Iberische Kompaktklasse, die Vierte – Wir bitten den Seat Leon IV zum Test und möchten dadurch überprüfen, was hier von spanischer Seite in der sogenannten Golfklasse aufgeboten wird.
Er ist technisch verwandt mit dem VW Golf VIII und dem aktuellen Audi A3, nutzt gemeinsam mit den Konzerngeschwistern den Modularen Querbaukasten. Aus diesem Grund ist auch beim neuen kompakten Seat die Zeit der Dreitürer vorbei.
Wir fuhren den neuen Seat Leon für unseren Fahrbericht in der Ausstattungsstufe FR mit dem 1.5 eTSI, einem Mild-Hybrid mit 150 PS in der Farbe Magnetic Grau.
- Exterieur
- Interieur
- Motor und Fahreigenschaften
- Ausstattung, Komfort, Sicherheit
- Varianten und Preise
- Fazit
- Technische Daten
Exterieur – Leidenschaft trifft Temperament
Der neue Seat Leon ist ein überaus leidenschaftlich und modern gezeichneter Kompakter. Die im Vergleich zum Vorgänger spitzer ausfallende Front trägt eine gewisse Eigendynamik, die ihm ein neues Überholprestige verleiht. Dabei erscheint die neue Lichtsignatur markanter und die konturierte Motorhaube wirkt durchtrainiert, taucht den Leon zusätzlich in Temperament.
Die Seitenpartie wirkt flüssiger als beim neuen Golf und zeigt sich durch die nach hinten oben spitz zulaufende Fensterpartie eigenständiger, charakterstärker. 18-Zoll-Räder verteidigen die ausgeformten Radhäuser – hier wird das iberische Temperament zelebriert.
Am Heck zeigt der neue Leon intensiv seinen Anspruch auf Eigenständigkeit und Abgrenzung. Es ist praktisch die Schokoladenseite des Leon. Sei es der geschwungene Leon-Schriftzug, der sich angenehm von jedem Konkurrenzmodell absetzt oder die durchgehende Lichtleiste, die in ihrer nahezu anmutig filigranen Ausführung fast mit einem Panamera mithalten kann. Wir meinen, das ist der „Golf in sexy“ – vierte Arie.
Interieur – Kumpeltyp mit Sex Appeal
Auch innen gibt es diverse, aus dem Golf bekannte Indizien, wie das digitale Cockpit, ein großer Zentralscreen und so gut wie keine physischen Tasten mehr. Doch ist hier alles etwas lebhafter in der Architektur und mit spürbarem Spirit. Mag ein Golf sicherlich wertiger sein und mittels Materialien seine Platzhirsch-Attitüden verteidigen können – der Seat ist kantiger und hipper, hat einfach mehr Sex-Appeal.
Dennoch: Die Verarbeitung ist zwar ausgezeichnet, doch die Materialauswahl könnte im Seat Leon gerne etwas wertiger ausfallen. Vergleicht man ebendiese mit einem Arona oder einem Ibiza – beide Modelle sind eine Modellklasse tiefer angesiedelt – wird man bedenkliche Analogien finden.
Das Sitzmobiliar mit seinen auffälligen Steppmustern bietet dafür großzügige Sitz- und Lehnenflächen und das Platzangebot ist vorne wie hinten für einen Kompakten sehr gut. Der Seitenhalt der vorderen Sitze ist ausgeprägt und passt zum sportiven Charakter des FR.
Die Mittelkonsole ist tief angeordnet und beherbergt den kleinen Shift-by-Wire-Schalthebel, der glücklicherweise anders designt wurde als im Golf und so keine Analogien zulässt, die sofort auf ein konzerneinheitliches Teileregal schließen lassen. Extrem cool: Das Ambientelicht verläuft sogar vorn quer über die Instrumententafel.
Praktisch: In den Türablagen finden sogar 1-Liter-Flaschen genügend Platz. Der Kofferraum bietet mit gegenüber dem Vorgänger unveränderten 380 Litern ausreichend Stauraum für die täglichen Anforderungen. Maximiert sind es einige Liter mehr – 1.301 Liter warten dann auf ihre Nutzung. Das sind 64 Liter mehr, als der Golf 8 maximal bietet und 91 Liter mehr, als beim Leon-Vorgänger.
