt als gesetzt. Ein Allradantrieb ist nicht geplant.
Fazit – Wiederkehr mit Freude
Der Toyota Camry Hybrid erwies sich im Test als eine sehr komfortable Hybrid-Limousine mit viel Platz und großem Sparpotenzial bei einem gut austarierten Leistungsspektrum.
Aus Sicht der Redaktion wird der Camry absolut verkannt und unterschätzt. Er bringt nämlich alte Tugenden zurück, die einem Toyota jahrzehntelang innewohnten und dies in topaktueller Art und Weise: Denn der Camry ist zuverlässig und robust, ja gar unverwüstlich. Einige gefundene Kleinigkeiten schmälern kaum das positive Gesamtbild und können auch mit Sicherheit recht einfach von Toyota beseitigt werden.

Durch die ausgereifte Hybrid-Technologie und dem dosierten Einzug der Digitalisierung, erhält der Kunde in Summe ein stimmiges Auto zu einem fairen Preis. Außerdem entfällt hier ein aufwändiges Durchforsten von Optionslisten – es gibt drei Stufen und die Wahl des Wunschfahrzeugs ist dadurch bedeutend einfacher.

Theoretisch kann sich der Camry auch hierzulande über eine gute Zukunftsprognose freuen, zumal die Limousinen in der Kompakt- und Mittelklasse wieder wachsenden Zuspruch finden. Allerdings bedarf es hier dann auch einer entsprechenden Positionierung in der Kommunikation und spezielle Marketingmaßnahmen. Wir möchten hier allen Interessenten und denen, die auf der Suche nach einer Limousine der Mittelkasse sind, in jedem Fall eine Probefahrt ans Herz legen.
Im besten Fall kann der Toyota Camry Hybrid dann sogar neue Zielgruppen erschließen. Wir würden es ihm jedenfalls wünschen, denn das Rüstzeug dafür besitzt er vollumfänglich.
Text / Fotos: NewCarz
Kamera: Canon EOS 6D
Technische Daten: Toyota Camry Hybrid Executive 2.5 VVT-i
- Farbe: Nachtblau Mica Metallic
- Länge x Breite x Höhe (m): 4,89 x 1,84 (2,13 mit Außenspiegel) x 1,45
- Radstand (mm): 2.825
- Antrieb: Reihenvierzylinder Benzinmotor plus Elektromotor (Voll-Hybrid)
- Leistung Verbrenner: 131 kW (178 PS) bei 5.700 rpm
- Max. Drehmoment: 221 Nm bei 3.600 bis 5.200 rpm
- Hubraum: 2.487 ccm
- Leistung E-Motor: 88 kW (120 PS)
- Drehmoment E-Motor: 202 Nm
- Systemleistung: 160 kW (218 PS)
- Getriebe: Stufenloses Automatikgetriebe CVT
- Antrieb: Front
- Durchschnittsverbrauch (WLTP): 5,5 L/100 km
- Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 5,7 L/100 km
- CO2-Emissionen (Herstellerangabe): 125 g/km
- Abgasnorm: Euro 6d Temp EVAP ISC
- Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h (elektronisch begrenzt)
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 8,3 Sekunden
- Wendekreis (m): 12,2
- Leergewicht (kg): 1.595
- Zuladung (kg): 505
- Kofferraumvolumen (l): mindestens 524
- Kraftstofftank (l): 50
- Hybrid-Akku (kWh): 1,59 (Nickel-Metallhydrid)
- Kraftstoffart: Benzin / Elektroenergie
- Neupreis des Testwagens: 43.080 Euro (Basispreis Toyota Camry Hybrid ab 39.990 Euro)

Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.