Motor und Fahreigenschaften – Barcelona is Calling
Wir hatten das Glück und konnten im neuen Leon den gleichen Antrieb testen, wie kürzlich im Golf 8. Die mildhybride Antriebskombi aus einem 1.5-Liter Turbobenziner und einem E-Motor wirkt hier eine Spur agiler und – bei forcierter Fahrweise – auch etwas temperamentvoller. Dafür erscheint die Antriebskombination im Golf wiederum geschliffener, perfekter abgestimmt, was insbesondere beim Anfahren, bei Lastwechsel und beim Segeln deutlich spürbar ist.
Die Mildhybridunterstützung ist hier ebenfalls sinnvoll, senkt den Verbrauch zum Teil deutlich. Im Sportmodus wartet der Leon mit typisch spanischen Genen auf, bleibt dabei bis zum Topspeed neutral und gleichzeitig freudig-erregt – das generiert Fahrspaß.
Mit einer wahlweise leichtgängigen oder sportlich straffen Progressivlenkung, die stets viel Feedback liefert, gibt der Leon in der getesteten FR-Version schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf die nächste Cupra-Generation.
Der Leon ist als FR die straffer abgestimmte Version des Kompaktwagens und beeindruckt einmal dadurch, sowie mit einem tollen Einlenkverhalten, einer guten Gewichtsverteilung und einer Leichtfüßigkeit, die durchaus ein bisschen Suchtpotenzial besitzt. Gebremst wird mit wachsam ansprechenden Zangen, die gut dosierbar auch bei forcierter Anwendung im Test nicht einmal ansatzweise schwächelten.
Mit 150 PS lassen sich zwar keine Berge versetzen, doch kommen sie mit den 1.361 Kilogramm Leergewicht ziemlich gut zurecht. Der Standardsprint von null auf 100 km/h benötigt 8,4 Sekunden – das fühlt sich subjektiv aber schneller an. Sein Topspeed erreichte der Leon FR laut Tacho bei 228 km/h, laut Werksangabe sind es 221 km/h und laut GPS waren es reelle 222 km/h.
Mit Fahrprogrammen lässt sich die Leistungscharakteristik nach jeweiligen Geschmäckern einstellen, was allerdings umständlich geschehen muss. Denn anstelle eines separaten Fahrmodi-Schalters muss man in die Untermenüs des Infotainments eintauchen. Während der Fahrt ist dies suboptimal und das Bedienkonzept ist hier nicht final durchdacht. Dazu später mehr.
Beim Verbrauch kamen wir im Drittelmix auf einen Durchschnitt von 6,1 Litern und blieben damit knapp unter dem Schnitt des Golf 8, der zugegebenermaßen auch ein bisschen mehr wiegt. Dafür war der Wolfsburger sparsamer auf der Sparrunde – hier genehmigte sich der Leon mit 5,8 Litern gut einen dreiviertel Liter mehr, als sein Konkurrent – dabei zeigt sich die etwas bessere Abstimmung des Hybridsystems im Volkswagen. Wer es durchgehend mit Bleifuß versucht, kommt auch mit dem Leon auf etwas über zehn Liter.
Ausstattung, Komfort, Sicherheit
Als FR rollt der Leon in der zweithöchsten Ausstattung vor und bietet entsprechend so einiges, was das Herz begehrt.
Ein echtes Highlight ist die in die Ambientebeleuchtung integrierte LED-Warnung für den Totwinkel-Assistenten. Diese verlässt im Fall einer warnbedürftigen Situation den Pfad der visuellen Atmosphärengenerierung und emittiert hart und aufmerksamkeitsstark in das Blickfeld des Fahrers ein orangegelbes Warnlicht auf der betreffenden Seite.
Außerdem übernimmt dieses in den Türverkleidungen als Streifen verlaufende Ambientelicht eine weitere Aufgabe zur Erhöhung der Sicherheit: Öffnet man bei Dunkelheit eine Tür, wechselt der jeweilige Lichtstreifen sofort in Rot, um von hinten herannahende Verkehrsteilnehmer visuell vor der geöffneten Tür zu warnen. Zusätzlich gibt es auch eine Ausstiegswarnung, die bei dem zum Stehen gekommenen Leon sich von hinten nähernden Fahrzeugen zuverlässig anschlägt.
Das Soundsystem ist für ein Standardsystem wirklich gut, blieb klangtechnisch sehr neutral und natürlich. Die Routenführung arbeitete stets zu unserer Zufriedenheit und die Darstellung der Karte gelang den Spaniern übersichtlich und ansprechend. Die Sprachsteuerung konnte bis auf eine Handvoll fehlinterpretierter Adressnamen in Summe überzeugen.
Neben DAB+ gibt es auch Webradio im Angebot. Dies konnten wir aber nicht testen, denn dazu muss es vom Hauptbenutzer freigeschalten werden – was im Fall des Testwagens im Vorfeld leider nicht erfolgt ist.
Der Spurhalteassistent arbeitet ohne zu starken Eingriff und ohne große Auffälligkeiten in puncto Fahrspurerkennung. Auch im Seat Leon IV gibt es nur noch USB-C Anschlüsse, weshalb man einen Adapter für diverse, vor allem ältere Geräte benötigt.
Das Infotainment des Leon konnte uns nicht gänzlich überzeugen, weil dessen Bedienbarkeit nicht immer intuitiv ausfiel. Es bedarf einer Eingewöhnung, was wir bereits aus dem neuen Golf kennen. Technikfreaks wird das vielleicht sogar gefallen, doch besonders für eine ältere Klientel dürfte dies für zeitweiliges Haare raufen sorgen.
Das digitale Cockpit besitzt anders als im Golf nicht die messerscharfe Auflösung und die Farbwiedergabe ist nicht ganz so brillant. Dafür besitzt der Leon ein cooles eigenständiges Darstellungsdesign mit aneinandergereihten Kacheln in Parallelogrammform.
Detailverliebt: Die Türvorfeldbeleuchtung projiziert ein „Hola!“ auf den Boden und zeigt so stolz die Herkunft des Seat Leon IV. Detailverliebt, die Zweite: Bei Dunkelheit wird die Hecklichtsignatur gekonnt in Szene gesetzt. Apropos Dunkelheit: Die sehr guten LED-Scheinwerfer weisen in puncto Helligkeit, Reichweite und Umfang des Lichtfelds einen deutlichen Vorsprung zum Vorgänger vor. Allerdings gibt es beim neuen Leon keine Adaptiv-Funktionen wie beispielsweise bei VW´s IQ-Light.
Varianten und Preise des Seat Leon IV
In der vierten Generation änderte sich vieles am Leon – entsprechend betrifft dies auch den Preis. Rund 1.600 Euro mehr kostet der Einstieg nun, der beginnt mit dem
- Reference ab 20.295 Euro, bei dem bereits LED-Scheinwerfer, LED-Blinker, 1-Zonen-Klimaautomatik, Keyless, Front Assist, Müdigkeitswarner, Spurhalteassistent und vieles mehr ab Werk dabei sind.
- Style kostet eine Stufe darüber mindestens 21.825 Euro und bringt zusätzlich 16-Zoll-Leichtmetallräder, LED-Technik für Heckleuchten und das Tagfahrlicht und einiges mehr in die Serienausstattung.
- FR ist die hier getestete Ausstattungslinie, die bei 24.174 Euro beginnt und neben 17-Zoll-Rädern unter anderem auch das Virtual Cockpit sowie Voll-LED-Heckleuchten in petto hat.
- Excellence benennt man weiterhin das Flaggschiff, das ab 24.369 Euro zur Verfügung steht und neben Infinite Light oder Smart Ambiente Light weitere Ausstattungsoptionen in Serie vorweist.
Aktuell gibt es sechs Antriebsversionen, die aus einem 1.0 TSI Dreizylinder Benzinmotor mit wahlweise 90 PS oder 110 PS, sowie einem 1.5 TSI Vierzylinder Benzinmotor mit 130 PS oder als Mildhybrid mit 150 PS bestehen. Zusätzlich gibt es noch zwei 2.0 TDI Diesel mit 115 PS und 150 PS.
Im letzten Quartal dieses Jahres folgen noch zwei Plug-in-Hybridmodelle mit 200 PS und 245 PS als Cupra-Version. Ebenfalls als Cupra-Varianten folgen dann auch drei Benzinvarianten, basierend auf einem 2.0 TSI mit 245 PS, 300 PS und 310 PS. Letztgenannte Version wird dann als Allradvariante 4Drive angeboten.
Fazit – Ein Löwe, der die Zähne zeigt
Der neue Seat Leon IV weiß auf Anhieb zu begeistern. Spanischer Charme, gepaart mit einer Allround-Motorisierung und topaktueller Technik katapultiert den Spanier in kürzester Zeit zum neuen Charming Boy im Segment der Kompaktklasse.
Wenngleich der neue Golf geschliffener und perfekter wirkt, geht dem Leon jedes Gefühl von Sterilität ab. Er will nicht kühl und nüchtern, sondern heißblütig und jugendlich wirken, was er in Summe auch gut rüberbringt. Er fletscht die Zähne und hat einen jugendlichen Charme mit spanischem Temperament liiert.
Dazu ist er preislich unterhalb des Golfs angesiedelt – rund 3.000 Euro trennen die Beiden bei vergleichbarer Ausstattung. Einzig das diffizile Infotainment ist nicht jedermanns Sache und als Kritikpunkt auszumachen, der im Rahmen einer Modellpflege hoffentlich simplifiziert wird.
Ansonsten gibt es kaum Kritik am Leon der vierten Generation. Es bleibt abzuwarten, wie er sich im Vergleich zur nicht hausinternen Konkurrenz schlagen wird.
Kamera: Canon EOS 6D
VW Golf 8, Mazda3, Skoda Scala, Honda Civic, Hyundai i30, Kia Ceed, Peugeot 308, Opel Astra, Volvo V40, Toyota Corolla
Technische Daten: Seat Leon FR 1.5 eTSI DSG
- Farbe: Magneticgrau Metallic
- Länge x Breite x Höhe (m): 4,37 x 1,80 (1,99 mit Außenspiegel) x 1,44
- Radstand (mm): 2.684
- Antrieb: Vierzylinder Reihenmotor mit Turbolader + 48-Volt-Mildhybridsystem
- Leistung: 110 kW (150 PS) bei 5.000 rpm
- Max. Drehmoment: 250 Nm bei 1.500 bis 3.500 rpm
- Hubraum: 1.498 ccm
- Getriebe: 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
- Antriebsart: Front
- Durchschnittsverbrauch (WLTP): 5,8 L/100 km
- Durchschnittsverbrauch (NewCarz): 6,1 L/100 km
- CO2-Emissionen (Herstellerangabe): 132 g/km
- Abgasnorm: Euro 6d EVAP ISC
- Höchstgeschwindigkeit: 221 km/h
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 8,4 Sekunden
- Wendekreis (m): 10,5
- Leergewicht (kg): 1.361
- Zuladung (kg): 529
- Kofferraum (l): 380 – 1.301
- Anhängelast ungebremst/gebremst bis 12 % (kg): 680/1.500
- Stützlast (kg): 80
- Dachlast (kg): 75
- Kraftstofftank (l): 50
- Kraftstoffart: Super E5/E10 mind. 95 Oktan
- Neupreis des Testwagens: 35.724 Euro (Einstiegspreis Seat Leon IV ab 20.295 Euro)
Unser Chefredakteur erstellt seit 2015 schwerpunktmäßig Fahrberichte und testet alle Fahrzeuge akribisch – mit Liebe zum Detail – auf Herz und Nieren. Dabei entgeht ihm nichts. Seine Objektivität bewahrt er dabei kompromisslos. Robertos Spezialgebiete sind neben SUVs und Kombis die alternativen Antriebskonzepte. Sein Herz schlägt aber auch gern im V8-Takt.